Eskalation am Golf: Alle gegen Katar
5. Juni 2017Mit dem Abbruch aller Kontakte zu Katar haben Saudi-Arabien und andere arabische Staaten die schwerste diplomatische Krise in der Region seit Jahren ausgelöst. Sie werfen dem Emirat Unterstützung von Terrororganisationen vor. Damit ist der kleine Staat am Persischen Golf, in dem die USA ihre größte Militärbasis in der Region unterhalten und in dem 2022 die Fußball-WM ausgetragen werden soll, plötzlich weitgehend isoliert.
Hetzkampagne, Bevormundung
Das katarische Außenministerium erklärte, die Maßnahmen seien ungerechtfertigt und basierten auf falschen Behauptungen. Katar sei einer Hetzkampagne ausgesetzt, die auf Verleumdungen basiere. Man wolle Katar politisch "bevormunden", hieß es aus dem Außenministerium in Doha.
Trotz aller Dementi-Erklärungen ändert das an den Fakten und der Isolation nichts. Katars Nachbarländer Saudi-Arabien, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) schlossen in einem koordinierten Vorgehen am Montag auch die Grenzen. Sie forderten Bürger Katars auf, in spätestens 14 Tagen auszureisen. Auch Ägypten und der Jemen brachen alle Beziehungen zu Katar ab. Katarische Diplomaten müssen die betroffenen Staaten innerhalb von 48 Stunden verlassen.
Kaum noch Flüge nach Katar
Saudi-Arabien und Bahrain stoppten auch den Luftverkehr mit Katar. Schon zuvor hatten mehrere Fluglinien aus Golfstaaten erklärt, sie stellten von Dienstag an ihre Verbindungen mit dem Emirat ein. Dazu gehören Etihad Airways, Emirates, Flydubai, Air Arabia und Gulf Air.
US-Außenminister Rex Tillerson rief die arabischen Staaten auf, ihre Streitigkeiten beizulegen. Offensichtlich gebe es in der Region einige Konflikte, die nun hochkochten, sagte er bei einem Besuch in Australien.
Zwischen den Fronten
In gewisser Weise stecken die USA in dem Konflikt zwischen den Fronten: Sowohl Katar als auch Saudi-Arabien, Bahrain, die VAE und Ägypten sind Verbündete der USA. So hat Washington mehr als 10.000 Soldaten auf der Luftwaffenbasis Al-Udeid in Katar stationiert. Katar gehört auch der internationalen Anti-IS-Koalition an, die Extremisten in Syrien und im Irak bekämpft. Auf Bahrain unterhält die Fünfte US-Flotte ihr Hauptquartier. US-Präsident Donald Trump hatte die arabischen Verbündeten bei einem Besuch Ende Mai in Saudi-Arabien auf einen gemeinsamen Anti-Terror-Kampf und eine gemeinsame Anti-Iran-Front eingeschworen.
Aus Regierungskreisen in Saudi-Arabien hieß es, Katar umarme Terrororgruppen, um der Stabilität in der Region einen Schlag zu versetzen. Dazu zählten neben der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) und den Muslimbrüdern auch Gruppen, die vom schiitischen Iran gefördert würden. In Katar unterhielt die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas ihr Hauptquartier, bis ihre Führer zur Ausreise aufgefordert wurden.
Das Verhältnis mehrerer Golfstaaten zu Katar ist seit langem angespannt. Bereits vor rund drei Jahren hatten Saudi-Arabien, Bahrain und die Emirate ihre Botschafter für einige Monate aus Katar abgezogen. Sie stießen sich vor allem an der Unterstützung Katars für die ägyptischen Muslimbrüder. Ägypten, Saudi-Arabien und die VAE haben die Islamisten als Terrororganisation verboten.
Ende Mai sorgte ein Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur von Katar unter den Golfstaaten für Ärger. In dem Artikel hieß es, ausgerechnet Katars Emir Tamim bin Hamad Al Thani habe die Nachbarländer kritisiert und dagegen den schiitischen Iran als Staat gelobt, der zu Stabilität in der Region beitrage. Das katarische Außenministerium versuchte damals, schnell die Wogen zu glätten. Hacker hätten einen gefälschten Bericht verbreitet. Trotzdem hielten die Spannungen an. Der schiitische Iran ist ein Erzrivale von Saudi-Arabien und der anderen von Sunniten regierten Golfstaaten.
Geld aus Katar auch in deutschen Konzernen
Auf den Machtkampf am Golf wird auch aus Deutschland aufmerksam geschaut. Das hat nicht zuletzt wirtschaftliche Gründe. Denn das Emirat ist mit Doha nicht nur ein Drehkreuz für den internationalen Flugverkehr, sondern auch strategischer Investor in europäischen Flaggschiffunternehmen wie VW und der Deutschen Bank.
Ob die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar wirklich gesichert ist, muss angesichts der diplomatischen Krise fraglich erscheinen. Der Fußball-Weltverband FIFA kommentierte den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mehrerer arabischer Golfstaaten und Ägyptens zu WM-Gastgeber Katar nicht. Es hieß lediglich, die FIFA sei "in regelmäßigem Kontakt" mit dem lokalen Organisationskomitee. Katar wäre das erste arabische Land, das eine Fußball-WM ausrichten würde.
haz/cr (dpa, rtr, afp)