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EU rügt Grundrechte-Defizite in der Türkei

10. November 2010

Derzeit gibt es vier EU-Beitrittskandidaten: Kroatien, Mazedonien, die Türkei und seit dem Sommer: Island. Die besten Beitrittschancen räumt EU-Kommissar Füle Kroatien ein. Bei der Türkei sieht er noch große Probleme.

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Flaggen-Collage (Grafik: AP/DW)
Bild: AP Graphics/DW

Eventuell schon 2012 oder 2013 könnte Kroatien das 28. Mitglied der Europäischen Union werden. Kaum schlechter steht es Füle zufolge mit den Aussichten Islands, obwohl es sich erst seit der Finanzkrise für einen Beitritt interessiert. Aber die Nordatlantikinsel erfüllt bereits heute die meisten Forderungen der EU.

Dagegen liegen die Verhandlungen mit Mazedonien auf Eis, weil Griechenland sie blockiert. Griechenland hat eine Provinz mit gleichem Namen und befürchtet Gebietsansprüche seines nördlichen Nachbarn.

Überraschend schnell...

Stefan Füle (Foto: dpa)
Stefan FüleBild: picture alliance / dpa

...kommt das kleine Montenegro voran, das allerdings noch kein offizieller Beitrittskandidat ist. Kommissar Füle sieht das Land auf einem guten Weg. Deshalb empfehle die Kommission, dass der Rat der Mitgliedsstaaten Montenegro den Status eines Beitrittskandidaten verleihe. Montenegro habe große Fortschritte bei Demokratie und Menschenrechte gemacht. Dringlich seien aber weitere Reformen vor allem bei der Justiz und in der Staatsverwaltung, die noch stark politisch gefärbt seien.

Albanien hatte sich ebenfalls Hoffnungen auf eine solche Empfehlung gemacht, bekommt sie aber zunächst nicht wegen zu großer innenpolitischer Probleme. Bis zur Verleihung des Kandidatenstatus und der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Montenegro ist es aber noch ein längerer Prozess, den vor allem die EU-Mitgliedsstaaten bestimmen.

Weitere Balkanländer wie Serbien, das Kosovo oder Bosnien-Herzegowina müssen sich ebenfalls noch länger gedulden. Die Kommission wiederholt aber bei jeder Gelegenheit, die Tür stehe ihnen offen, es liege an den jeweiligen Ländern selbst, ob und wie schnell sie sich der EU annäherten.

Ehrenmorde, Zwangsheiraten

Beim Beitrittskandidaten Türkei lobt die Kommission unter anderem die kürzlich beschlossene Verfassungsreform, mahnt aber, diese müsse jetzt auch umgesetzt werden. Ansonsten sieht sie weiterhin große Probleme, etwa Ehrenmorde, Zwangsheiraten oder häusliche Gewalt. Und schlichtweg "keinen Fortschritt" gebe es bei der Annäherung zwischen der Türkei und dem EU-Mitglied Zypern. Vor allem deshalb sind im Moment mehrere Kapitel der Beitrittsverhandlungen blockiert. Doch abgesehen von mangelnden Fortschritten auf einzelnen Gebieten ist der Widerstand gegen eine türkische Vollmitgliedschaft groß.

Werner Langen (Foto: Europäisches Parlament)
Werner LangenBild: Europäisches Parlament

Werner Langen, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, hat grundsätzliche Vorbehalte. Er sagt: "Ich glaube, Europa kann die Türkei nicht verkraften als Mitglied, weil die Türkei zu weit weg ist in ihrem politischen System, in ihren Traditionen von dem europäischen Gesellschafts- und Demokratiemodell." Notwendig seien vor allem gute Beziehungen, betont Langen und fügt hinzu: "Wir haben die Zollunion, wir haben gemeinsame Sicherheitspolitik mit der Türkei – also, es gibt auch Partnerschaft ohne Mitgliedschaft der Türkei." Die Kommission hält dagegen grundsätzlich am Ziel des Türkei-Beitritts fest. Einzige Bedingung sei die Erfüllung der Reformforderungen.

Erweitern oder pausieren?

Füle nahm auch gleich die um sich greifende Erweiterungsmüdigkeit in der EU vorweg. Gerade in der Zeit der Wirtschaftskrise würden sich sicher viele Menschen fragen, was der Sinn der Erweiterung sei. Der Kommissar betonte, Erweiterung sei wichtig, weil sie Frieden und Stabilität in Europa stärke. "Erweiterung macht die EU sicherer, indem sie besonderen Wert auf Rechtsstaatlichkeit legt und Demokratie und Grundfreiheiten in den Beitrittsländern fördert, die unsere nächsten Nachbarn sind."

Viele EU-Bürger - und Regierungen - befürworten allerdings eine längere Erweiterungspause, in der sich die Europäische Union zunächst weiter konsolidieren solle. Und auch die Kommission spricht inzwischen von der Aufnahmefähigkeit der EU, die man beachten solle.

Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Reinhard Kleber