EU-Außenminister unter Druck
6. März 2015Die gute Meldung des Tages brachte am Ende ein Lächeln auf das Gesicht von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier: Die durch Gespräche in Berlin zustande gebrachte Einigung, dass die OSZE-Beobachter in der Ukraine von 500 auf 1000 aufgestockt werden, sei von allen Beteiligten beim Ministertreffen in Riga als konstruktiver Schritt gesehen worden. Steinmeier ist in dieser Runde Protagonist und Vorkämpfer der diplomatischen Kunst, in der Ukrainefrage dicke Bretter beharrlich zu bohren. Und ein kleiner Fortschritt wie dieser ist für ihn schon ein nennenswerter Erfolg.
Nicht nur die Zahl der Beobachter werde verdoppelt, sie sollen auch die technischen Möglichkeiten und die Experten erhalten, um Satellitenbilder aus der Kriegsregion auszuwerten. Das ist zur Zeit besonders wichtig, weil bei dem begonnenen Abzug der schweren Waffen festgestellt werden muss, ob sie weit genug vom Kampfgebiet weg transportiert und nicht etwa in der Nähe in neuen Lagern deponiert werden. Darüber hinaus hätte die russische Seite auch versprochen, ihren Einfluss auf die Rebellen geltend zu machen, damit sie den OSZE-Vertretern besseren Zugang zu den Kampfgebieten gewähren.
Das Lager der Realpolitiker
Steinmeier trat auch heute unter seinen europäischen Kollegen wieder als vehementer Verfechter des Minsker Abkommens auf. Zumal diese Vereinbarung alles sei, was zur Eindämmung des Konfliktes auf dem Tisch liege. Und solange Putin und Poroschenko an der Vereinbarung festhielten, solle sich die EU nicht davon trennen.
Dabei hat der Bundesaußenminister - der einer der erfahrensten im Kreis seiner Kollegen ist – keine Illusionen: Immer wieder warnte er auch in Riga vor zu viel Optimismus: Jederzeit könne die Lage wieder umkippen, es zu einem neuen Gewaltausbruch kommen. Und: Das Friedensabkommen sei noch lange nicht umgesetzt, der Gefangenenaustausch mache noch Probleme. Ganz zu schweigen von den nächsten Schritten, dem Zugang zu humanitärer Hilfe, Regionalwahlen und schließlich die Kontrolle der Außengrenze durch die Ukraine. All das muss durch zähe Verhandlungen Schritt für Schritt abgearbeitet werden.
Der deutsche wird vom französischen und beispielsweise dem spanischen Außenminister in seiner Politik unterstützt. In der Frage der Sanktionen gegen Russland aber wurde deutlich, dass die Fliehkräfte innerhalb der EU immer stärker werden. Im Juli steht die Verlängerung der geltenden Wirtschaftssanktionen an, sogar die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, von ihrem Amt zum Zweckoptimismus gezwungen, räumte ein, das "könne nicht leicht werden". Aber schon in Riga wurden die bestehenden Risse in der Fassade der Gemeinsamkeit deutlich.
Das Lager der Falken
Die härteste Position scheint dabei inzwischen Philipp Hammond aus Großbritannien zu vertreten: Er spricht noch vor der anstehenden Verlängerung schon von einer möglichen Verschärfung: Weitere Sanktionen würden bereits vorbereitet, erklärte er bei einer Pressekonferenz mit dem polnischen Außenminister, für den Fall dass es von "russischer Seite zu neuen Aggressionen" käme. Damit ist ein Angriff auf Mariupol gemeint, das gilt als rote Linie bei einem Bruch des vereinbarten Waffenstillstandes. Für den Fall erwägt London sowohl Waffenlieferungen für die Ukraine, und nach den Worten von Premierminister David Cameron, auch weitere wirtschaftliche Strafmaßnahmen, die den Zugang zum Finanzmarkt und seinen Diensten betreffen. Solche Sanktionen hätten wirklich schwerwiegende Auswirkungen für die russische Wirtschaft. Gestützt wird seine Haltung vor allem von den baltischen Staaten. Dort findet der litauische Vertreter die schärfsten Worte: "Die Einigkeit (der EU) im Nichtstun ist nichts für mich", man müsse mehr tun und er hoffe, es werde über weitere Sanktionen nachgedacht. Das stand im Prinzip in Riga nicht auf der Tagesordnung, zeigt aber wie die Meinungen bei den Außenministern auseinanderklaffen.
Die Freunde Russlands
Ungarn, Österreich und teilweise Italien plädieren seit längerem für eine weichere Position gegenüber Moskau. Auch Zypern zählt zu diesem Kreis. Am extremen Ende dieses Spektrums aber befindet sich der neue griechische Außenminister Nikos Kotzias. Er beklagte sich im Gespräch mit Journalisten darüber, dass man schon 14 Mal zur Ukraine getagt habe, so als ob es keine anderen Probleme in Europa gebe. Die Separatisten würden schließlich nicht die EU bedrohen. Er wolle gar nicht mehr über Sanktionen, sondern über Visionen reden. Und Griechenland sei daran interessiert, Russland in Europa zu integrieren - es ist klar, dass hier einer von einem anderen Notenblatt sang, als seine Kollegen. Und bei seinem Statement im Sitzungssaal soll er sogar ganz das Thema gewechselt haben und sich länglich über die Feierlichkeiten zum 9. Mai in Moskau und die griechische Absicht ausgelassen haben, daran teilzunehmen. Und schließlich lieferte Kotzias auch noch einen Beweis für das, was in einigen Medien schon als Paranoia der Regierung in Athen bezeichnet wurde. Er warnte davor, Griechenland aus der EU raus zu drängen. Dann würde Chaos ausbrechen, sich Millionen von Migranten auf den Weg machen und Tausende Dschihadisten aufstehen. Außenpolitik erscheint hier einmal als apokalyptische Vision. Hinter den verschlossenen Türen müssen die anderen wohl die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen haben, und mehr als ein Teilnehmer ließ durchblicken, dass man sich mit Kotzias im Sommer die voraussichtlich notwendige Verlängerung der Russland-Sanktionen nicht vorstellen kann. Es sei denn, die Regierung in Athen ließe sie sich durch teure Finanzzusagen abkaufen. Aber darüber mag derzeit noch niemand spekulieren, diese Brücke wird man - nach guter außenpolitischer Übung - überqueren, wenn man davor steht.