Zwischen Ukraine, Griechenland und Terrorismus
12. Februar 2015Der ukrainische Regierungschef Petro Poroschenko eilte ernsten Gesichtes und ohne ein Wort für die wartende Presse in den Brüsseler Sitzungssaal. Er ist am Donnerstag Gast beim Treffen der EU-Regierungschefs, um sie über die Lage in seinem Land zu informieren. Den Kommentar lieferte dann Angela Merkel nach, der nach den Strapazen der vergangenen Tage weitere stundenlange Gespräche mit ihren europäischen Kollegen in Brüssel bevorstehen. "Es ist ein Hoffnungsschimmer, nicht mehr und nicht weniger. Den müssen wir jetzt versuchen zu nutzen", sagte die Bundeskanzlerin nach ihrem Eintreffen vom Minsker Verhandlungsmarathon. Nun müssten den Worten aber auch Taten folgen.
Auch ihr französischer Mitstreiter Francois Hollande verbreitet als Teilnehmer der langen Nacht von Minsk nur gedämpften Optimismus: "Wir sind an einem entscheidenden Punkt, wir müssen wachsam bleiben und den Druck aufrecht erhalten." Es gebe keine Garantie für einen dauerhaften Erfolg des Abkommens, alles könne sich noch in jede Richtung entwickeln, die nächsten Stunden könnten entscheidend sein, erklärte der französische Präsident. Auch der EU-Ratsvorsitzende Donald Tusk ist - allein schon wegen seiner polnischen Herkunft - vorsichtig was die Chancen der zweiten Minsker Vereinbarung angeht: "Sie gibt uns Hoffnung, aber Hoffnung ist nicht genug." Jetzt gehe es um die reale Umsetzung des Waffenstillstandes vor Ort. Zunächst solle deshalb auch die bereits beschlossene Erweiterung der Sanktionen gegen Russland ausgesetzt bleiben. Aber: "Wir müssen weiter aufmerksam bleiben", fügte Tusk hinzu, der heute ein Gipfeltreffen führen muss, dass gleich mehrere der größten Herausforderungen für Europa behandelt: Den Krieg in der Ukraine, von der eine Bedrohung für die Sicherheit der europäischen Union ausgeht. Darüber hinaus soll ein Arbeitsplan für einen schlagkräftigeren Kampf gegen den Terrorismus verabschiedet werden, der durch die Attentate von Paris ausgelöst wurde. Und schließlich gehe es noch um die finanzielle Stabilität der Eurozone, die durch die neue Regierung in Athen zum Streitthema wurde.
Griechenlands Regierungschef verströmt Zuversicht
Man werde hören, was der Vorsitzende der Eurogruppe zum fehlgeschlagenen Treffen am Mittwoch zu berichten habe, so der Ratsvorsitzende. Und EU-Kommissionpräsident Jean Claude Juncker äußerte sich sehr besorgt, über den Fehlstart der Gespräche: "Es geht hier nicht um die neue griechische Regierung, auch nicht um die alte. Es geht um das griechische Volk."
Der damit indirekt angesprochene griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras zeigt sich bei seiner Ankunft von all dem unberührt und verströmt Optimismus: "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir alle zusammen eine gemeinsam Lösung finden, um die Wunden der Sparpolitik zu heilen." Woher er jedoch diese Zuversicht nimmt ist unklar. Denn nach der ergebnislosen Eurogruppensitzung von Mittwochnacht steht das Spiel in der ersten Runde 17:01 gegen Griechenland. Viele der beteiligten Finanzminister verließen das Treffen frustriert und verärgert.
Merkel erwägt Kompromisse mit Griechenland
Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ der Regierung in Athen zunächst die Türen offen: Man werde über das griechische Problem am Rande sprechen, "Europa ist immer darauf ausgerichtet, Kompromisse zu schließen. Aber einen Kompromiss schließt man, wenn die Vorteile die Nachteile überwiegen." Das kann man als ausgestreckte Hand oder als Mahnung verstehen, je nach Neigung. Gleichzeitig aber müsse die EU glaubwürdig bleiben, fügte die Bundeskanzlerin hinzu, und dazu gehöre, dass Regeln eingehalten werden. Zunächst aber freue sie sich auf ihr erstes Treffen mit dem neuen griechischen Regierungschef Alexis Tsipras - nach den Marathonverhandlungen mit Wladimir Putin mag ihr das als kleinere diplomatische Hürde erscheinen. Außerdem wird es in Brüssel am Donnerstag keine Antwort auf die griechischen Forderungen geben. Damit beschäftigen sich am kommenden Montag noch einmal die Finanzminister, fügt die Bundeskanzlerin hinzu - bis dahin seien ja noch ein paar Tage Zeit. Sie und andere wollen bei diesem Gipfeltreffen keinen Eklat mit Griechenland, vor allem die Ukraine steht höher auf der Tagesordnung.
Der Ukraine droht der Staatsbankrott
Die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds (IWF) bereiten sich unterdessen darauf vor, die Ukraine weiter zu unterstützen. IWF-Chefin Christine Lagarde verkündete am Donnerstag ihre Beteiligung an der finanziellen Rettung des Landes mit rund 17 Milliarden US-Dollar. Insgesamt sollen 40 Milliarden aufgebracht werden, der Rest des Geldes solle aus europäischen Mitteln und von einzelnen Unterstützerländern kommen. Nach einem Jahr mit politischen Umbrüchen und dem Krieg in der Ostukraine droht dem Land der Staatsbankrott. Allerdings habe die Regierung "eine solche Bereitschaft zu Reformen gezeigt, wie wir sie nie zuvor gesehen habe", lobte Lagarde. Dabei geht es vor allem um umfassende Reformen im Energie- und Finanzsektor, sowie im Kampf gegen die Korruption. Diese Chance für den Wiederaufbau des Landes hängt aber zunächst von der einen wesentlichen Frage ab: Hält der zweite Waffenstillstand von Minsk oder wird auch diese Hoffnung wieder enttäuscht.