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Vollständiges Skelett bei Waterloo gefunden

Verena Greb
15. Juli 2022

Sehr selten kommt vor, was einem Ausgrabungsteam bei Waterloo gelungen ist: Es barg ein komplettes menschliches Skelett. Es könnte von einem Soldaten sein, der bei der Schlacht vor 200 Jahren ums Leben gekommen war.

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Eine Grube offenbart ein Skelett, das von Kopf bis Oberschenkel zu sehen ist.
200 Jahre alt dürfte dieser Fund von den Ausgrabenden des Projekts "Waterloo Uncovered" seinBild: Chris van Houts

Mit dem Ausgang der Schlacht bei Waterloo am 18. Juni 1815 ging das Napoleonische Zeitalter zu Ende. Alliierten Kräften war es gelungen, Napoleons Truppen auf einem Feld nahe des Dorfes Waterloo bei Brüssel zu schlagen. Über 50.000 Männer kostete das Gemetzel Schätzungen zufolge das Leben. Was mit ihren Überresten geschehen war, hat bisher indes viele rätseln lassen. Erst vor Kurzem stellte der britische Archäologe Tony Pollard anhand der Auswertung schriftlicher Dokumente die These auf, dass Knochen möglicherweise in großem Stil zu Düngemittel verarbeitet worden sein könnten.

Ein Mann in gelber Schutzweste und mit Basecap auf dem Kopf beugt sich über eine Grube, neben ihm liegt eine Schaufel. Er wird umringt von Eseln und Pferden.
Heute steht eine Farm auf dem ehemaligen Kriegsschauplatz, wo dieser Veteran nach Relikten suchtBild: Chris van Houts

Jenem Archäologen und einem Team aus Kriegsveteranen ist jetzt gelungen, ein vollständiges Skelett - mutmaßlich das eines Soldaten, der in jener Schlacht von Waterloo gekämpft hatte - freizulegen. Es befand sich in einer Grube unweit eines damaligen Feldlazaretts von Mont-Saint-Jean, das der britische General Wellington betreiben ließ. Die Suchenden gehören dem 2015 ins Leben gerufenen Ausgrabungsprojekt "Waterloo Uncovered" an; einem Wohltätigkeitsprojekt, das heutigen Kriegsveteranen und anderen Militärangehörigen unter anderem durch die Beteiligung an den Grabungen hilft, sich von erfahrenem Leid und den Auswirkungen ihres Einsatzes zu erholen. 

Erst Skelett Nummer zwei

Wie "Waterloo Uncovered" im Juli 2022 bekannt gab, war das Skelett beim Fund von Munitionskisten, medizinischem Abfall und Arm- und Beinknochen umgeben. Die Gliedmaßen waren vermutlich von Lazarettärzten amputiert worden - in einer steckte noch eine Kugel. Das jetzt geborgene Skelett ist erst das zweite vollständige Skelett eines Schlachtangehörigen, das jemals freigelegt wurde. Die ersten, vor zehn Jahren gefundenen Gebeine gingen als die des sogenannten "Waterloo-Soldaten" in die Geschichte ein. Inzwischen sind die Überreste des jung verstorbenen Hannoveraners, der an der Seite der Briten gekämpft haben soll, Teil einer Ausstellung im Museum "Mémorial Waterloo 1815". 

Drei Menschen sehen sich knöcherne Überreste geschützt unter Planen an. Umgeben werden sie von Werkzeugen.
Den raren Fund inspizieren verschiedene Forschende - hier eine AnthropologinBild: Chris van Houts

Pollard, der an der Universität von Glasgow das Zentrum für Schlachtfeldarchäologie leitet, sagte über die aktuellen Funde, dass er etwas derartiges noch nie gesehen habe - obwohl er bereits seit 20 Jahren als Schlachtfeld-Archäologe arbeite. Zeitgleich mit den menschlichen Überresten wurden auch die Überreste mindestens dreier Pferde freigelegt. "Es ist eine atemberaubende Entdeckung und ein echter Augenöffner für den Horror der Realität von Waterloo", so Pollard.

Tony Pollard mit Hut und orangefarbener Weste unter einem Baum stehend.
Für den archäologischen Leiter der Grabungen, Tony Pollard, eine "atemberaubende Entdeckung"Bild: Chris van Houts

Mit den Entdeckungen umzugehen, ist für die beteiligten Veteranen nicht immer einfach. Der an den Ausgrabungen der menschlichen Gebeine beteiligte Ashley Gordon gestand, Vergleiche derart anzustellen, dass dies auch ein im Irak gefallener Kamerad hätte sein können. Darum sei der Fund nichts "was man glorifizieren und weswegen man auf und ab hüpfen sollte", sagte er. Gordon möchte der Person mit Würde und Respekt begegnen und hofft - zukunftsgewandt - dazu beizutragen, die Geschichte des Verstorbenen zusammenzusetzen.

Was geschah mit den vielen anderen Leichen?

Wie Pollard anhand seines Quellenstudiums berichtet hatte, sei es wohl angesichts der schieren Menge der Toten nicht möglich gewesen, alle zu bestatten. Einige seien verbrannt worden, einige zügig von Plünderern heimgesucht worden, die sogar Zähne für Prothesen gestohlen hätten, und ferner seien Knochenhändler aufgetaucht, weil zu Knochenmehl zermahlene Knochen damals in Düngern zum Einsatz kamen.

Ken Follett kniet über einer kleinen Grube, davor sitzen zwei Männern in Warnweste. Geräte liegen herum.
Einen prominenten Gast zog es auch zur Ausgrabungsstätte: Bestseller-Autor Ken Follett (Mitte) gab sich die EhreBild: Chris van Houts

Andererseits muss es Beschreibungen zufolge durchaus Massengräber - auch wenn diese Plünderern oder Knochenjägern zum Opfer gefallen sein sollten - gegeben haben. Vermutet werden diese in den Gebieten um Hougoumont, nahe La Haye Sainte und bei La Belle Alliance. Bislang lieferten sowohl Testgrabungen als auch Untersuchungen mit Bodenradar jedoch keine eindeutigen Ergebnisse.