EU-Parlament gegen britisches Rosinenpicken
5. April 2017Das Europa-Parlament hat sich mit breiter Mehrheit auf eine gemeinsame Position für die Verhandlungen mit Großbritannien über einen EU-Austritt geeinigt. 516 Abgeordnete stimmten in Straßburg für eine Resolution, die die Fraktionschefs von Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen gemeinsam ausgearbeitet hatten. 133 lehnten das Papier ab, 50 Parlamentarier enthielten sich.
Gegen finanzielle Zugeständnisse
In dem Papier spricht sich das Parlament, das einem Brexit-Abkommen zustimmen muss, gegen finanzielle Zugeständnisse an London aus. Bei der Debatte über die Resolution wurde außerdem deutlich, was eine Mehrheit unbedingt vermeiden will: ein Rosinenpicken der Briten, ein Abkommen zulasten der Bürger sowie neue Konflikte um Gibraltar und an der nordirischen Grenze.
Der Fraktionschef der Christdemokraten, der CSU-Abgeordnete Manfred Weber, brachte die Stimmung im Plenum auf den Punkt: "Ein Staat außerhalb der Europäischen Union kann nicht dieselben oder bessere Bedingungen haben als ein Staat innerhalb."
UKIP-Vertreter provoziert
Sorgen machten sich die Abgeordneten über eine "harte Grenze" zwischen Irland und Nordirland, das Teil des Vereinigten Königreichs ist, sowie um den Konflikt um die britische Enklave Gibraltar im Süden Spaniens. Bei diesem Punkt sorgte Brexit-Protagonist Nigel Farage für einen Eklat, in dem er das EU-Parlament mit der Mafia verglich.
Der Abgeordnete der rechtspopulistischen britischen UKIP störte sich unter anderem daran, dass die spanische Regierung bei den Brexit-Gesprächen ein Vetorecht darüber bekommen soll, ob getroffene Vereinbarungen auch für die britische Enklave Gibraltar an der Südspitze der iberischen Halbinsel gelten. "Mit diesen Forderungen haben Sie gezeigt, dass Sie rachsüchtig und böse sind. Sie verhalten sich wie die Mafia", warf Farage den anderen Parlamentariern vor und löste damit einen Tumult aus.
Kommission will Anwalt der Betroffenen sein
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sicherte den Abgeordneten zu, seine Behörde werde bei den Verhandlungen Fürsprecher der direkt Betroffenen diesseits und jenseits des Ärmelkanals sein. Arbeitnehmer, Unternehmer, Studenten und Rentner dürften nicht den Preis für einen EU-Ausstieg Großbritanniens zahlen. "Menschen sind keine Verhandlungsmasse", betonte Juncker.
Der Chefunterhändler der Europäischen Union, Michel Barnier, lehnte den Wunsch der britischen Regierung ab, über ein Brexit-Abkommen und über die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU gleichzeitig zu verhandeln. Parallele Verhandlungen über beide Aspekte zu führen, sei riskant, warnte Barnier. Eine phasenweise Herangehensweise sei notwendig, um in der sehr kurz bemessenen Zeit von zwei Jahren eine Einigung in den Brexit-Verhandlungen zu erzielen. Auf einem Gipfel in Brüssel wollen die verbleibenden 27 Mitgliedstaaten der EU Ende April Leitlinien für die Brexit-Verhandlungen beschließen.
wl/se (dpa)