EU-Innenminister: Herzlich, gemeinschaftlich, aber uneinig
12. Juli 2018Nach ihrem Dreier-Treffen in Innsbruck präsentierten sich der italienische Rechtsradikale, der österreichische Rechtspopulist und der deutsche Konservative wie ein Herz und eine Seele. Lachend hielten sich alle drei Innenminister an den Händen und beschworen die neue Qualität der Zusammenarbeit in Migrationsfragen. Der italienische Innenminister Matteo Salvini (LEGA) sprach von einer beginnenden Freundschaft. Herbert Kickl (FPÖ), Ressortchef in Österreich und EU-Ratspräsident, freute sich über einen Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik hin zu mehr Abschottung. "Ich glaube, wir sind alle drei übereingekommen, dass wir in einem Bereich, wo viel zu lange eine gewisse Unordnung geherrscht hat, wieder Ordnung machen wollen", sagte Kickl.
Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) war nicht ganz so euphorisch, sprach aber auch von sehr guten Gesprächen mit den beiden rechtspopulistischen Kollegen, die als Hardliner in der Migrationspolitik gelten. "Ich bin sehr froh, dass nicht nur innerhalb der EU jetzt eine sichtbare Bewegung entstanden ist, sondern dass die drei Länder, Deutschland, Italien, Österreich sehr, sehr eng zusammenarbeiten, um diese zentrale Frage unserer Zeit in eine gute Zukunft zu führen", sagte Seehofer in Innsbruck, wo die 28 EU-Innenminister zu informellen Gesprächen zusammenkamen.
Am Ende waren sich alle Innenminister nur darin einig, dass der Schutz der Außengrenzen verbessert werden soll und "Ausschiffungszentren" für Schiffbrüchige aus dem Mittelmeer in Nordafrika entstehen sollen. Horst Seehofer war mit dem gemeinschaftlichen Geist des Treffens zufrieden. EU-Ratspräsident Herbert Kickl räumte aber ein, dass es bei der Reform des Asylsystems und der "Dublin-Regeln", also der Zuständigkeit der Staaten für Asylsuchende, keine Fortschritte gegeben habe. Der deutsche Innenminister sagte der DW, er wolle am heutigen System festhalten, wonach das Land der ersten Einreise für den Asylsuchenden zuständig sei. Allerdings, so Seehofer, müsse das Dublin-System effizienter werden, in dem die heute schon geltenden Bestimmungen etwa zur Rückführung von abgelehnten Asylsuchenden auch konsequent umgesetzt würden. Italien und Griechenland hingegen wollen als Länder mit den meisten Erst-Einreisen die Dublin-Regeln abschaffen.
Österreich will weniger einreisen lassen
Der österreichische Innenminister Kickl wiederholte seinen Vorschlag, Asylsuchende möglichst von der EU fernzuhalten. "Wir wollen eine klare Botschaft in die Welt senden, vor allem auch an die Schlepperbanden, dass es in Zukunft nicht mehr möglich sein soll, europäischen Boden zu betreten, wenn man kein Recht auf Schutz hat", sagte Kickl. Die EU hatte sich beim letzten Gipfeltreffen darauf verständigt, künftig sogenannte "Ausschiffungszentren" in Nordafrika oder "Asylzentren" in europäischen Hafenstädten einzurichten, in denen über die Schutzbedürftigkeit von Asylsuchenden entschieden werden soll, ohne dass diese Menschen rechtlich gesehen in die EU einreisen.
Der italienische Minister Salvini sieht sich in seiner Politik der Zurückweisung von Schiffen mit Schiffbrüchigen an Bord voll bestätigt. "Ich bin sehr zufrieden, weil die italienischen Vorschläge jetzt zu europäischen Vorschlägen geworden sind: Reduzierung der Abreisen, der Überfahrten, der Toten und damit auch der Probleme."
