Erster Weltkrieg: Orte der Erinnerung
Vier Jahre lang tobte der Krieg in Flandern. Nie konnte eine Seite mehr als nur ein paar Kilometer tief in die gegenerischen Linien vordringen: ein mörderischer Stellungskrieg. Am Ende waren 600.000 junge Männer tot.
In Stein gemeißelter Schmerz
18 Jahre brauchte die Künstlerin Käthe Kollwitz, um "Die Trauernden Eltern" fertig zu stellen. Im Oktober 1914 kam ihr Sohn Peter an die Front nach Flandern. Nicht einmal eine Woche später war er tot. Er wurde gerade 18 Jahre alt. Sein Grabmal findet sich zu Füßen der Skulptur des Vaters auf dem deutschen Soldatenfriedhof von Vladslo. Insgesamt sind dort 25.644 junge Männer bestattet.
Langemarck: Mißbraucht von den Nationalsozialisten
Die Oberste Heeresleitung setzte 1914 eine Lüge in die Welt. Angeblich seien Tausende Studenten mit dem Deutschland-Lied auf den Lippen gegen die feindlichen Linien marschiert. Die NS-Propaganda nahm den falschen Mythos gerne auf. Tatsächlich waren die Studenten Kanonenfutter: unerfahren und miserabel ausgerüstet. Langemarck hat als Friedhof der Kriegsfreiwilligen traurige Berühmtheit erlangt.
Der "Hill 60": ein neuralgischer Punkt
Überall um die belgische Stadt Ypern finden sich Überreste alter Bunker. Dieser ist ein ganz besonderer: Der "Hill 60" liegt ein paar Meter höher als das ansonsten flache Land. Wer die Anhöhe kontrollierte - Bäume als Sichtschutz standen damals eh nicht mehr - konnte aus sicherer Position auf die niedriger gelegenen Stellungen des Feindes feuern. Jahrelang war der "Hill 60" heftig umkämpft.
Die größte britische Gedenkstätte auf dem Kontinent
In Tyne Cot sind 11.956 Soldaten des Commonwealth begraben. Und vier Deutsche. Auf den Innenmauern sind die Namen von 34.957 Kameraden eingraviert. Ihre Leichen wurden nie gefunden. Artilleriefeuer und Dauerbeschuss machten es unmöglich, die Gefallenen zu bergen. Noch heute finden Bauern Knochen auf ihren Feldern. Sie rufen dann ein Team an, das ausrückt, um die sterblichen Überreste zu bergen.
Der Stellungskrieg
Passchendaele, ein Ort, den es heute nicht mehr gibt. 1917 lieferten sich Briten und Deutsche dort Gefechte, in deren Verlauf vier Millionen Granaten gegeneinander abgefeuert wurden. An diese Schlacht, eine der blutigsten des Krieges, erinnert das Memorial Museum Passchendaele 1917. Auf dem weitläufigen Aussenareal finden sich orginalgetreue Nachbauten von Schützengräben und Unterständen.
Der Gaskrieg
In der Gegend von Ypern wurde zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte Giftgas eingesetzt. Das Chlorgas löste Erstickungsanfälle aus. Nach einer Welle der Empörung setzten auch die Alliierten Gas im Gefecht ein. Ab Juli 1917 probierten die Deutschen eine neue Waffe aus, die unter dem Namen "Ypérite" bekannt wurde. Dieses Senfgas bewirkte großflächige Verbrennungen und Verätzungen auf der Haut.
Was von Passchendaele übrig blieb
Wer heute nach Passchendaele will, muss nach Zonnebeke fahren. So heißt der geschichtsträchtige Ort in Belgien heute. Nach 100 Tagen erbittertem Kampf - von Ende Juli bis Anfang November 1917 - war von dem Dorf fast nichts mehr übrig geblieben. Außer einem gigantischen Schutthaufen und dem Dorfteich, der vor lauter Granattrichtern und Morast kaum mehr zu erkennen war.
Weltkriegstourismus
Die Stadt Ypern zieht vor allem britische Gäste an. Ladenbesitzer, Gastronome oder Hoteliers sprechen diese Touristen gezielt an. Ein Hotel in der Stadt bietet ein ganz besonderes Erlebnis: Übernachten in einem mit Tarnfarbe gestrichenen Zimmer, mit Benzinkanistern als Beistelltischchen und kratzig-braunem Plaid als Tagesdecke. Die Wände des Frühstücksraumes sind mit Tarnnetzen drapiert.
Wenn Schrift zum Ornament wird
1928, viele Jahre nach Kriegsende, kam der deutsche Schriftsteller Stefan Zweig nach Ypern. Über das damals frisch eingeweihte Menen-Tor notierte er: Es seien so viele Namen von Toten, dass "die Schrift zum Ornament wird". An den Wänden sind rund 55.000 Namen von gefallenen und vermissten Soldaten des Commonwealth eingraviert, die kein Grab gefunden haben.
Aus dem gesamten Commonwealth
Die Namen auf den Wänden des Menen-Tores sind nach Regimentern geordnet: lange Listen von toten Söhnen, auch aus Afrika, Indien, Pakistan, Neuseeland, Australien, Kanada. Ob sie eine Vorstellung davon hatten, wofür sie im fernen Europa kämpfen sollten?
Was bleibt, ist die Erinnerung
Seit der Einweihung des Menen-Tores 1928 findet jeden Abend um 20 Uhr die "Last Post"-Zeremonie statt. Feuerwehrleute aus Ypern erweisen mit ihrem Zapfenstreich den Toten eine letzte Ehre. Ursprünglich galt die Zeremonie den britischen Gefallenen. Doch längst finden sich Zuschauer aller Nationalitäten ein. Auf diese Weise ist das Menen-Tor ein Ort des gemeinsamen Gedenkens geworden.