"Erfolg im Irak ist entscheidend"
19. Oktober 2004
DW-WORLD: John Kerry hat sich schon jetzt für eine stärkere deutsche und französische Rolle beim Wiederaufbau des Irak ausgesprochen. Sollte Kerry gewinnen: Werden Kanzler Gerhand Schröder und Präsident Jacques Chirac dem Druck Kerrys widerstehen können?
Richard Perle: Ich habe keinen Zweifel, dass Präsident Chirac sich verweigern wird. Ob auch Kanzler Schröder die Entscheidung treffen wird, sich gegen ein Irak-Engagement zu wehren, da bin ich nicht sicher. Das Argument für eine deutsche Beteiligung - und ich spreche nicht über Soldaten - das Argument dafür, dass Deutschland jetzt einen ernsthaften Beitrag für die 25 Millionen Menschen im Irak leistet während dieses großen Tests zwischen den demokratischen Kräften und den terroristischen Kräften - ist überwältigend. Ich kann mir aber vorstellen, warum der Kanzler möglicherweise bis nach der US-Wahl warten will. Egal, wer gewinnt: Ich glaube, es liegt sehr stark in deutschem Interesse sich zu beteiligen. Ich hoffe, dass wir eine deutsche Beteiligung erleben werden.
Schröder müsste sein Versprechen brechen, keine Truppen in den Irak zu schicken, auch dann nicht, wenn es ein Votum der UN gibt. Glauben Sie, dass er in seinem tiefsten Herzen hofft, dass George W. Bush wiedergewählt wird?
Den Umfragen zufolge wünschen sich 80 Prozent der Europäer einen Sieg von John Kerry und der Prozentsatz unter Sozialdemokraten liegt wahrscheinlich sogar noch höher. Ich nehme an, dass der Kanzler für Kerry ist. Das Thema ist nicht, ob Deutschland seine Position umkehrt und Militär in den Irak schickt. Die bedeutendere Frage ist, ob Deutschland an der Seitenlinie sitzt und entscheidet, überhaupt keinen bedeutenden Beitrag im Irak zu leisten. Der Irak ist enorm wichtig für die Welt, und ein Erfolg im Irak ist entscheidend für die Welt. Eine amerikanische Niederlage - die unvorstellbar ist - wäre eine derartige Ermutigung für die Terroristen, dass ich mir nicht vorstellen kann, warum ein Land, dass in der Lage ist, dabei zu helfen, dies zu verhindern, nicht dabei mitmachen würde.
Angenommen, Bush würde wiedergewählt werden: Würden Sie eine Position in der Regierung in Betracht ziehen?
Als Bush im Jahr 2000 gewählt wurde, habe ich mich entschieden, dass ich nicht in die Regierung zurückkehren wollte. Ich hatte großes Glück in der Regierung während einer Zeit tätig zu sein, von der wir jetzt wissen, dass es die letzten Tage des Kalten Krieges waren. Ich glaube nicht, dass ich jemals wieder eine so interessante Aufgabe bekommen könnte.
Sie haben hier, aber auch in den Vereinigten Staaten ein ziemlich negatives Image in der Presse und den Medien. Sie werden als "Prinz der Finsternis" geschmäht. Nach Deutschland zu kommen muss eine schwere Aufgabe für Sie sein. Wie leben Sie mit diesem negativen Image?
Sie lernen, damit zu leben, weil es nicht viel gibt, was Sie dagegen tun können. Ich sage, was ich denke, ich schreibe Artikel und Bücher und gebe Interviews. Und wenn die Leute mir zuhören und lesen, was ich schreibe, und sich dann entscheiden, dass sie mich oder meine Ansichten nicht mögen, dann ist das ihr gutes Recht. Wogegen ich mich wehre, ist die Schmähkritik von Leuten, die keine Ahnung davon haben, was ich denke, die nicht gelesen habe, was ich geschrieben habe, und die die Kritik anderer wiederholen. Aber einiges davon ist einfach unverhohlen parteipolitisch. Während des Kommunismus wurde ich dauernd von der Linken angegriffen. Jetzt werde ich noch immer von der Linken angegriffen, doch seit kurzem hat sich auch die Rechte angeschlossen. Aber meine Ansichten haben sich, seitdem ich im öffentlichen Leben bin, nicht grundlegend geändert.
Haben Sie eine besonders dicke Haut und trifft Sie das Ganze nicht manchmal doch tief? Wie gehen Sie damit um?
Sie entwickeln eine dicke Haut oder sie machen etwas anderes, und ich habe eine ziemlich dicke Haut entwickelt. Was allerdings manchmal sehr schmerzhaft ist, ist die Belastung für meine Frau und meinen Sohn. Ich habe einen jungen Sohn, er studiert Jura, und er spricht nicht viel darüber, wie er darauf reagiert, aber es muss belastend für ihn sein.
Richard Perle gilt als einer der einflussreichsten neokonservativen US-Politiker und war langjähriger Berater des Pentagon. Er war auf Einladung der American Academy in Berlin.
Das Interview führten Michael Knigge und Martin Schrader