Schäuble geht: Attacken auf den Stabi-Pakt
10. Oktober 2017Kaum ist klar, dass der auf strikte Stabilität in der Euro-Zone pochende Wolfgang Schäuble geht, nehmen die Diskussionen um eine Lockerung des Stabilitätspaktes Fahrt auf. Diese These war auf den Fluren des Konferenz-Zentrums in Luxemburg mehrfach von Diplomaten und Beobachtern beim Finanzministerrat der EU zu hören. Der deutsche Finanzminister wechselt nach acht Jahren seinen Posten. Geht die Haushaltsdisziplin bei den EU-Staaten jetzt flöten? "Nein", widerspricht der österreichische Finanzminister Hans-Jörg Schelling. Dass das Thema gerade an diesem Tag, Schäubles letztem europäischen Arbeitstag, besprochen wurde, sei Zufall, so Schelling. Auch er tritt gegen eine Flexibilisierung der Verschuldungsgrenzen ein. "Es darf keine situativen Entscheidungen geben, sondern es gibt Regeln, die für alle gelten und an die man sich halten muss", sagte Österreichs Finanzminister. Bislang liegt die Obergrenze für neue Schulden bei drei Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung.
Der französische Finanzminister Bruno Le Maire sieht das anders. Wie andere südliche Euro-Staaten tritt Le Maire dafür ein, Schulden flexibler zu genehmigen. "Wir wollen keinen Automatismus im Stabilitätspakt, sondern eine politische Steuerung. Alles andere wäre gefährlich", sagt Le Maire. Dass er sich damit gegen die bisherige deutsche Position stellt, ist dem Franzosen natürlich klar. "Es gibt Differenzen mit Deutschland, aber das ist nicht ungewöhnlich. Am Ende wird man einen Kompromiss finden", sagt er und lächelt. Bruno Le Maire, der erst seit wenigen Monaten im Amt ist, will am Ende des Jahres neuer Vorsitzender der Euro-Gruppe werden. Der Amtsinhaber, Jereon Dijsselbloem, verliert seinen Posten als niederländischer Finanzminister und scheidet aus. Le Maire ist der erste Minister, der seine Kandidatur öffentlich gemacht hat. Kleinere Länder wie Österreich sehen das durchaus skeptisch, meint dazu der Finanzminister der Alpenrepublik Hans-Jörg Schelling.
Schäuble: Mein Bestes gegeben
Besonders stößt sich Schelling daran, dass der Franzose das Sparen aufgeben und einen europäischen Finanzminister installieren will, der über ein eigenes Budget verfügt und gleichzeitig die Euro-Gruppe steuert. Diesen Plan hatten der französische Präsident Emmanuel Macron und der Chef der EU-Kommission Jean Claude Juncker vorgelegt. Der scheidende Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sah einen europäischen Finanzminister durchaus kritisch. Das sei eine leere Hülle, deren Aufgaben man erst einmal sauber definieren müsse, pflegte Schäuble zu sagen. Nun wartet man in Brüssel gespannt darauf, wie sich der neue Bundesfinanzminister oder die neue Ministerin in dieser Frage positionieren werde. Klar ist nur, dass der neue Eurogruppen-Chef Anfang Dezember gewählt werden soll. Bis dahin sollte ein neuer Finanzminister in Berlin im Amt sein. In einer persönlichen Bilanz seiner acht Jahre im Finanzministerrat sagte Wolfgang Schäuble:"Ich habe mein Bestes gegeben." Heute könne er sagen, eine Finanzkrise wie noch vor acht Jahren sei sehr viel unwahrscheinlicher geworden. Das sei die gemeinsame Leistung. "Im übrigen sollte man aus dem Ausscheiden eines Ministers nicht so viel machen." Das sei im Ministerrat eher die Regel als die Ausnahme.
Für Finanzminister bleibt Katalonien spanisch
Die Finanzminister der EU rieten der katalanischen Führung davon ab, tatsächlich einseitig die Unabhängigkeit von Spanien zu erklären. "Wir wünschen Katalonien das Allerbeste, aber wir glauben, die Lösung ist innerhalb der spanischen Verfassung", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. "Ich hoffe, dass sich das nicht zu einer europäischen Krise entwickelt und auf den Euro überspringt", mahnte der Finanzminister Österreich, Hans-Jörg Schelling. Der spanische Minister Luis de Guidos, nannte das Vorgehen der katalanischen Regierung "unverantwortlich und irrational". Alle übrigen 27 Staaten der EU, so de Guindos, stützten die spanische Haltung. Auch bei einer einseitigen Erklärung durch den katalanischen Präsidenten würde sich für die EU zunächst nichts ändern, machten EU-Diplomaten in Luxemburg schon vor der Rede Carles Puigdemont am Dienstagabend deutlich. Da kein Staat der EU Katalonien anerkennen würde, würde keinen Grenzen, Zölle oder Personenkontrollen geben. Der Euro würde die Währung in Katalonien bleiben, weil es weiter zu Spanien gehöre. "Das wird einfach ignoriert", so die Diplomaten.
