EU-Gipfel ringt um Klimaziele
23. Oktober 2014Europa will wieder Vorreiter beim Klimaschutz werden, das ist das politische Ziel dieses Gipfeltreffens. Also sollen 40 Prozent der CO2-Emissionen bis 2030 eingespart werden und der Energieverbrauch um etwa ein Drittel sinken, gleichzeitig der Anteil erneuerbarer Energien für die gesamte EU auf 27 Prozent steigen. Am Ende will die europäische Union beim UN-Klimagipfel im nächsten Jahr in Paris als Musterschüler auftreten und mit einer Stimme sprechen. Die notwendigen Entscheidungen sollen die Staats- und Regierungschefs hier in Brüssel treffen - ob es dazu kommt, ist allerdings noch offen. Manche Teilnehmer sind da optimistischer als andere: "Wir schreiben heute Geschichte," freute sich der Luxemburger Xavier Bettel schon vor Beginn.
Während Bundeskanzlerin Angela Merkel noch ein paar Probleme erwartet : "Die Klimaziele sind eine gewaltige Kraftanstrengung, deshalb werden die Beratungen auch nicht einfach, denn wir müssen auch auf unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit achten." Während nordische Länder und Deutschland sogar noch mehr für den Klimaschutz tun wollen, blockierte eine Gruppe von Osteuropäern unter Führung von Polen bislang die Einigung. Warschau will Milliardenausgleichsleistungen, denn veraltete Kraftwerke und die Stromerzeugung aus Kohle machten es dem Land unmöglich, so schnell die Klimaziele und den Umbau der eigenen Energiewirtschaft zu schaffen.
Aber nicht nur Polen, Tschechen und andere kommen mit einer Einkaufsliste von Sonderwünschen. Irland will seine Landwirtschaft mehr berücksichtigt sehen, Großbritannien überhaupt nur den CO2-Abbau bindend festlegen, Frankreich eine Ausnahme wegen seines Atomstroms.
Ebola-Hilfen endlich koordinieren
Der britische Premier David Cameron hat schon vor diesem Treffen angekündigt, zu welchen Themen er darüber hinaus noch Streit vom Zaun brechen will: Die EU solle gefälligst sparen, und nicht wie für das laufende und das kommende Haushaltsjahr weitere Milliardenforderungen stellen.
Außerdem will der Brite am Rande Gespräche über Beschränkungen für die Zuwanderung aus der EU führen – dabei hatten ihm der scheidende und der neue Kommissionschef in den letzten Tagen klar gesagt, dass an der Freizügigkeit für die Bürger innerhalb Europas nicht zu rütteln sei. Was Cameron in seinem Anti-Kurs nur weiter bestätigt. Geld ausgeben will er allerdings für mehr Ebola-Hilfe: Eine Milliarde Euro sollten die Europäer zur Unterstützung der Krisenländer locker machen, fordert Cameron. "Es ist wichtig, dass wir vor Ort handeln, Großbritannien geht da voran mit seinem Einsatz in Sierra Leone, aber die anderen Länder müssen mehr tun."
Forschung an Impfstoffen
Gerade hat die Kommission weitere knapp 25 Millionen Euro für die Forschung an Impfstoffen bewilligt. Mehrere Pharmaunternehmen und Institute konkurrieren derzeit um die ersten Ergebnisse ihrer klinischen Versuche. Insgesamt haben die Europäer schon rund 600 Millionen Euro zugesagt – viele Hilfsorganisationen allerdings sagen, sie bräuchten nicht mehr Geld, sondern mehr Helfer. Die Staats- und Regierungschefs könnten darüber hinaus den vereinbarten Ebola-Koordinator benennen, der die nationalen Hilfsaktionen besser verzahnen soll. "Es ist ein Wettlauf gegen die Uhr," sagte der scheidende Kommissionschef José Manuel Barroso. Nicht nur für ihn ist es das letzte Gipfeltreffen, auch Ratspräsident Herman van Rompuy verlässt die Runde, sein Nachfolger ist der polnische Ex-Premier Donald Tusk.
Beim traditionellen Abendessen der Regierungschefs werden dann die außenpolitischen Themen angesprochen: Der bislang mäßig erfolgreiche Kampf gegen die islamistische Terrorgruppe IS und die Lage in der Ukraine, die besonders die Nachbarländer Russlands nach wie vor beängstigt. "Die Situation ist weiter beunruhigend," sagt der finnische Regierungschef Alexander Stubb.
Sparen oder ausgeben
Und im Hintergrund lauert bereits der Grundkonflikt in der Haushaltspolitik, der im wesentlichen morgen ausgetragen werden soll: Sparen oder ausgeben, das ist hier die Frage. Frankreich verfehlt die 3-Prozent-Grenze für die Neuverschuldung mehr als deutlich, Präsident Francois Hollande meint daher: "Unser Ziel ist das gemeinschaftliche Wachstum, nichts wird uns davon abhalten, das gilt auch für die Auslegung unseres eigenen Haushaltes. Dabei sollen die Regeln respektiert werden, mit einem Maximum an Flexibilität. Es geht um Wachstum, weil das Beschäftigung bedeutet, Wachstum ist die Zukunft Europas."
Angela Merkel sieht das weniger pathetisch: "Ich glaube, es kommt darauf an, dass wir beides zusammen bringen, Wachstum und Haushaltskonsolidierung. Wir hatten Zeiten, da waren die Defizite sehr hoch, und es gab trotzdem kein Wachstum, deshalb müssen wir aus der Vergangenheit lernen. Deshalb hoffe ich, dass wir gemeinsame Lösungen finden."
Einmal mehr suchen die europäischen Regierungschefs in Brüssel nach der Quadratur des Kreises.