Erfolgloser Kampf gegen Ebola
3. September 2014Wenn Werner Strahl vom Kampf gegen Ebola in Sierra Leone erzählt, dann sind seine Geschichten geprägt von einem Wort: Mangel. Zwei Wochen lang arbeitete der Kinderarzt und Vorsitzende der Hilfsorganisation "Cap Anamur" in einem Krankenhaus der Hauptstadt Freetown, Ende August ist er nach Deutschland zurückgekehrt.
"Das ist das einzige Kinderkrankenhaus im Land", so Strahl gegenüber der DW. Und auf Patienten, die mit Fieber, einem Ebola-Symptom, ankommen, ist man dort nicht eingestellt. "Die Labors sind vier beziehungsweise sechs Stunden mit dem Auto entfernt. Dorthin muss das Blut möglicher Ebola-Patienten zur Untersuchung gebracht werden und dann müssen wir die Information wieder zurückbekommen. Es hat bis zu drei Tage gedauert, bis wir die Testergebnisse bekommen haben."
Als die Testergebnisse eines kleinen Mädchens eine Ebola-Infektion bestätigten, war es bereits zu spät, erzählt Strahl. Zahlreiche Ärzte und Pfleger hatten das Kind berührt. Fast das gesamte Klinikpersonal blieb daraufhin zu Hause. Nur zwei Ärzte kümmerten sich noch um die Patienten. Schutzanzüge, Handschuhe, Schutzbrillen - alles war Mangelware. Dieser Mangel im Einzelfall spiegelt das größere Problem - denn die internationale Reaktion auf die Ebola-Epidemie ist von Missständen gekennzeichnet.
Früherkennung hat versagt
"Es ist so vieles nicht passiert", sagt Strahl. "Und nicht nur wir, sondern auch Ärzte ohne Grenzen und andere Organisationen haben seit April laut gewarnt: Es muss mehr geschehen. Es muss Schutzkleidung ins Land, die Bevölkerung muss intensiv aufgeklärt werden."
Aufklärungskampagnen liefen jedoch nur schleppend an. Strahl vermutet, dass die Regierungen Panik in der Bevölkerung stärker fürchteten als das Virus. Und Schutzanzüge? Die sind in vielen betroffenen Gebieten immer noch rar. "Die internationale Gemeinschaft hatte einfach nicht genug Schutzkleidung vorrätig", erklärt Strahl. Man habe zu spät begonnen, die Produktion hochzufahren.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO koordiniert die internationale Hilfe für die von Ebola betroffenen Länder. Ja, es habe Versäumnisse gegeben, räumt Pressesprecher Tarik Jasarevic im DW-Interview. Mehr als 1900 Menschen sind bereits an Ebola gestorben, am schwersten betroffen sind Guinea, Liberia und Sierra Leone. "Niemand hat damit gerechnet, dass die Seuche ein solches Ausmaß annimmt", so Jasarevic. "Wir haben es mit etwas völlig Neuem zu tun. Bisher waren Ebola-Ausbrüche immer auf sehr kleine Gebiete beschränkt. Deshalb stehen wir alle vor einer neuen Situation und müssen sehr schnell lernen, damit umzugehen."
"Das Haus brennt"
Die WHO schätzt, dass sich in den nächsten sechs bis neun Monaten noch einmal 20.000 Menschen anstecken könnten. Erst dann werde man die Epidemie wohl unter Kontrolle bringen. Um das zu erreichen, hat die Organisation vergangene Woche einen weiteren Aktionsplan vorgelegt. Er sieht unter anderem vor, mehr lokale Ärzte und Pfleger für den Kampf gegen Ebola zu gewinnen. Doch noch haben nicht genügend Regierungen Hilfe zugesagt. "Wir werden weiter um finanzielle Unterstützung bitten", so Jasarevic. "Es gibt schon Finanzzusagen und auch Überweisungen. Aber wir werden kontinuierliche Unterstützung brauchen, um Ausrüstung zu finanzieren und die Bezahlung lokaler Ärzte und Pfleger zu gewährleisten."
Doch selbst das dürfte nach Ansicht von Joanne Liu, der Vorsitzenden von Ärzte ohne Grenzen nicht ausreichen. "Finanzzusagen, Aktionspläne und Nachrichten über neue Wirk- und Impfstoffe können die Epidemie nicht aufhalten", fürchtet sie. Ihre Hilfsorganisation hat bislang zwei Drittel der Ebola-Patienten in Westafrika behandelt. "Um die Seuche in den Griff zu kriegen, muss die Staatengemeinschaft nun zivile und militärische Experten schicken, die Erfahrung mit der Abwehr biologischer Schadstoffe haben", so Liu. "Wir müssen in das brennende Haus hineingehen, um das Feuer zu löschen."