Erfolgsmeldungen mit Schattenseiten
24. Februar 2014Das krisengeplagte Griechenland hat im vergangenen Jahr nach Angaben der griechischen Zentralbank mehr Waren und Dienstleistungen exportiert als importiert. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von einem Überschuss in der Leistungsbilanz. Das hat es in Griechenland noch nie gegeben seit der Einführung der entsprechenden Statistik vor 66 Jahren.
Für den überraschend hohen Überschuss in der Leistungsbilanz von zwei Prozent gebe es mehrere Gründe, erläutert Panagiotis Petrakis, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Athen: "Die Einnahmen aus dem Tourismus sind 2013 um 15 Prozent gestiegen und die Ausgaben für Energieimporte sowie Heizkosten deutlich gesunken. Der griechische Export hat sich insgesamt stabilisiert, auch wenn ein minimaler Rückgang im Jahr 2013 nicht zu leugnen ist." Ob der Überschuss Bestand haben werde, müsse sich erst noch zeigen. Denn die griechische Wirtschaft sei strukturell auf Importe angewiesen und sobald sie wieder anspringe, würde auch die Nachfrage nach Importgütern zwangsläufig steigen, erklärt Petrakis. Immerhin glaubt der Ökonom, dass der Tourismus-Boom in Hellas nachhaltig sei, da die Hotelbesitzer ihre Preise gesenkt hätten.
Kampf gegen das griechische Zwillingsdefizit
Als Hauptursache für die Wirtschaftsmisere Griechenlands bezeichnen Fachleute bislang das Zwillingsdefizit: Gemeint ist damit das gleichzeitige Bestehen eines Leistungsbilanzdefizits und eines Haushaltsdefizits. Das bedeutet: in einem Land wird mehr konsumiert als produziert und darüber hinaus verschuldet sich der Staat, um sich mehr leisten zu können.
Doch nicht nur im Hinblick auf die Leistungsbilanz sondern auch in Bezug auf die Staatsverschuldung sieht sich die Athener Regierung auf dem richtigen Weg: Denn zum ersten Mal seit elf Jahren weist Griechenland nach eigenen Angaben einen Primärüberschuss im Staatshaushalt auf. Der Staat hat 2013 also mehr eingenommen als ausgegeben. Allerdings wird beim Primärüberschuss die Zinslast für Altschulden nicht berücksichtigt.
Der 23. April: Der Tag der Wahrheit
Die Geldgeber wollen noch warten, bevor sie die Fortschritte Griechenlands loben und weitere Finanzhilfen oder Schuldenerleichterungen in Aussicht stellen. Die Troika - bestehend aus Vertretern der Europäischen Union (EU), der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) - haben am Montag (24.02.2014) mit der Überprüfung der Reformschritte Athens begonnen. Ihren Bericht wird sie im März vorlegen. Als besonders wichtiger Termin gilt der 23. April: Dann soll das Europäische Statistikamt Eurostat die Daten für die öffentlichen Defizite der Euro-Mitgliedsstaaten veröffentlichen und - so die Hoffnung der Athener Regierung - die Trendwende bei der griechischen Staatsverschuldung offiziell bestätigen.
Kritiker behaupten aber, ein Primärüberschuss sei nur deshalb möglich, weil der Staat seine Rechnungen nicht oder nur verzögert bezahle. Zudem würden Kleinunternehmer durch neue Steuerregelungen belastet und im Vergleich zu den Staatsbetrieben ungleich behandelt: Wer etwa dem Staat Geld schuldet, zahlt Verzugszinsen in Höhe von 8,76 Prozent, während bei Staatsschulden lediglich Strafzinsen in Höhe von sechs Prozent fällig werden.
Professor Petrakis beziffert die offenen Rechnungen des Staates auf sieben bis acht Milliarden Euro. "Im Moment werden diese Posten nicht mitgerechnet, möglicherweise wird mit der Troika darüber verhandelt", berichtet er. Wichtiger als dieser Betrag sei jedoch die Frage, ob die Schulden weiter anwachsen. Das sei im Moment wohl nicht der Fall, ein genaues Bild würde man sich aber erst nach Veröffentlichung der Eurostat-Daten im April machen können, so der Ökonom.
Zarte Hoffnung auf den Aufschwung
Mit dem Hinweis darauf, dass Sparvorgaben erfüllt wurden, pocht der konservative Regierungschef Antonis Samaras nun auf Schuldenerleichterungen - am besten noch vor der anstehenden Europawahl. Die Geldgeber geben sich zurückhaltend und fordern ihrerseits weitere Reformen. Ein Ende des Verhandlungspokers ist nicht in Sicht.
Die griechische Regierung sollte behutsam vorgehen und Sparmaßnahmen besser dosieren, um die zarten Hoffnungen auf den Aufschwung nicht zu gefährden, mahnt der Textilhändler und Chef des Handelsverbandes in der Region Attika, Dimitris Armenakis: "Im letzten Quartal 2013 kam es zu einer deutlichen Belebung des Marktes und wir dachten, die Talsohle wäre überschritten. In diesem Januar mussten wir aber schon wieder einen Rückschlag hinnehmen infolge von Spekulationen über neue Steuererhöhungen, Sozialkürzungen oder Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt", sagt Armenakis.
Der Geschäftsmann gehört nicht zu den zahlreichen Kritikern, die behaupten, die Troika sei schuld an der Wirtschaftsmisere Griechenlands. Dass die Griechen ihren Konsum und vor allem den Import krisenbedingt einschränken müssten, sieht er auch als Marktbereinigung. Konsumenten, die in den vergangenen Jahren mehr als großzügig mit ihrem Geld umgegangen seien, würden heute Konsequenzen daraus ziehen.
2013 hat Griechenland das sechste Rezessionsjahr in Folge erlebt, 2014 soll es wieder aufwärts gehen. Nicht nur die Geschäftsleute sind dringend darauf angewiesen, dass die Konsumenten den vielbeschworenen Aufschwung stützen. Auch das politische Schicksal von Regierungschef Samaras ist damit verbunden.