Chaos im Irak
9. Juli 2007Es ist bestimmt kein leichter Job, Chef der irakischen Regierung zu sein. Nuri Al-Maliki aber hat sich mit mehr Problemen herumzuschlagen als alle seine Vorgänger: Der 57-jährige stellvertretende Vorsitzende der schiitischen “Dawa”-Partei wird von den Einen als Marionette der USA betrachtet, während Washington ihn immer wieder unverhohlen als schwach und unentschlossen bezeichnet und hinter den Kulissen auch schon mal seine Abwahl betreibt. Schiitische Glaubensgenossen werfen Maliki zu viel Rücksicht gegenüber sunnitischen Gewalttätern und Unterwürfigkeit gegenüber den USA vor. Der Iran – der Maliki einst Schutz vor Saddam Hussein gewährte – ist mit dem Premier zerstritten, weil dessen Regierung Teheran eine Einmischung auf Seiten der Gewalttäter nachsagt. Saudi-Arabien wiederum wirft Maliki einseitiges Vorgehen gegen die Sunniten vor und ignoriert ihn, wo es nur kann.
Maliki will nicht mehr
Kein Wunder deswegen, dass Maliki keine Freude an seinem Amt hat. Seit Monaten spricht er davon, dass er seine Amtszeit – noch über zwei Jahre - möglichst nicht voll ausnützen werde und dass er unter keinen Umständen für eine Wiederwahl zur Verfügung stehe. Maliki war ohnehin nicht die “erste Wahl”, sondern eher ein Kompromisskandidat, mit dem - nach monatelanger Suche - alle glaubten, leben zu können.
Konzeptlosigkeit
Dass dies ein großer Irrtum war, darf gleichwohl nicht Nuri al-Maliki allein angelastet werden. Noch mehr ist daran sicher die Konzeptlosigkeit des Weißen Hauses schuld: Man hatte schon kein klares Konzept für den Irak-Krieg, und nun fehlt es für die “Zeit danach” völlig an Konzepten und Strategien. Was seinerseits dazu führte, dass es eigentlich keine “Zeit danach” gibt: Der Irak-Krieg ist weiterhin im Gange. Mit wechselnden Fronten zwar, aber mit wachsender Gewalt und immer höheren Verlusten. Besonders auf Seiten der Zivilbevölkerung.
An einen baldigen Abzug der Amerikaner ist unter diesen Umständen gar nicht zu denken. Selbst Vertreter der Regierung Maliki warnen vor dem Chaos, dass in solch einem Fall auszubrechen droht. Auch wurde nichts aus der Idee des amerikanischen Präsidenten, mit einer vorübergehenden Truppenverstärkung die Gewaltakte in Bagdad zu unterdrücken, das Gebiet der Regierung zu übertragen und die US-Truppen in entlegene Militärbasen zurückzuziehen: Die Anschläge und Morde in Bagdad – und anderswo im Irak - nehmen kontinuierlich zu. Und der Juli dieses Jahres dürfte zum blutigen Rekordmonat seit dem amerikanischen Einmarsch werden.
Hilf- und Kopflosigkeit der USA
Ein Ausdruck der Hilf- und Kopflosigkeit der USA im Irak ist auch die Unterstützung für sunnitische Bewaffnete, die eben noch gegen die Amerikaner kämpften, nun aber angeblich die Seite gewechselt haben. Washington unterstützt sie gegen radikale Schiiten, im Hintergrund aber steht das “Schreckgespenst Iran”: Das Weiße Haus will den Einfluss des Iran im Irak reduzieren und es unterstützt dabei unter anderem kurdische Gruppen, die vom Irak in den Iran infiltrieren und dort Anschläge verüben.
Die Folge ist eine immer deutlichere Aufteilung des Irak. Geografisch ebenso wie in anderen Bereichen: So streitet man sich weiterhin über das von der Regierung vorgelegte Ölgesetz, das den verschiedenen Volksgruppen Anteile an den – in letzter Zeit kaum geförderten – Erdölvorkommen zusichern soll. Der Regierung gelingt es schon gar nicht, die gegenseitigen Feindseligkeiten zu begrenzen. Sunnitische Minister und Anhänger des schiitischen Radikalen Moqtada al-Sadr haben bereits vor Monaten die Koalition verlassen. Und die Rest-Regierung bekommt die Probleme nicht in den Griff.