EU-Kommissar sieht kein Land, das Lager haben will
Der für Migration zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulus mahnte den italienischen Ressortchef aber, sich an die Genfer Flüchtlingskonvention und die Werte der EU zu halten. Die Aufnahme von Schiffbrüchigen könne man nicht einfach beenden. "Die Einfahrt zu verweigern kann man einfach ankündigen, aber wer übernimmt dann die Verantwortung, wenn es wirklich Tote gibt?", fragte Avramopoulos. Der EU-Kommissar wies noch einmal darauf hin, dass sich die EU-Mitgliedsstaaten vor allem auf neue "Dublin-Regeln" einigen müssten. Bislang ist das Land der ersten Einreise für die Asylsuchenden zuständig, was Italien und Griechenland ablehnen. Die Mehrheit der Staaten, die keine unter Druck stehende EU-Außengrenze haben, zum Beispiel Deutschland, wollen diese Regel aber beibehalten.
Dahinter steht die Frage, welches Land am Ende bereit ist, Asylsuchende, die in europäischen oder nordafrikanischen Asylzentren ausgewählt werden, auch wirklich aufzunehmen. Ein Quotensystem lehnen die meisten Staaten ab, sie setzen auf Freiwilligkeit. Für EU-Kommissar Avramopoulos sind die Zentren außerhalb der EU deshalb nicht mehr als Ideen, die bereits seit Jahren diskutiert werden. "Kennt irgendjemand ein Land, das bereit wäre, so ein Lager aufzunehmen? Es gibt keines. Das ganze ist im Moment nur eine Idee, die man diskutieren und respektieren muss."
Salvini will vorerst keine Asylsuchenden zurücknehmen
Auch wenn sich die drei Innenminister Italiens, Österreichs und Deutschland jetzt selbst zur "Koalition der Tätigen" erklärt haben, blieb ein Anliegen des deutschen Ministers Horst Seehofers ungelöst. Weder Österreich noch Italien sind bereit, an der deutschen Grenze unmittelbar zurückgewiesene Asylbewerber zurückzunehmen. Er sei ganz zuversichtlich, dass es eine Lösung geben könne, sagte Horst Seehofer nach dem ersten trilateralen Treffen in Innsbruck, aber "das ist noch ein Stück Herkulesarbeit" mit schwierigen Verhandlungen. Die drei Minister vereinbarten, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die sich nächste Woche in Wien treffen soll. Bis Anfang August solle es möglich sein, zu beurteilen, ob an ein Abkommen zustande komme, meinte Seehofer vage. Falls nicht, müsse er alleine handeln, deutete der streitbare CSU-Politiker an: "Je weniger gemeinsam europäisch gelingt, desto wichtiger werden nationale Maßnahmen."
Der italienische Innenminister Matteo Salvini will über Rücknahmen aus Deutschland erst nachdenken, wenn die Außengrenzen der EU wirklich dicht sind und kein Migrant mehr nach Italien kommt. "Wir haben über die großen Probleme geredet. Wenn wir die Reduzierung der Überfahrten, der Toten, und der Ankünfte nicht erreichen, dann können wir auch die Probleme an den internen Grenzen der EU nicht lösen. Darum müssen die Völker jetzt besonnen am stärkeren Schutz der Außengrenzen arbeiten, so wie wir das vorhaben", sagte Salvini nach seinen Gesprächen mit Horst Seehofer. Bis die großen Probleme gelöst sind, wird allerdings mehr Zeit vergehen als bis zum August. An einer Reform der "Dublin-Regeln" etwa arbeitet die EU seit fast drei Jahren.
Der EU-Kommissar für Migration, Dimitris Avramopoulos, wies darauf hin, dass die Zahl der ankommenden Migranten in Italien und Griechenland relativ gering sei. "Von einer Flüchtlingskrise kann man derzeit überhaupt nicht sprechen." Schlangen an den Grenzen gebe es keine. Avramopoulos trat damit dem Eindruck entgegen, der von den rechtspopulistischen Politkern in der EU und auch vom Innenminister Österreichs vermittelt wird.