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EU erwägt Abwehr von US-Überwachungs-Angriffen

Spencer Kimbal / ci5. Juli 2014

Die EU hat ihre Mitgliedsstaaten dazu gedrängt, ihre Abwehrkräfte gegen digitale Angriffe zu stärken. Doch nach den Snowden-Enthüllungen könnte diese Strategie auch zu Maßnahmen gegen US-Spionage werden.

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Graffiti von Spionen (Foto: EPA/NEIL MUNNS)
Bild: picture-alliance/dpa

Der Schutz der Grundrechte ist wichtig - und wenn es nach der Europäischen Union (EU) geht, sogar eine Schlüsselkomponente ihrer offiziellen Cyber-Sicherheitsstrategie. Die Mitgliedsstaaten und die Privatwirtschaft stärken unterdessen die Abwehr gegen digitale Angriffe. Das geht aus einem Dokument hervor, das noch aus der Zeit vor den Enthüllungen von Whistleblower Edward Snowden stammt. Es bezieht sich daher auch nicht auf potenzielle Gefahren für persönliche Daten der EU-Bürger durch die Geheimdienste verbündeter Nationen.

Inzwischen wurde bekannt, dass persönliche Daten von Millionen von Europäern ausgespäht worden sind - von den Vereinigten Staaten und Großbritannien, einem wichtigen Mitgliedsstaat der EU. Seit der Verabschiedung der Cyber-Sicherheitsstrategie im April 2013 haben einige EU-Beamte deshalb damit begonnen, die Überwachungen der US National Security Agency (NSA) explizit als Bedrohung zu betrachten. Die EU-Kommissarin für die digitale Agenda, Neelie Kroes, begrüßte, dass Initiativen in den Vereinigten Staaten, sich wieder mit den NSA-Überwachungsmaßnahmen beschäftigten.

"Aber wir müssen auch uns selbst die richtigen Fragen stellen", sagte Kroes in einer Rede auf einem Cyber-Sicherheitsgipfel im vergangenen Februar. "Nicht die Frage, warum die USA die Telefone von so vielen Menschen ausspionieren wollten, sondern die Frage: Wie haben sie es geschafft, dabei so erfolgreich zu sein? Und warum sind wir so unvorbereitet und schutzlos gegen solche Bedrohungen? "

Eine der größten Herausforderungen aus EU-Sicht ist, dass die Infrastruktur des Cyberspace weitgehend in privater Hand liegt. Viele dieser Unternehmen säßen zudem in Amerika, sagt der Cyber-Sicherheitsexperte Neil Robinson. Das führe dazu, dass Politiker in Brüssel nicht immer personenbezogene Daten von EU-Bürgern schützen können.

Netzwerkkabel vor einem Monitor mit NSA-Logo (Foto: imago/Eibner)
Die NSA steht wegen massiver Ausspähungen in der KritikBild: imago/Eibner

Die politischen Entscheidungsträger müssten deshalb mögliche Auswirkungen eines eigenen europäischen Internets untersuchen, sagte Robinson der DW: "Meiner Meinung nach wäre das sehr sinnvoll."

Gefahr auch durch europäischen Geheimdienst

Während die EU-Beamten der NSA bereits große Vorwürfe wegen ihrer Überwachungsmaßnahmen gemacht haben, gaben sie vergleichsweise wenig Kommentare zum Herumschnüffeln des britischen Geheimdienstes GCHQ ab. Dabei ist London nicht nur ein NATO-Verbündeter, sondern auch an die Europäische Menschenrechtskonvention gebunden.

Schwierig ist in diesem Zusammenhang, dass es unter dem Subsidiaritätsprinzip der EU den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen ist, so viele Entscheidungen wie möglich allein zu treffen. Nach dem Vertrag von Lissabon von 2009 hat jedes Mitglied beispielsweise staatliche Souveränität über ihre eigene nationale Sicherheit, sagt der Europäische Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx. Er setzt sich dafür ein, dass die EU-Institutionen das Recht der Bürger auf Privatsphäre besser schützen.

Aufgrund der Bedeutung der nationalen Souveränität, kontrolliert die EU die Entscheidungen der Briten in Bezug auf ihre nationale Sicherheit nicht. Zudem fehlt der EU-Politik der Wille, London mit Nachdruck mit den politischen Entscheidungen zu konfrontieren, die bereits umgesetzt werden. Insbesondere angesichts des drohenden EU-Austritts des Vereinigten Königreichs nach einer Volksabstimmung 2017.

"Es passierte in der Vergangenheit immer wieder, dass Großbritannien gegen die Menschenrechtskonvention verstieß, weil rechtliche Absicherungen fehlten", sagte Hustinx der DW.

Der Hauptsitz des britischen Geheimdienstes GCHQ (Foto: Reuters/Handout)
Der Hauptsitz des britischen Geheimdienstes GCHQBild: Reuters

Im Januar forderte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Großbritannien deshalb auf, die Überwachungsmaßnahmen des britischen Geheimdienstes zu rechtfertigen, und zu erklären, ob ihre Geheimdienste das Recht auf Privatsphäre nach Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt hatten.

EU-Geheimdienste erweitern ihre Fähigkeiten

Aber nicht nur die Vereinigten Staaten und Großbritannien sind in der Lage eine großangelegte Überwachung durchzuführen. Laut eines Berichts des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", steht der deutsche Geheimdienst Bundesnachrichtendienst (BND) in enger Zusammenarbeit mit der NSA . Berlin versuchte angeblich sogar, seine eigenen Datenschutzgesetze zu lockern, um dem BND mehr Spielraum für Überwachungsaktionen zu geben.

Die Debatte um Whistleblower Edward Snowden löste viele weitere Reaktionen aus. "Es gibt Fähigkeiten, die viele Mitgliedstaaten der EU haben, nicht nur die USA", sagte Robinson und verwies auf die Niederlande und Frankreich als Beispiele für weitere EU-Länder, die an der Erweiterung ihrer Aufklärungsfähigkeiten interessiert sind.

Allerdings könnte es auch Fallstricke in der Cyber-Sicherheitsstrategie der EU geben. Einige Mitgliedstaaten wollen die Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor fördern, um Cyber-Angriffen zu begegnen, die die nationale Sicherheit bedrohen. Diese Zusammenarbeit, die unter die Gemeinsame Sicherheits-und Verteidigungspolitik (GSVP) fällt, würde wahrscheinlich auch den Austausch von Informationen enthalten. Dies stellt ein Problem dar, da solch ein Informationsaustausch zwischen Regierungen und privaten Unternehmen wieder zum Aushorchen von Bürgern führen könnte.

"Das ist ein Paradox", sagt Robinson. Denn das Konzept, das im Rahmen der GSVP aufgebaut werden müsste, enthalte "genau die Möglichkeiten, die weitere große Fragen über digitale Überwachung durch den Staat aufwerfen könnten, wenn sie nicht gründlich geprüft werden."