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EU/Bosnien: „Wir müssen den Staat funktionsfähig machen“

24. November 2005

Anlässlich einer Konferenz zum Thema „Zehn Jahre Dayton“ diskutierten internationale Experten die europäische Perspektive Bosniens. Ihre Meinung: Das Land braucht funktionierende Institutionen und weniger Bürokratie.

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Olli Rehn hält die bosnischen Strukturen für zu komplexBild: dpa

Das Daytoner Abkommen gilt heute noch als das grundlegende Dokument Bosnien-Herzegowinas. Viele Experten sind jedoch mittlerweile der Ansicht, dass das Abkommen die weitere Entwicklung des Landes blockiert. Auch EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn hält die in Dayton vereinbarten Strukturen Bosniens für reformbedürftig: „Die Verfassungsstruktur ist zu komplex und auf Dauer nicht finanzierbar. Diese Struktur macht große Probleme bei den Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU."

Kompetenz-Wirrwarr

Laut Daytoner Abkommen ist Bosnien in zwei so genannte Entitäten geteilt: die Bosnisch-Kroatische Föderation und die Republika Srpska. Die Föderation besteht wiederum aus einer Reihe von Kantonen. Insgesamt gibt es in Bosnien 13 Regierungen, 180 Minister, drei Präsidenten und über 700 Abgeordnete der verschiedenen Parlamente - viel zu viel für ein nicht gerade finanzkräftiges Land mit nur vier Millionen Einwohnern, so Rehn: „Zehn Jahre nach Dayton ist es Zeit, nicht nur das anzuerkennen, was man mit dem Abkommen erreicht hat, sondern auch zu schauen, wo die Grenzen des Abkommens sind. Es ist Zeit sich die Frage zu stellen, ob es Bosnien-Herzegowina den nötigen Verfassungs- und Verwaltungs-Rahmen gibt, den das Land braucht, um Fortschritte im EU-Integrationsprozess zu machen."

Übergang nach Europa

Die EU-Kommission hat nun beschlossen, mit Bosnien-Herzegowina Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zu beginnen. Diese Entscheidung bezeichnete der Hohe Repräsentant der UNO in Bosnien, Lord Paddy Ashdown, als "historisch". Ashdown sagte: „Die Aufgabe, die ich jetzt sehe, ist, den 'Dayton-Staat' zu einem 'Brüssel-Staat' zu transformieren. Die Devise lautet nicht mehr: 'Stabilisierung für den Frieden', sondern: 'Übergang nach Europa'. Bedeutet das eine Kurs-Änderung? Nein, überhaupt nicht! Das ist die letzte Phase derselben Reise, wobei wir auf dem bereits Erreichten aufbauen. Wir haben die Institutionen etabliert - und jetzt müssen wir sie funktionsfähig machen. Was ist die Devise für die nächste Phase? Funktionsfähigkeit! Und wir müssen die Institutionen und den Staat funktionsfähig machen!"

Den Staat funktionsfähig machen - dazu braucht es die Zusammenarbeit aller Bevölkerungsgruppen: Serben, Kroaten und Bosnier. Wie schwierig das ist, hat jüngst das zähe Ringen um eine Reform der Polizei gezeigt, die am Widerstand der Vertreter der Serben-Republik zu scheitern drohte. Erst auf internationalen Druck hin stimmten sie schließlich zu.

Perspektiven

Trotz dieser Streitereien hält die internationale Gemeinschaft an dem Kurs fest, die politische Verantwortung Schritt für Schritt abzugeben. Das Mandat des Hohen Repräsentanten Paddy Ashdown läuft Anfang 2006 aus - und er wird nicht ersetzt. Sein Appell: „Das Ziel des Übergangs zur 'europäischen Phase' muss sein, einen Staat zu schaffen, der seine Bürger und nicht die Politiker auf den ersten Platz stellt."

Um ein europäisches, funktionierendes Bosnien zu schaffen, so Ashdown, solle es statt bisher drei nur noch einen Präsidenten geben: „Wir werden kein neues Großbritannien oder Frankreich erschaffen sondern etwas Ähnliches wie Belgien oder die Schweiz, also einen dezentralisierten Staat. Aber das ist nicht mehr meine Rolle als Hoher Repräsentant, das zu machen. Ich bin sicher und tief überzeugt, dass das Land mit dem ich so lange verbunden war und in das ich mich verliebt habe, eines Tages Mitglied der EU wird. Und dann wird es ein kleines europäisches Schmuckstück sein!"

Bosnien ist an einem Wendepunkt angelangt: Zehn Jahre nach Kriegsende steht es an der Schwelle zu europäischen und euro-atlantischen Strukturen – so das Fazit der Konferenz.

Suada Herak

DW-RADIO/Bosnisch, 24.10.2005, Fokus Ost-Südost