Ermittler: Neue Details zum Nizza-Attentäter
18. Juli 2016Der Massenmörder von Nizza hat sich nach Auffassung der Ermittler kurz vor der Tat dem Islamismus zugewandt. Der Tunesier Mohamed Lahouaiej Bouhlel habe in jüngster Zeit ein "unbestreitbares Interesse" für die dschihadistische Bewegung gezeigt, sagte Anti-Terror-Staatsanwalt François Molins in Paris. Das habe die Auswertung seines Computers ergeben.
"Seit acht Tagen ließ er sich einen Bart wachsen und erklärte, dies habe eine religiöse Bedeutung", so der Chefermittler. Bouhlel habe in den Tagen vor dem Anschlag auch nach Videos religiöser Gesänge gesucht, die islamistische Terrororganisationen als Propagandainstrument nutzen. Derzeit gebe es aber keine Belege für eine Zugehörigkeit zur Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS), die den Attentäter als ihren "Soldaten" bezeichnet hatte, erklärte Molins.
"Ideologie für Verwirrte"
Der 31-Jährige war am Nationalfeiertag mit einem LKW durch die Menschenmenge auf der Uferpromenade von Nizza gerast und hatte dabei 84 Menschen getötet, ehe er von der Polizei erschossen wurde. Am Wochenende hatte der französische Regierungschef Manuel Valls den IS für das Attentat verantwortlich gemacht - weil die Terrormiliz verwirrten Einzelpersonen die Ideologie bereitstelle, um ihren Taten einen Sinn zu geben.
Der Angreifer bereitete den Anschlag laut Statsanwaltschaft über mehrere Tage hinweg vor. Die bisherigen Ermittlungen hätten den "vorsätzlichen Charakter" belegt, sagte Molins. Zumindest in den Tagen zuvor sei das Attentat "bedacht und vorbereitet" worden. Der Tunesier habe den 19-Tonnen-Lastwagen am 4. Juli reserviert und am 11. Juli ausgeliehen, so der Chefermittler - drei Tage vor der Attacke am französischen Nationalfeiertag. Bilder der städtischen Videoüberwachung zeigten, dass er in den Tagen vor dem Anschlag zweimal mit dem Lastwagen auf die Promenade fuhr.
Unfallvideos im Netz gesucht
Auch Handyfotos des Mannes deuteten auf solche Fahrten hin - es könne sich dabei um ein Auskundschaften des Tatortes gehandelt haben. Der Tunesier habe zudem seit dem 1. Juli mehrfach im Internet nach Informationen über die Feierlichkeiten und nach Videos tödlicher Unfälle gesucht, sagte Molins.
Vier Tage nach dem Massenmord schweben nach jüngsten Angaben noch 19 Verletzte in Lebensgefahr. Insgesamt seien 114 Opfer weiterhin im Krankenhaus, so der Anti-Terror-Staatsanwalt. Die rechtsmedizinische Untersuchung der 84 Todesopfer ist demnach abgeschlossen, zwölf von ihnen seien obduziert worden. Bis Montagnachmittag wurden 71 Opfer identifiziert. Zwei Schülerinnen und eine Lehrerin aus Berlin gelten seit dem Anschlag als vermisst.
jj/cr (dpa, afp, rtr)