"Niemand will die NSA stoppen!"
15. Januar 2014Die NSA muss sich ändern. In der Expertenkommission zur Reform des stärksten Geheimdienstes Amerikas herrscht im Gegensatz zum Kongress darüber Einigkeit. Auch der Vorsitzende des Justizausschusses des Senats, Patrick Leahy, bestärkt die von Präsident Barack Obama handverlesenen Gutachter darin: "Ich glaube fest, dass wir der Überwachungsmacht des Staates stärkere Grenzen setzen müssen", sagte der Demokrat zum Auftakt des Kreuzverhörs. Doch so scharf wollten sie es gar nicht formulieren, die fünf Autoren des 308 Seiten langen Werks mit dem Titel: "Freiheit und Sicherheit in einer Welt im Wandel".
Der Report diene nicht dazu, die NSA zu zerstören, sondern sie auf bessere Weise zu erhalten, versicherte der Verfassungsrechtler Cass Sunstein im Zeugenstand. "Und wir betonen, dass nicht eine der 46 Empfehlungen in unserem Bericht die Absicht hat, ihre Fähigkeit in irgendeiner Weise zu schmälern oder zu gefährden." Vielmehr sollten "Sicherheitsnetze gegen die Bedrohung von Insidern" eingebaut und Gesetzeslücken geschlossen werden, "die es bislang schwer machen, Verdächtige zu überwachen." Dessen ungeachtet wird dem wegen seiner massiven Datensammelwut in die Kritik gekommenen Auslandsgeheimdienst in Teilen ein peinliches Zeugnis ausgestellt.
Mehr Rücksicht auf das Ausland
Das Gremium aus zwei Verfassungsrechtlern - einem Fachmann für Datenschutz, Ex-CIA-Vizedirektor Michael Morell, und dem Antiterror-Experten Richard Clarke - hatte dem Weißen Haus seinen Bericht schon im Dezember vorgelegt. Morell sprach von einer Missdeutung der Medien und eines Teils der amerikanischen Bevölkerung, durch die der Eindruck entstanden sei, die Kommission würde ein Ende des NSA-Programms empfehlen: "Das haben wir nicht getan. Wir haben empfohlen, das Vorgehen zu ändern."
Nicht nur in den USA. Zu den Ratschlägen der Expertengruppe gehört, die Lauschattacken der NSA künftig auch im Ausland zu begrenzen. Und dort nicht nur bei den Regierungschefs. Die Fachleute legen Obama zudem nahe, dass der künftige Leiter des militärischen Dienstes ein Zivilist und vom Senat mit ausgewählt werden sollte. Zudem sollten seine Verantwortungsbereiche aufgeteilt werden und nicht - wie bislang - beides abdecken: den Bereich der Cyber-Sicherheit wie auch den der Angriffsfähigkeiten der NSA.
"Holt die Daten von den Telefonfirmen"
Die wichtigste substanzielle Veränderung soll nach Meinung der Experten jedoch das Metadaten-Programm betreffen, mit dem die NSA wahllos Telefon- und Internetdaten von Bürgern sammelt. Das Programm war im vergangenen Juni durch die Enthüllungen von Whistleblower Edward Snowden ans Licht gekommen. Morell räumte ein, es sei vollkommen richtig, was Kritiker immer wieder hervorheben: Dieses Programm habe bislang noch keine herausragende Rolle bei der Verhinderung von Terrorakten gespielt. "Doch das Programm muss nur ein einziges Mal erfolgreich sein, um unverzichtbar zu werden", erklärte er.
Für Harvard-Jurist Sunstein geht es um ein klares Management verschiedener Risiken: "Zu allererst um das Risiko der nationalen Sicherheit, aber auch um den Verlust des öffentlichen Vertrauens, der Privatsphäre, wirtschaftlicher Werte und das Risiko für eine demokratische Regierung." Die Expertengruppe empfiehlt daher der Regierung, das Geschäft des Informationen-Sammelns etwa den Telekommunikationsfirmen zu überlassen. Dort könnten die Daten für befristete Zeit gelagert und bei Bedarf abgerufen werden. Ein Vorschlag, den Bürgerrechtler als reine Kosmetik abtun. Anderen geht er hingegen bereits zu weit.
Ein langwieriger Prozess
Ganz gleich, welche Reformpläne Obama am Freitag (17.01.2014) tatsächlich verkünden wird - bei der Umsetzung sind dem US-Präsidenten Grenzen gesetzt. In den meisten Punkten braucht er den Rückhalt des Kongresses. Doch wie die amerikanische Bevölkerung sind auch Repräsentantenhaus und Senat über die anstehenden Reformpläne gespalten, weiß der langjährige CIA-Mitarbeiter Fred Fleitz: "Im Kongress gibt es viel Verbitterung auf beiden Seiten", sagt das ehemalige Mitglied des parlamentarischen Geheimdienstausschusses.
"Es gibt eine merkwürdige Allianz rechter und linker Politiker, die das Metadaten-Programm zurückfahren und strenge Grenzen an bestimmte NSA-Praktiken legen möchten, weil sie glauben, dies sei im Sinn der amerikanischen Bürgerrechte." Viele von ihnen könnten die Reform blockieren, weil sie ihnen nicht weit genug geht. Andere hingegen rebellieren, weil sie um die Sicherheitsstandards der USA fürchten, sagt Fleitz. "Es gibt jedoch auch eine sehr starke parteiübergreifende Gesetzesvorlage im Geheimdienstausschuss des Senats, die das NSA-Programm verbessern und Bedenken darüber ausräumen will, ohne es zu stoppen."
Fleitz, der für den Sicherheits-Thinktank Center for Security Policy arbeitet, räumt diesem Gesetz gute Chancen ein. Bis dahin könne aber noch viel Zeit vergehen. Und auch die ersten Reformschritte für die Lauschagentur NSA werden eine lange Leitung brauchen. Manch Experte zweifelt bereits, ob Obama die reformierte NSA in seiner Amtszeit noch mitbekommen wird.