Europäische Energieunion
25. Februar 2015Maros Sefcovic nennt sich offiziell EU-Kommissar für die Energieunion. Und mit Miguel Arías Canete gibt es sogar noch einen weiteren Kommissar, der für die gemeinsame Energiepolitik zuständig ist. Das Dumme ist nur, diese Energieunion gibt es noch gar nicht. Die EU hat den Binnenmarkt. Aber auf dem Energiesektor herrscht nach wie vor europäische Kleinstaaterei. Jedes EU-Mitgliedsland macht weitgehend seine eigene Energiepolitik.
Wegen unterschiedlicher Schwerpunkte - Frankreich setzt traditionell auf Atomstrom, Deutschland fördert seit einigen Jahren besonders die erneuerbaren Energien - ist der europäische Energiemarkt heute vielleicht sogar noch zersplitterter als früher. Vor allem die Netze sind national ausgerichtet. Und wo Energie aus dem Ausland bezogen wird, tritt meist jedes Land einzeln als Einkäufer auf. Das alles macht die Energieversorgung teuer und wenig wirtschaftlich. Laut Canete "verliert Europa jährlich bis zu 40 Milliarden Euro, weil es keinen verflochtenen Energiemarkt hat". Das wären pro Kopf und Jahr für jeden Europäer 80 Euro.
Den russischen Einfluss verringern
Aber die Zersplitterung bedeutet nicht nur Verschwendung, sondern auch Abhängigkeit. Das merken einzelne EU-Staaten vor allem, wenn es mit den Lieferanten Probleme gibt, zum Beispiel mit Russland. Russland ist der mit Abstand wichtigste Gaslieferant der EU, es deckt etwa ein Drittel des Bedarfs. Aber einige Gasimporteure wie Bulgarien oder die baltischen Länder sind fast vollständig von russischem Gas abhängig.
Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat das Problem noch weiter verschärft. Die Ukraine leitet etwa die Hälfte des für die EU bestimmten Gases durch seine Röhren weiter. Bereits vor der Annexion der Krim durch Russland und den jüngsten Kämpfen in der Ost-Ukraine gab es Streit zwischen Moskau und Kiew um Preise, Durchleitungsgebühren und Schulden. Das hatte immer wieder zu Blockaden und Engpässen beim Gas auch für die EU geführt. Inzwischen ist beim Umgang mit Russland Gas endgültig zu einer strategischen Frage geworden. Das alles sind Gründe, dass sich die EU-Staaten in der Energiepolitik enger zusammenschließen.
Stromtrassen quer durch Europa
Wie groß die Aufgabe ist, hat Sefcovic kürzlich so beschrieben: "Wir müssen im Strommarkt praktisch noch einmal von vorne anfangen und den Markt neu aufbauen." Nach dem jetzt vorgestellten Papier soll Energie für Bürger und Unternehmen "sicher, nachhaltig, wettbewerbsfähig und erschwinglich" sein. Ein Weg zu diesem Ziel ist mehr Diversifizierung bei den Anbietern. Dazu sollen die Lieferbeziehungen mit Norwegen, den USA, Algerien oder Turkmenistan auf-, bzw. ausgebaut werden. Ein gemeinsamer Einkauf soll die Preise drücken. Auch der Anteil von Flüssiggas, das mit Tankern transportiert wird, soll steigen. Und beim Strom soll es transeuropäische Netze quer durch Europa geben. Zum Beispiel soll Sonnenstrom aus der Mittelmeerregion nach Norden, Windstrom von der Nordsee nach Süden fließen.
Die Kommission peilt einen grenzüberschreitenden Austausch beim Strom von zehn Prozent der Produktion an, was, gemessen an den technischen Möglichkeiten und dem Bedarf, kein besonders ehrgeiziges Ziel ist, gemessen am Jetzt-Zustand aber eine ganze Menge. Besonderen Nachholbedarf bei der Vernetzung haben neben dem Baltikum - aus naheliegenden Gründen - Inselstaaten wie Großbritannien, Irland, Malta und Zypern sowie die Iberische Halbinsel, die ebenfalls besonders abgeschottete Energiemärkte hat.
Streit um die Rolle der Erneuerbaren
Europaabgeordnete der Grünen und der Sozialdemokraten bemängeln, das Papier der Kommission vernachlässige die erneuerbaren Energien. Sie spielten, so Martina Werner, energiepolitische Sprecherin der SPD, "nur eine Nebenrolle". Grünen-Fraktionschefin Rebecca Harms klagt: "Energieeinsparung, Effizienz und Erneuerbare werden wieder nicht ins Zentrum der Strategien gerückt". Zusätzlich kritisiert Harms, die EU vertiefe, um die Energieabhängigkeit von Russland zu verringern, die Zusammenarbeit mit "nicht-demokratischen Staaten".
Was den Atomstrom betrifft, so gibt sich die Kommission neutral. Sie lässt den Staaten die Freiheit, welche Stromerzeugungsform diese bevorzugen. Der CDU-Europaabgeordnete Herbert Reul sieht dagegen gerade bei den erneuerbaren Energien Fortschritte im Kommissionspapier. Denn die Pläne sehen eine stärkere Verschmelzung auch der nationalen Fördersysteme vor. "Das Nebeneinander ist viel zu ineffizient und teuer", meint Reul. Er erhofft sich daher auch beim grünen Strom mehr grenzüberschreitenden Austausch.