Es wird Nacht im Berlin der Wilden Zwanziger Jahre
Berlin war die Hauptstadt der Weimarer Republik und wurde zum Symbol für Vergnügen und Verbrechen. Ein wunderschöner Band mit Illustrationen und Text erinnert an eine Zeit, die gerade ein künstlerisches Comeback feiert.
Tanz und Laster auf großer Bühne
Das großformatige Buch des Taschen Verlags setzt ganz auf die Strahlkraft der Illustrationen des vielfach ausgezeichneten Bilderkünstlers Robert Nippoldt. Es dominiert Schwarz und Weiß, einzig ein zarter Bronzeton ergänzt die Farbpalette. Gemeinsam mit den Texten des Autors Boris Pofalla ist der Band "Es wird Nacht im Berlin der Wilden Zwanziger" ein literarischer Augenschmaus.
Leben im nächtlichen Berlin
Nach Ende des Ersten Weltkriegs hatten die Menschen in der Hauptstadt das drängende Bedürfnis, wieder etwas zu erleben. Vergnügen und Zerstreuung standen an erster Stelle. Und wann lässt sich besser etwas erleben, als im Verborgenen, im schützenden Dunkel der Nacht? So erzählen die Bilder und Texte des Buches vor allem etwas vom Lichterglanz im nächtlichen Berlin.
Berlin war sportbegeistert
Zum Vergnügen gehörte unbedingt auch der Sport. Boxgrößen wie Max Schmeling begeisterten die Massen. Und für einige Jahre waren die Sechstagerennen im Sportpalast an der Potsdamer Straße ein absolutes Muss - für Jung und Alt, für Reich und Arm. Im riesigen Oval des Sportpalastes kamen alle zusammen, der Champagner floss in Strömen und Egon Erwin Kisch berichtete.
Spot an: die große Bühne
Im Zentrum der 1920er Jahre standen die Auftritte der großen Stars und der Tanzcombos im Berliner "Wintergarten". Boris Pofalla schreibt: "Es ist dunkel im Saal, dunkel bis auf den Strahl zweier riesiger Scheinwerfer. 3000 Menschen sind anwesend, aber Claire Waldoffs Stimme erreicht noch die hinterste Reihe. Die Sängerin, deren Repertoire 300 Stücke umfasst, ist auf dem Höhepunkt ihres Ruhms."
Rotlichtstadt Berlin: Prostitution allerorten
130.000 Frauen und Männer sollen im Berlin der 1920er Jahre angeschafft haben. Auch das ist ein Thema in dem Buch, das nicht nur mit großformatigen Illustrationen daherkommt, sondern auch grafisch aufgearbeitete Fakten präsentiert. "Die Hure Berlin" heißt diese Grafik, die akribisch aufzählt und erklärt, wie es zuging in den Straßen und Bars, den Hinterhöfen und Etablissements aller Art.
Im Fokus: politische Versammlungen
Die Weimarer Republik stand auch für die harte politische und gesellschaftliche Konfrontation. Auf der Straße, aber auch in großen Hallen und Arenen wie dem "Sportpalast" warben die Redner der verschiedenen Parteien und Bewegungen um die Gunst der Massen. Diese Auseinandersetzungen verschärften sich im Laufe der Jahre - und steuerten unaufhaltsam auf die politische Katastrophe zu.
Verhängnisvoller politischer Pakt
Das Buch von Nippoldt/Pofalla endet nicht am 31. Dezember 1929, sondern nimmt auch die Jahre bis 1933 ins Visier. Das wilde Jahrzehnt, in dem die Menschen feierten und sich vergnügten, endete mit einem bösen Erwachen. Kein anderes Bild symbolisiert das so wie der Handschlag von Reichspräsident Paul von Hindenburg und Adolf Hitler, dem künftigen Reichskanzler und Diktator.
Der verhängnisvolle Reichstagsbrand
Eines der letzten Bilder stellt den Brand des Reichstags am 28. Februar 1933 dar. Mit Hitlers Machtergreifung und dem Aufstieg der Nazis endete eine Ära der Kunst und Kultur. Viele Menschen, die dafür standen, wurden verhaftet, ermordet oder vertrieben. "Es wird Nacht im Berlin der wilden Zwanziger" ist ein Buch, das tief eintaucht in die 1920er Jahre - und das mit dem Schrecken endet.