Faule Kredite drücken die Stimmung
Sorgen machen den Finanzministern der Europäischen Union nach wie vor die faulen Kredite, die nach der Finanzkrise in den Bilanzen der Geschäftsbanken stehen. Rund 1000 Milliarden Euro an Krediten werden europaweit nicht bedient. Ein Drittel dieser sogenannten "non performing loans" liegt bei italienischen Banken. Dort sind die Risiken besonders groß. Der italienische Finanzminister Pier Carlo Padoan räumte ein: "Wir müssen beim Abbau der Risiken schneller werden." Der österreichische Finanzminister Hans-Jörg Schelling warnte, die Banken-Union könne nur weiter ausgebaut werden, wenn die faulen Kredite zuvor abgebaut werden. "Ansonsten kann ich einer Einlagensicherung nicht zustimmen." Die Einlagensicherung soll dazu dienen, dass europäische Banken sich im Falle einer Pleite grenzüberschreitend unterstützen können und müssen. Die Einlagensicherung hatte auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble immer kritisch gesehen. "Die faulen Kredite abzubauen ist nicht einfach", sagte Schäuble während seiner letzten Pressekonferenz in Luxemburg. "Deshalb sollte man besonders kritisch dabei sein, schon wieder neue Risiken aufzubauen." Das sollte, so Schäuble, die Lehre aus den Krisen der letzten Jahren sein. Deutschland setzt sich dafür ein, den bisherigen Rettungsfonds "ESM" zu einem Europäischen Währungsfonds auszubauen. Der sollte nach einem Positionspapier, das am Montag diskutiert wurde, nicht nur Krisenfeuerwehr sein, sondern auch vorbeugend bei der Überwachung der Finanzpolitik der EU-Staaten tätig werden.
19 Staaten für digitale Übergangssteuer
Kleine Fortschritte machten die Finanzminister bei der künftigen Besteuerung von sogenannten digitalen Unternehmen, die sich vor allem auf das Internet stützen und dort wie Google, ebay oder Uber Dienstleistungen anbieten. Diese Konzerne zahlen in Europa zurzeit durch die geschickte Ausnutzung von Steuergesetzen und Steueroasen kaum Abgaben auf ihre Gewinne. 19 EU-Staaten treten inzwischen dafür ein, diese Unternehmen mit einer befristeten "Ausgleichssteuer" zu belegen. Mindestens zwei Staaten, nämlich Irland und Luxemburg, die viele der Unternehmen beheimaten, sind strikt dagegen. Am Ende der Beratungen soll nach drei Jahren eine "Digitalsteuer" stehen, die dort auf Umsätze erhoben wird, so diese anfallen. Damit wäre es egal, wo das Unternehmen tatsächlich seinen physischen Sitz hat. Bislang war diese "Betriebsstätte" auch der Ort für die Steuerpflicht. "In Österreich gibt es das Prinzip der steuerlichen Betriebsstätte seit 1899", sagte Finanzminister Hans-Jörg Schelling. "Das ist überholt. Das muss geändert werden in eine digitale Betriebsstätte." Konkrete Vorschläge für die Digitalsteuer sollen im Dezember vorgelegt werden. Es sei, da sind sich alle EU-Minister einig, eine internationale Regelung nötig, die die Steuervermeidung weltweit unterbindet. Beim Gipfel der wichtigsten Industriestaaten sollen im kommenden Jahr dazu Entscheidungen fallen.
Wein für Schäuble
Für den scheidenden Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gab es neben viel Lob von einigen Kollegen nach der Sitzung noch einen Umtrunk. Schäuble bekam eine blaue Europaflagge mit persönlichen Widmungen überreicht. Der österreichische Finanzminister schenkte dem Weinliebhaber Schäuble einige Flaschen grünen Veltliners aus seinem privaten Weinkeller. "Der grüne Veltliner gibt ihm Kraft für neue Aufgaben". Das habe Schäuble ihm versichert, sagte Österreichs Finanzminister Schelling. Wolfgang Schäuble wird Ende Oktober voraussichtlich zum neuen Präsidenten des deutschen Parlaments gewählt. "Zuvor sehen wir uns aber alle noch einmal in Washington bei der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds in Washington wieder", sagte Euro-Gruppenchef Jeroen Dijisselbloem. Ein Abschied auf Raten.