Erster Kunstscanner der Welt
5. Dezember 2013Millionen von Kunstgegenständen stehen in Deutschlands Museen und Depots. Einzigartige Artefakte wie die Büste der Nofretete in Berlin, für die Besucher aus der ganzen Welt anreisen. Doch selbst die bestausgestatteten Museen können nicht verhindern, dass Kunstschätze zu Bruch gehen. Im März 2009 stürzte etwa das Historische Archiv der Stadt Köln ein. Neben mittelalterlichen Urkunden und Original-Manuskripten des Schriftstellers Heinrich Böll gingen auch dreidimensionale Architekturmodelle von Gottfried Böhm verloren.
Jetzt haben Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung in Darmstadt ein neues Verfahren entwickelt, um die Exponate für die Zukunft zu bewahren: in digitalisierter Form. Bisher wurden zweidimensionale Kunstgegenstände wie Buchseiten, Fotografien oder Gemälde nur abgefilmt. Den Darmstädter Forschern gelang nun ein mobiles Labor, das Objekte auch in 3D erfassen kann. "CultLab3D" nennt sich der neuartige Scanner, mit dessen Hilfe selbst feinste Materialeigenschaften gespeichert werden können.
Schnelle Reproduktionszeit
Das besondere an dem mobilen Scanner ist die schnelle Reproduktionszeit. "Momentan braucht man mehrere Stunden oder Tage, um ein Objekt in dreidimensionaler Form zu scannen", sagt der stellvertretende Projektleiter Martin Ritz. "Mit unserer Methode werden Exponate innerhalb weniger Minuten erfasst." Dazu werden die Gegenstände auf ein Fließband mit speziellen Scanbögen gelegt und von allen Seiten eingelesen. Stellen, die der Scanner nicht erfassen konnte, werden in einem zweiten Schritt mit Hilfe von kleinen Roboterarmen fotografiert. Das fertige 3D-Modell kann im Anschluss mit kulturhistorischen Daten wie dem Namen des Künstlers oder der Entstehungszeit versehen werden.
Hilfe für Kunst aus Entwicklungsländern
Zurzeit kann der "CultLab3D" nur kleine Gegenstände in einer Größe bis zu 60 mal 60 Zentimeter einscannen. Doch in Zukunft hofft die Forschergruppe auch große Artefakte archivieren zu können. Das wäre eine wichtige Hilfe für Entwicklungsländer: “Es gibt verschiedene Staaten auf der Erde, die jetzt schon wissen, dass sie ihr Kulturgut nicht erhalten können“, sagt Projektchef Pedro Santos. Der "CultLab3D" sei ein gutes Mittel, um die Kunstschätze zumindest digital zu archivieren – bevor sie von Bürgerkriegen oder Naturkatastrophen zerstört werden. Die Kosten könnte dabei die UNESCO übernehmen.
Das Forschungsprojekt wurde vom deutschen Wirtschaftsministerium mit einer Million Euro gefördert. Anfang November stellten die Wissenschaftler den "CultLab3D" auf der Digital Heritage Konferenz in Marseille vor, wo sie den Preis für das technisch beste Exponat erhielten. Im Frühjahr 2014 sollen die ersten Objekte in Deutschland eingescannt werden. In Zusammenarbeit mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und dem Frankfurter Liebighaus entstehen dann aus verschiedenen Sammlungen digitale Artefakte.