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Etwas weniger Gewalt im Drogenkrieg

Jan D. Walter5. September 2014

Mit der neuen Drogenpolitik scheint sich die Lage in Mexiko etwas zu entspannen. Die Mordrate sinkt - und auch die grausamen Botschaften der Banden werden seltener. Ein Sieg über die Kartelle ist derweil nicht in Sicht.

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Mexikanische Sicherheitskräfte durchsuchen mehrere Paletten mit handlichen Päckchen (Foto: picture-alliance/Photoshot)
Bild: picture-alliance/Photoshot

"Narcomensajes" heißen die Botschaften, die mexikanische Drogenkartelle ihren Widersachern hinterlassen. Die "Drogen-Nachrichten" kommen nicht mit der Post. Ihre Übermittler sind Auftragskiller. Als Träger der Botschaft hinterlassen sie kugeldurchsiebte Leichen an öffentlichen Plätzen, abgeschlagene Köpfe auf Disko-Tanzflächen oder erhängte Opfer an Fußgängerbrücken.

Gräueltaten sind keine Domäne von islamistischen Terrorgruppen - und auch ihre Verbreitung in den Medien nicht. Im lateinamerikanischen Drogenkrieg sind grausame Exempel seit jeher ein wichtiges Element zur Einschüchterung und Abschreckung von tatsächlichen und potenziellen Gegnern. Und auch Drogenkartelle verbreiten ihre Botschaften über das Internet.

Militär gegen Drogenkartelle

Zentraler Schauplatz des Drogenkriegs auf dem amerikanischen Kontinent ist seit einigen Jahren Mexiko. Einen rasanten Anstieg der Gewalt erlebte das Land seit 2007, als sich die Mordrate binnen vier Jahren verdreifachte. Zwischen 2007 und 2012 registrierte das mexikanische Statistikamt 121.613 Morde. Dieser Zeitraum ist nahezu deckungsgleich mit der Amtszeit von Staatspräsident Felipe Calderón, der den Kartellen den offenen Krieg erklärte und massiv mit Militärgewalt gegen die Drogenbanden vorging.

Vereidigungszeremonie: Mexikos Präsident Pena Nieto überreicht einer Polizistin die Mexikanische Flagge (Foto: Reuters)
Präsident Peña Nieto setzt auf Polizei statt auf das Militär wie noch sein Vorgänger Felipe CalderónBild: Reuters

Die Regierung rühmt sich, mehr als 20 führende Köpfe der Drogenmafia getötet oder festgenommen zu haben. Doch der Preis dafür war unverhältnismäßig hoch, meint Jorge Castañeda in einem Aufsatz im September 2012. Darin schätzt Mexikos ehemaliger Außenminister (2000 bis 2003), dass allein 55.000 Morde in direktem Zusammenhang mit dem Drogenkrieg stehen.

Infografik Mordrate in Mexiko 207 - 2013

"Präsident Calderón hat den Krieg gegen die Drogen zum zentralen Thema seiner Politik gemacht. Schläge gegen die Drogenkartelle oder mutmaßlich korrupte Politiker wurden stets medienwirksam inszeniert ", erläutert Günther Maihold, Inhaber des Humboldt-Lehrstuhls in Mexiko-Stadt. Die Drogenkartelle hätten das Ringen um Aufmerksamkeit angenommen und auf ihre Weise ausgetragen.

Das Ergebnis dieser Medienschlacht: 3793 Leichen wurden laut Angaben des Büros für Nationale Sicherheit während Calderóns Amtszeit in Mexiko als Träger von Drogen-Botschaften aufgefunden - im Schnitt zwölf Exekutionen pro Woche.

Medienschlacht ebbt ab

Unter Calderóns Nachfolger Enrique Peña Nieto, seit Dezember 2012 im Amt, fährt Mexikos Regierung eine neue Strategie. "Der neue Präsident setzt auf Polizeiarbeit, statt Militär und Propaganda", fasst Politologe Maihold den neuen Kurs zusammen.

Seither wurden weitere führende "Capos" festgenommen, unter ihnen Joaquín "El Chapo" Guzmán, der dem mächtigen Sinaloa-Kartell vorstand. Erst am 31. August verhaftete die Polizei einen der wichtigsten Köpfe des als ausnehmend grausamen geltenden Kartells "Los Zeta". Einen Tag danach stürmte das Militär ein Ausbildungslager der Gang.

Soldaten mit Gewehr im Anschlag durchstreifen ein Feld (Foto: Alfredo Estrella/AFP/Getty Images)
Die Lage hat sich auch beruhigt, weil Militärschläge gegen Drogenkartelle heute eher die Ausnahme sindBild: ALFREDO ESTRELLA/AFP/Getty Images

Der vielleicht wichtigere Erfolg der neuen Strategie - zumindest für die mexikanische Bevölkerung - ist aber ein deutlicher Rückgang der Gewalt. Die Mordrate ist rückläufig, 2013 lag sie erstmals wieder unter dem Wert von 2010.

Drastisch zurückgegangen ist die Häufigkeit von Exekutionen zur Übermittlung der grausamen Narcomensajes. Im Schnitt ist sie von 52 Leichen auf acht Leichen pro Monat zurückgegangen.

Kein Ende in Sicht

"Niemand würde diese 'Deals' eingestehen, aber stillschweigend lässt die mexikanische Regierung die Kartelle wohl gewähren, so lange sie nicht zu offensichtlich und gewalttätig auftreten", mutmaßt Ted Galen Carpenter vom Washingtoner Think-Tank Cato-Institute. Ein Hinweis auf einen Machtverlust der Kartelle sei die rückläufige Mordrate jedoch nicht.

Um dem massiven Vorgehen der Calderón-Regierung zu entgehen, hatten die Gangs ihre Aktivitäten zunehmend ins mittelamerikanische Ausland verlagert. Zudem, erläutert der deutsche Politologe Maihold, seien die Strukturen der Kartelle sehr flexibel: "Sie funktionieren nicht streng hierarchisch, sondern bestehen aus relativ autonomen Unterorganisationen, die relativ schnell neue Auftraggeber finden, falls einer wegfällt." Ihre Strukturen nutzen sie zunehmend auch für andere einträgliche Delikte wie Entführung, Erpressung und Menschenhandel.

Metallleiter führt in einen dunklen Tunnel hinab (Foto: Reuters/Jorge Duenes)
Tunnel wie diesen zwischen den USA und Mexiko vermieten sich die Kartelle teilweise gegenseitigBild: Reuters/Jorge Duenes

Die beste Methode, um die Kartelle zu bekämpfen, meint Carpenter, sei, ihnen die Basis für ihre exorbitanten Gewinnmargen zu nehmen. Diese Aufgabe liege vor allem bei den US-Politikern: "Das Verbot von Drogen ist keine Lösung, sie bereitet illegalen Mächten den Boden, auch in den USA. Daher müssen wir eine ernsthafte Debatte führen, wie wir künftig mit der massiven Nachfrage unserer Bevölkerung auch nach harten Drogen umgehen wollen." Die fortschreitende Legalisierung von Marihuana in einigen Bundesstaaten könne erst der Anfang sein.

Der wichtigste Schritt, den Mexikos Präsident Peña Nieto in dieser Richtung unternommen habe, seien vielleicht seine Investitionen in die Infrastruktur. "Wenn junge Menschen attraktive Möglichkeiten haben, Geld zu verdienen, sinkt ihr Anreiz, sich einer Drogengang anzuschließen", argumentiert Carpenter. Dann würde man den Kartellen den Nachwuchs entziehen.