EU-Länder stellen sich hinter Guaidó
4. Februar 2019Das Ultimatum lief am Sonntag ab: Die vier großen EU-Länder Spanien, Frankreich, Deutschland und Großbritannien hatten Venezuelas amtierendem Staatschef Maduro eine Frist gesetzt, um faire und freie Neuwahlen auszurufen. Sonst würden sie im Gegenzug Oppositionsführer Juan Guaidó als Interimspräsidenten anerkennen. Maduro gab sich ungerührt und sagte am Sonntag in einem Interview mit dem spanischen Fernsehen einmal mehr, er lehne jedes Ultimatum von außen ab. Seitdem läuft in europäischen Hauptstädten die koordinierte Anerkennungswelle für Guaidó.
Italien blockiert gemeinsame Stellungnahme der EU
In letzter Minute blockierte allerdings Italien am Montag eine gemeinsame Rahmenerklärung der EU zu Venezuela. In Rom hatte der Streit um die Unterstützung Guaidós zu einer Regierungskrise geführt. Schon beim Außenministertreffen in Bukarest in der vorigen Woche war Italiens Widerstand der Stolperstein, der eine deutliche gemeinsame Stellungnahme verhinderte. Alessandro di Battista, Vertreter der Regierungspartei Fünf Sterne, erklärte, dass "Ultimaten, Sanktionen und das Einfrieren von Gütern" nur einer Militärintervention die Bahn bereiten würden. "Die Fünf Sterne und diese Regierung werden nie Leute anerkennen, die sich selbst zum Präsidenten ausrufen", sagte er weiter.
Ganz anders dagegen der Koalitionspartner von der Lega: "Maduro ist einer der letzten linken Diktatoren, der mit Gewalt regiert und seine Leute aushungert", sagte Lega-Chef Matteo Salvini. Staatspräsident Sergio Mattarella rief die Regierung inzwischen dazu auf, sich zu einigen und Guaidó zu unterstützen wie andere europäische Länder auch. Aber der Appell blieb erfolgslos.
Juan Guaidó selbst hatte in einem Interview mit der italienischen Zeitung "Corriere della Sera" spezifisch um Unterstützung auch aus Rom gebeten. Die italienisch-stämmige Bevölkerungsgruppe ist in Venezuela stark und einflussreich. Aber Moskau-Freunde bei den Fünf Sternen verhinderten das gemeinsame Handeln der Europäer. Und außenpolitische Stellungnahmen müssen einstimmig erfolgen.
Das Ziel sind freie Wahlen
Mit "wachsender Sorge", wie die Diplomatenformel heißt, hatten die Europäer in den letzten Wochen und Monaten die Zuspitzung der Krise in Venezuela beobachtet. Als sich dann der Präsident der Nationalversammlung und Oppositionsführer Juan Guaidó zum neuen politischen Führer ausrief, hatten sie einen Hoffnungsträger, hinter dem sie sich versammeln können. Es gehe darum, den demokratischen Prozess im Land zu unterstützen, nicht etwa um einen Regimewechsel, wie er von Washington laut gefordert wird.
Das Europaparlament beschleunigte dann am vergangenen Donnerstag mit seiner symbolischen Anerkennung Guaidós zum Interimspräsidenten das Verfahren. Bei den Außenministern kam es allerdings am gleichen Tag zum Streit, weil Italien sich gegen eine Unterstützungserklärung für Guaidó stellte. Dabei wäre diese ohnehin nur ein Signal für die Geschlossenheit der EU, denn die rechtliche Zuständigkeit, den Oppositionsführer als Interimspräsidenten anzuerkennen, liegt weiter bei jedem einzelnen Mitgliedsstaat.
Schaut man sich die Formulierungen aus Paris, Berlin und Madrid an, wird klar, dass die EU den Vorwurf der unrechtmäßigen Einmischung von vornherein entkräften will. Maduro habe sich geweigert, deshalb sei "Guaidó jetzt die Person, mit der wir über Neuwahlen reden", erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rande ihrer Japanreise. Die Europäer erwarteten von ihm, dass er so schnell wie möglich faire und friedliche Wahlen in Gang setzen werde.
Und Spaniens Premierminister Pedro Sanchez wurde noch deutlicher: Die Bürger Venezuelas müssten Herren ihres Schicksal sein und über ihre Zukunft selbst entscheiden dürfen. "Wir arbeiten für eine volle Rückkehr Venezuelas zur Demokratie: Menschenrechte, Wahlen und keine politischen Gefangenen mehr".
Nur Großbritannien tanzte aus der Reihe mit deutlich robusteren Forderungen unter anderem nach einem "Ende von Maduro" und sprach von dessen "kleptokratischem" Regime. Damit scheint London sich der aggressiveren Rhetorik in Washington anzunähern, während die übrigen Europäer "demokratische Prozesse" in den Vordergrund rücken.
Nächste Schritte
Am kommenden Donnerstag schon treffen sich mehrere der europäischen Unterstützerländer mit Partnern aus Lateinamerika in Montevideo, der Hauptstadt von Uruguay. Es geht darum, politische Kanäle nach Venezuela zu eröffnen, um als ersten Schritt humanitäre Hilfe in das darniederliegende Land zu bringen.
Die Bundesregierung hat fünf Millionen Euro dafür bereitgestellt, die EU weitere Mittel versprochen. Bisher hat Maduro es allerdings abgelehnt, Hilfe von außen anzunehmen. Vielleicht könnten Vermittlungsbemühungen der Nachbarländer jetzt dazu beitragen, dass wenigstens Medikamente und anderer lebensnotwendiger Bedarf eingeflogen werden kann.
Darüber hinaus geht es um die Unterstützung der Opposition in Venezuela und die schrittweise Vorbereitung von Neuwahlen. Die EU-Länder wollen dabei logistisch und finanziell helfen, wo sie können.
EU und der Machtkampf zwischen Washington und Moskau
Die Reaktion aus Moskau ließ nicht auf sich warten: Mit ihren Maßnahmen wollten die Europäer den illegalen Versuch der Machtübernahme durch Guaidó unterstützen, hieß es in einer Stellungnahme. Man verurteile diesen Einmischungsversuch von außen.
Damit geraten die Europäer in Gefahr, dass sie zum Spielball in dem Stellvertreterkonflikt zwischen Moskau und Washington werden. Die russische Regierung verteidigt ihre Milliardeninvestitionen in Venezuela und das Engagement ihres Ölkonzerns Rosneft. Sie will nicht auf Rückzahlung der Darlehen an das bankrotte Regime Maduro verzichten. Außerdem betrachtet Moskau den amtierenden Staatschef in Venezuela als politischen Brückenkopf in Lateinamerika.
Auch China ist hier mit Milliardenanlagen im Spiel. Washington auf der anderen Seite versucht, in seinem politischen "Hinterhof" aufzuräumen und eine feindliche Regierung in Venezuela durch eine freundlich gesinnte auszutauschen. Dort stehen die Signale eindeutig auf Regimewechsel.
Die EU will dagegen als Mittler versuchen, die demokratische Bewegung im Land zu unterstützen. Sie hat weniger eigene Interessen im Spiel und hofft daher, zwischen den Interessengegensätzen der Großmächte agieren zu können. Und das wird nur solange gut gehen, wie die politische Krise in Venezuela ohne militärisches Eingreifen verläuft.