ESC 2020 auf dem Sofa
17. Mai 2020Es war nicht leicht, sich für einen der Fernsehsender zu entscheiden, die beschlossen hatten, verschiedene ESC-Sendungen zu präsentieren. Der Norddeutsche Rundfunk (normalerweise federführend für den deutschen ESC-Beitrag) brachte eine abgespeckte ESC-Version live aus einer leeren Hamburger Elbphilharmonie inmitten der Corona-Pandemie.
Zehn der 41 Teilnehmerländer sind in der letzten Woche im Internet als Finalisten ermittelt worden - deutsche ESC-Fans und eine Jury konnten abstimmen - und diese zehn sind mit einer abwechslungsreichen Songauswahl am Samstagabend gegeneinander angetreten.
Gewonnen hat schließlich das Trio "The Roop" aus Litauen mit einem minimalistischen Elektrosong und einer eigenwilligen Choreografie.
Moderatorin Barbara Schöneberger im rotweißen Kleid-Ungetüm, das über und über mit Kussmündchen bedeckt war, überreichte den "Deutschen ESC-Siegern der Herzen" am Ende der Show eine Siegertrophäe - ein Trostpreis.
Ein Teilnehmer kam "vom Mond"
Zeitgleich startete auf dem Privatsender ProSieben der "Free Eurovision Song Contest". Der deutsche Entertainer Stefan Raab hat selbst mehrfach am Eurovision Song Contest teilgenommen. Sein Ziehkind Lena Meyer-Landruth gewann den Wettbewerb vor genau zehn Jahren für Deutschland.
Raab hatte sich vor Jahren in den Ruhestand zurückgezogen. Als der ESC wegen COVID-19 abgesagt wurde, meldete er sich zurück und kündigte eine neue Show an, die ein neues ESC-Erlebnis versprach. So traten am Samstagabend 16 Künstler aus 15 Ländern und vom Mond(!) an.
Weder die Lieder noch die Interpreten hatten etwas mit dem "offiziellen" ESC zu tun - sehr viele Künstler sangen auf Deutsch - und alle hatten in Ihren Darbietungen einen deutschen Bezug. Und für Deutschland selber trat der Jazzmusiker und Komödiant Helge Schneider mit einer Anti-Corona-Ballade an, Windmaschine, Rosen und Goldregen inbegriffen. Die Show wurde von Stephen Gätjen und Conchita Wurst moderiert, Conchita hatte den Contest 2014 für Österreich gewonnen. In dieser Show gewann für Spanien der deutsche Singer-Songwriter Nico Santos.
Liebeserklärung der EBU an die ESC-Künstler
Und schließlich präsentierte der Veranstalter des Eurovision Song Contest, die Europäische Rundfunkgemeinschaft EBU, eine ESC-Show aus dem niederländischen Hilversum, in der alle 41 Teilnehmerländer präsentiert wurden. So sollte den Kandidaten der teilnehmenden Länder gebührend Tribut gezollt werden.
In der Sendung "Europe Shine A Light" waren die 41 Songs nicht vollständig zu sehen. Dafür gab es von allen Künstlern Grußbotschaften - und frühere ESC-Sieger traten mit neuen Interpretationen ihrer Siegertitel auf. Die Veranstaltung aus Hilversum war eine Liebeserklärung an den Wettbewerb, der sonst Millionen Zuschauer weltweit fasziniert und vor die Fernseher lockt. Hier waren eingefleischte ESC-Fans aus der ganzen Welt am besten aufgehoben.
Was bleibt nach diesem Abend?
Mehrere TV-Sendungen gleichzeitig, ESC-Sieger, die keine ESC-Sieger sind. Keine Fahnen, kein Jubel, keine Fans - stattdessen leere Fernsehstudios, ein leerer Konzertsaal, eingespielter Applaus und Skype-Bildschirme.
Kein ESC-Feeling. Keine ESC-Party mit Freunden, Cocktails und Crackern vor den Fernsehern. Stattdessen eine Fernbedienung zum Hin- und herzappen und vielleicht ein einsames Bier. Nach diesem Abend blicken ESC-Fans hoffnungsvoll in die Zukunft: 2021 soll der Eurovision Song Contest nachgeholt werden - in Rotterdam. Viele der Künstler aus diesem Jahr dürfen dort nächstes Jahr antreten, allerdings nicht mit den diesjährigen Songs. Ein Jammer im Übrigen, da das Niveau der Songs in diesem Jahr außerordentlich hoch war.
Was nach diesem Abend bleibt, ist die Hoffnung, dass so etwas wie an diesem 16. Mai 2020 nicht noch einmal nötig sein muss.