Erster 9-11-Prozess in den USA
6. Februar 2006Der Prozess gegen den französischen Staatsbürger marokkanischer Herkunft hat in Alexandria, im US-Bundesstaat Virginia, mit einem Eklat begonnen. Der Angeklagte wurde nach nur zwei Minuten des Saales verwiesen, weil er lautstark gegen die Richter und seine Anwälte protestierte. "Diese Leute vertreten mich nicht", rief Moussaoui und zeigte auf seine Verteidiger. Auch bei einer zweiten Anhörung wenig später widersetzte er sich den Anweisungen des Gerichts bei Washington und wurde in seine Zelle zurückgebracht.
Todesstrafe gefordert
Moussaoui hat sich im April 2005 als in mehreren Punkten schuldig bezeichnet, bestreitet jedoch, in die Anschläge auf das "World Trade Center" in New York und das Pentagon verwickelt zu sein. Die Staatsanwaltschaft will dennoch die Todesstrafe beantragen.
Viereinhalb Jahre nach den Terroranschlägen geht der bisher einzige Prozess gegen ein geständiges El–Kaida Mitglied auf dem Territorium der USA in seine entscheidende Phase. Unter hunderten von freiwilligen Kandidaten werden unbefangene Mitglieder für die zwölfköpfige Geschworenen-Jury gesucht, die den 37-jährigen Moussaoui, geht es nach dem Willen der Staatsanwälte, zum Tode verurteilen soll.
Was wusste er?
Moussaoui wurde einen Monat vor den Anschlägen des 11.Septembers festgenommen und im Dezember des gleichen Jahres angeklagt. Der damalige Justizminister John Ashcroft sagte: "Moussaoui war in die gleichen Mordpläne verwickelt wie seine 19 Mittäter, von denen die Flugzeuge am 11. September entführt wurden."
Doch der geplante Prozess gestaltete sich überaus kompliziert und drohte zeitweilig zur Farce zu werden. Moussaoui bestand darauf, sich selbst zu verteidigen, bezeichnete sich als schuldig, nur um sein Geständnis wenig später zu widerrufen. Die Vorsitzende Richterin wies die Regierung an, seinen Anwälten den Zugang zu Top-Terroristen des Netzwerkes El Kaida, die in US-Gewahrsam aber an unbekanntem Ort sind, zu gewähren. Damit diese Moussaoui gegebenenfalls entlasten könnten.
Starke juristische Zweifel am Vorgehen
Ein Berufungsgericht entschied jedoch, dass die Staatsanwaltschaft auch ohne dies die Todesstrafe beantragen dürfe. Dennoch bleiben starke juristische Zweifel. Moussaoui behauptet, er habe mit den Anschlägen nichts zutun. Sein Auftrag sei es gewesen, zu einem späteren Zeitpunkt ein Flugzeug ins Weiße Haus zu fliegen.
Die Staatsanwaltschaft argumentiert, Moussaoui habe durch seine Falschaussage gegenüber dem FBI die Attentäter geschützt und sei dadurch mitverantwortlich für den Tod von tausenden von Menschen.
Mit dem Prozess hat die US-Justiz juristisches Neuland betreten. Für viele der Angehörige der 9-11-Opfer kommt es mit der Findung des Strafmaßes zu der lang erhofften Herstellung von Gerechtigkeit. Mehr als 1000 von ihnen haben die Teilnahme am Gerichtsverfahren beantragt, das an sechs Standorten für diesen Personenkreis per Videokonferenz übertragen wird.
"Moussaoui war doch kein Mitläufer."
Debra Burlingham, hinterbliebene Piloten-Ehefrau einer der drei am 11. September 2001 entführten Maschinen sagt: "Moussaoui war doch kein Mitläufer. Er war aktiv daran beteiligt und wurde in Afghanistan in Terrorlagern ausgebildet."
Für andere steht aber auch die Unfähigkeit der amerikanischen Strafverfolgungsbehörden auf dem Spiel. Diese, so argumentieren sie, hätten es nach der Verhaftung von Moussaoui versäumt, die notwenigen Verbindungslinien zu den Flugzeugentführern zu ziehen. Seine Verurteilung zum Tode sei vor allem ein Ablenkungsmanöver. Loretta Flipov, deren Ehemann Al an Bord eines der entführten Flugzeuge ums Leben kam, sagt über Moussaoui: "Er hat gelogen und durch seine Falschaussage die Leben 3000 Unschuldiger auf dem Gewissen? Dazu sage ich nur – andere haben auch gelogen."