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Erste Coronavirus-Infektion in Deutschland

28. Januar 2020

Das aus China stammende neuartige Coronavirus hat Deutschland erreicht. Nach Angaben des bayerischen Gesundheitsministeriums hat sich ein Verdachtsfall bestätigt. Die WHO korrigiert ihre Risiko-Einschätzung.

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Bayerisches Gesundheitsministerium
Bild: picture-alliance/dpa/A. Gebert

Die erste Infektion mit dem Coronavirus in Deutschland wurde in Bayern festgestellt. Ein Mann aus dem Landkreis Starnberg habe sich infiziert, teilte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in München mit. Der Patient befindet sich nach Angaben der "Task Force Infektiologie" des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) klinisch in einem guten Zustand, wie es in der Mitteilung hieß. "Er wird medizinisch überwacht und ist isoliert."

Menschen, die engen Kontakt mit dem Patienten hatten, sollen ausführlich aufgeklärt und über mögliche Symptome, Hygienemaßnahmen und Übertragungswege informiert werden. Das bayerische Gesundheitsministerium und das LGL wollen die Öffentlichkeit am Dienstagvormittag bei einer Pressekonferenz informieren. 

Zahl der Todesopfer steigt weiter 

In Europa waren zuvor schon drei andere Infektionen mit dem Virus 2019-nCoV nachgewiesen worden. Alle drei betrafen Menschen in Frankreich, die sich zuvor in China aufhielten. In der Volksrepublik sind mittlerweile mehr als 4000 Infektionen mit dem neuartigen Virus offiziell  bestätigt, die Zahl der Toten stieg auf mindestens 104. Außerdem gibt es mehr als 4500 Verdachtsfälle. Den Behörden in China gelingt es offensichtlich nicht, die Ausbreitung des Virus zu stoppen. 

Das neue Virus stammt ursprünglich vermutlich von einem Markt in der Millionenstadt Wuhan, wo es wohl von dort gehandelten Wildtieren auf den Menschen übersprang. Eine schützende Impfung oder eine spezielle Therapie zur Behandlung der Erkrankung gibt es nicht. Die Symptome - darunter trockener Husten, Fieber und Atemnot - können aber mit Medikamenten abgemildert werden.

Risiko für Deutschland "gering"

Nach derzeitiger Einschätzung von Experten verläuft die neuartige Lungenkrankheit offenbar in den meisten Fällen mild, möglicherweise sogar ohne Symptome. Von den in China registrierten Todesfällen gehen die meisten nach bisherigen Erkenntnissen auf ältere Patienten mit schweren Vorerkrankungen zurück.

China Temperaturmessung in Wuhan
Bereits infiziert? Eine Temperaturmessung - wie hier in Wuhan - kann Hinweise liefernBild: Getty Images/AFP/H. Retamal

Der neue Erreger ist dem Virus hinter der Sars-Epidemie 2002/2003 sehr ähnlich. Damals hatte es nach Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zwischen November 2002 und Juli 2003 lediglich neun Nachweise in Deutschland gegeben. Todesfälle gab es hier nicht. Wohl auch deshalb wird das Risiko, sich mit dem neuartigen Coronavirus zu infizieren, "von der 'Task Force Infektiologie' des LGL und vom Robert Koch-Institut (RKI) derzeit als gering erachtet", wie der Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums mitteilte.

Influenza ist die konkretere Gefahr

Tatsächlich sei die Gefahr, die in Deutschland vom Influenza-Virus ausgehe, viel konkreter, betonte RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher in einem Interview mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb): "Wenn wir sehen, dass wir jetzt bei der laufenden Grippewelle schon über 13.000 bis 14.000 labordiagnostisch bestätigte Influenza-Erkrankungen haben und auch schon über 30 Todesfälle, dann ist das eine ganz andere Nummer", sagte Glasmacher.

Coronavirus - Transmissionselektronenmikroskopie
Coronaviren dargestellt durch ein TransmissionselektronenmikroskopBild: picture-alliance/BSIP/J. Cavallini

Grippe-Viren fordern in Deutschland jedes Jahr viele Todesopfer. In der besonders schlimmen Grippe-Saison 2017/2018 starben in Deutschland etwa 25.000 Menschen an Influenza. Am Sars-Virus, dem der neue Coronaerreger genetisch sehr ähnlich ist, waren 2002/2003 weltweit etwa 800 Menschen gestorben.

WHO korrigiert ihre Einschätzung

Allerdings korrigierte die Weltgesundheitsorganisation WHO eigene Angaben zum internationalen Gefährdungsniveau durch das neuartige Coronavirus. Weltweit sei die Gefährdung "hoch", erklärte die Organisation, die bisher nur von einer "moderaten" weltweiten Gefahr gesprochen hatte. Eine WHO-Sprecherin begründete dies mit einem "Formulierungsfehler". Die WHO schätze das Risiko "sehr hoch in China, hoch in der Region und hoch auf weltweitem Niveau" ein. Es bestehe aber nach wie vor kein weltweiter Gesundheitsnotstand.

Schweiz Hauptsitz der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist besorgt über die Ausbreitung des neuartigen CoronavirusBild: picture-alliance/Xinhua/L. Qu

China versucht derweil mit drastischen Maßnahmen, eine weitere Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen: In der Provinz Hubei, in der die Stadt Wuhan liegt, wurden mehr als 45 Millionen Menschen weitgehend von der Außenwelt abgeschottet. Fern- und Nahverkehr wurden gestoppt.

Bundesregierung erwägt Evakuierungen

Angesichts der Entwicklung planen immer mehr Länder, ihre Staatsbürger aus den besonders betroffenen Regionen zurückzuholen. Die USA, Japan und Frankreich haben bereits entschieden, ihre Staatsbürger auszufliegen. Der japanische Außenminister Toshimitsu Motegi teilte mit, ein erster Charterflug werde Dienstagnacht Ortszeit aufbrechen. Die Maschine werde rund 200 Menschen nach Tokio zurückbringen. Weitere Flüge seien geplant, da rund 650 Japaner aus Wuhan in ihre Heimat zurück wollten. Bis Ende vergangener Woche lebten 710 Japaner in der schwer betroffenen Provinz Hubei, deren Hauptstadt Wuhan ist. Die Chartermaschine wird den Angaben zufolge auch Masken und Schutzkleidung nach Wuhan bringen. In Japan wurden bisher vier Fälle der neuen Lungenkrankheit bestätigt. 

Deutschland prüft ebenso wie weitere Länder, darunter Großbritannien, die Niederlande und Dänemark, ähnliche Maßnahmen. Bundesaußenminister Heiko Mass sagte, die Bundesregierung ziehe eine mögliche Evakuierung aller ausreisewilligen Deutschen aus der besonders betroffenen Millionenstadt Wuhan in Betracht. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" soll die Bundeswehr am Mittwoch oder Donnerstag rund 90 Deutschen ausfliegen, die sich beim Auswärtigen Amt (AA) gemeldet haben. 

Das AA rät derzeit von Reisen in die gesamte Provinz Hubei ab; bei Reiseplänen für andere Teile des Landes soll eine Absage oder Verschiebung erwogen werden. Das US-Außenministerium rät inzwischen sogar von Reisen nach China insgesamt ab. Bereits geplante Reisen sollten erneut auf den Prüfstand gestellt werden, erklärte das Ministerium in Washington.

ww/wa (afp, dpa, rtr)