EU lässt ab 2035 nur noch E-Autos zu
14. Februar 2023Am Ziel des Gesetzes, von 2035 an nur noch Autos und kleine Nutzfahrzeuge neu auf die Straße zu lassen, die klimaneutral fahren, zweifelte niemand mehr im Europäischen Parlament. Der Weg zur Klimaneutralität des Straßenverkehrs bleibt allerdings umstritten. Und auch über die Folgen, die das Gesetz für die europäische Autoindustrie haben wird, gibt es durchaus unterschiedliche Ansichten.
Die Mehrheit der Abgeordneten - Sozialdemokraten, Grüne und Liberale - sprach sich für eine faktische Abschaffung der bislang geläufigen Verbrennungsmotoren aus. Elektrofahrzeuge mit Batterien oder mit Wasserstoff als Energiequelle sollen von 2035 den Markt beherrschen, sagte der liberale Abgeordnete Jan Huitema, der als Berichterstatter für den Gesetzestext verantwortlich zeichnet. Die klaren Vorgaben führten dazu, dass die Autoindustrie sich bereits restrukturiere und auf die neuen Bedingungen einstelle, sagte Huitema. Das Klima werde geschützt und die Abhängigkeit von Lieferanten fossiler Brennstoffe werde gesenkt.
Nur noch Elektro-Fahrzeuge in der EU?
Für die Autofahrer habe der Umstieg auf Elektroantrieb weitere Vorteile. "Wir erwarten, dass klimaneutrale Autos immer billiger werden. Und wir müssen erschwingliche Fahrzeuge anbieten. Die Betriebskosten für ein Elektroauto sind heute bereits niedriger als die eines Autos mit Verbrennungsmotor", so Jan Huitema. Viele konservative Abgeordnete, darunter aus dem Deutschland mit seiner großen Autoindustrie, kritisierten, das europäische Gesetz werde den Verbrennungsmotor faktisch verbieten. Alternativen zum Elektroauto, wie zum Beispiel synthetische und ebenso klimaneutrale Kraftstoffe für Verbrennungsmotoren, würden unmöglich gemacht.
Politiker sollten Ingenieuren nicht vorschreiben, wie man am besten Autos baue und Emissionen auf Null senke, argumentiert der Christdemokrat Jens Giesecke. Das Gesetz könne dazu führen, dass nach 2035 nur noch alte bereits zugelassene Verbrenner unterwegs seien. Neue Fahrzeuge stünden dann nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung oder seien zu teuer. Giesecke nennt das den "Havanna"-Effekt. In Kuba sind hauptsächlich Oldtimer unterwegs, weil die USA den Export von Fahrzeugen ins kommunistische Kuba verboten haben. Die christdemokratische Fraktion plädiert dafür, auch Verbrennungsmotoren mit synthetischen Kraftstoffen, die klimaneutral hergestellt werden, eine Chance zu geben.
Wird die "Elektro-Revolution" Jobs in der Autoindustrie kosten?
Der EU-Kommissar für den Klimaschutz, Franz Timmermans, sagte im Europäischen Parlament in Straßburg, der Umbau der Autoindustrie hin zur Elektromobilität sei weltweit im Gange. "Die industrielle Revolution findet statt, ob wir das mögen oder nicht. Wir können wählen, an führender Stelle dabei zu sein, oder wir können abseits stehen und die Produktion anderen Weltregionen überlassen", sagte Timmersmans. Die europäische Autoindustrie habe in den letzten drei, vier Jahren bereits große Anstrengungen hin zu Elektrofahrzeugen unternommen. Der Weg sei klar.
Kritische Abgeordnete im Parlament meinten allerdings, der Umbau der Industrie werde auch zu einem Verlust von Arbeitsplätzen führen. Zufällig heute hat der Autobauer Ford, der bis 2030 nur noch Elektroautos produzieren will, bekannt gegeben, in Europa 4000 Stellen abbauen zu wollen, den größten Teil davon in Deutschland. Die Industriegewerkschaft Metall warnte, viele Zulieferbetriebe könnten ihre Produktion ins Ausland verlagern, um Kosten zu sparen. EU-Kommissar Frans Timmermans machte klar, dass die Autoindustrie in Europa weiter gefördert werden muss.
"China bringt bis Ende des Jahres 80 neue Modelle von Elektroautos auf den Markt. Und das sind gute Autos. Mit denen müssen wir konkurrieren können", so Timmermans. Die EU sollte deshalb die Umschulung und Ausbildung von Fachkräften in der Autoindustrie vorantreiben und die Infrastruktur für das Aufladen von E-Autos schneller ausbauen helfen als bisher. Die EU-Kommission wird an diesem Dienstag einen neuen Gesetzesvorschlag auf den Weg bringen, der eine weitere Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen bei schweren Lastkraftwagen und Bussen bis 2040 um 90 Prozent vorsieht. Anders als bei Pkw ist ein de-facto Verbot von Verbrennungsmotoren allerdings nicht vorgesehen.
Warum die Abgasnorm Euro 7 weiter umstritten ist
Die europäische Autoindustrie hat sich nach Aussagen ihres Lobby-Verbandes auf die Kohlendioxid-Vorgaben für Pkw längst eingestellt. Auch die Mitgliedsstaaten der EU haben dieses Gesetz gebilligt, das nach der Zustimmung heute im Europäischen Parlament 2025 in Kraft treten kann. Heftig umstritten ist jedoch die neue Abgasnorm Euro 7, die den Ausstoß von Stickoxiden und Feinstaub von 2025 bei Diesel-Fahrzeugen drastisch reduzieren soll. Die deutsche Autoindustrie und der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing kritisieren die Vorschläge der EU-Kommission als zu ambitioniert.
Die Einhaltung der Euro-7-Norm würde hohe Investitionen erfordern in eine Antriebstechnik, die zehn Jahre später sowieso vom Markt verschwinden müsse, um endgültig Elektrofahrzeugen Platz zu machen. "Die aktuellen Vorschläge sind kostenintensiv, technologisch nicht sicher umsetzbar und umfassen zulassungsrechtliche Risiken", bemängelte die Präsidentin des Verbandes der deutschen Automobilhersteller (VDA), Hildegard Müller, vergangene Woche.
Die Autohersteller hatten bereits die Vorgaben der Euronormen 5 und 6 teilweise nicht einhalten können und mitunter illegale Software eingesetzt, um Dieselfahrzeuge bei Tests zu manipulieren oder Filter im echten Betrieb auf der Straße abzuschalten. Diese "Diesel-Gate" genannten Skandale belasteten die deutschen Automobilhersteller Volkswagen, Audi und Porsche schwer. Geprellten Autokäufern mussten Entschädigungen in Milliardenhöhe gezahlt werden. Der verschärften Abgasnorm Euro 7 müssen die EU-Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament noch zustimmen. Änderungen an den Vorschlägen der Kommission sind wahrscheinlich.