EU will Jugendliche beschäftigen
8. Oktober 2014Der italienische Premierminister Matteo Renzi hat nach einigem Hin- und Her um den Termin doch noch nach Mailand zum dritten EU-Gipfeltreffen gegen Jugendarbeitslosigkeit eingeladen. Einige Mitgliedsstaaten hatten Zweifel, ob ein neuerlicher Gipfel irgendwelche Fortschritte bringen könnte. Die Staats- und Regierungschefs reisen nicht so gerne an, wenn sie hinterher keine positiven Nachrichten verkünden können, so EU-Diplomaten in Brüssel. Obwohl es am Tag vor dem Gipfel noch keine abschließende Gästeliste gab, gehen die italienischen Organisatoren davon aus, dass die überwiegende Mehrheit der Staats- und Regierungschefs nach Mailand kommen wird.
Matteo Renzi hat den Kampf gegen Arbeitslosigkeit zum Schwerpunkt seiner EU-Ratspräsidentschaft erkoren und braucht auch innenpolitisch Rückenwind aus Europa. Er ist gerade dabei, gegen den Widerstand von Gewerkschaften und Teilen der eigenen sozialistischen Partei eine Arbeitsmarktreform in Italien durchzuboxen. Der Kündigungsschutz in Italien soll gelockert werden, um die Anstellung von jungen Arbeitnehmern zu erleichtern. Der italienische Premier setzt lange verschleppte Reformen um, zu denen ihn Fachleute und europäische Politiker wie Bundeskanzlerin Angela Merkel schon länger ermuntern. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Italien (42,9 Prozent) hat ihre Ursache nicht nur in konjunkturellen, sondern auch in strukturellen Problemen, sagt zum Bespiel die Deutsch-Italienische Handelskammer in Mailand. Beim Gipfeltreffen wird, darauf hat man sich im Vorfeld verständigt, nur Bilanz gezogen. Neue Initiativen werden nicht auf den Weg gebracht, es wird kein neues Geld versprochen. Beschlüsse sind nicht zu erwarten, meinten hohe deutsche Regierungsvertreter am Dienstag.
Garantie kommt nur schleppend voran
Eine der der drei Initiativen, mit der die EU den über fünf Millionen arbeitslosen Jugendlichen zu einem Job verhelfen will ist die "Jugend-Garantie". Darin verpflichten sich die Mitgliedsstaaten allen Menschen zwischen 18 und 25 Jahren innerhalb von vier Monaten nach Verlust des Arbeitsplatzes oder Beendigung der Ausbildung, einen Job, ein Praktikum oder eine weitere Fortbildung anzubieten. Für die Jugend-Garantie, die aus Österreich und Finnland übernommen wurde, stehen insgesamt zehn Milliarden Euro für alle 28 Mitgliedsländer in den nächsten sieben Jahren bereit. In vielen Krisenstaaten, wie Griechenland, Spanien oder Italien, geht es darum, erst einmal eine vernünftige Job- und Lehrstellenvermittlung oder ein geordnetes Ausbildungswesen zu schaffen. "Die größte Herausforderung ist es, alle jungen Leute zu erreichen und ihnen zu helfen, auch wenn sie sich schon sehr weit vom Arbeitsmarkt entfernt haben. Jeder verdient die Chance, einen guten Job zu finden oder das Training zu bekommen, um später einen Job zu finden", sagte dazu Laszlo Ander, der zuständige EU-Kommissar.
Kritik, dass die Umsetzung der Jugend-Garantie, die vor mehr als einem Jahr beschlossen wurde, zu lange dauert, weist Andor zurück. "Die Verwirklichung der Jugend-Garantie ist auf gutem Wege und bringt schon erste Ergebnisse. Wenn man das mit anderen europäischen Projekten vergleicht, ist die Jugend-Garantie das schnellste Projekt, das wir je hatten." Bislang haben die Mitgliedsstaaten der EU-Kommission Pläne vorgelegt, die jetzt bis zum Jahresende genehmigt werden sollen. Erste Pilotprojekte sind in sieben Mitgliedsstaaten angelaufen. Dem irischen Europa-Abgeordneten Paul Murphy geht das alles zu langsam. Er schlug in einer der zahlreichen Debatten zur Jugendarbeitslosigkeit in Europa schon vor der Sommerpause des Parlaments harte Töne an: "Leider ist diese Jugendgarantie nicht viel mehr Wert als das Versprechen eines zwielichtigen Autohändlers. Die wirkliche Absicht es nicht, wirklich Arbeitsplätze für die 5,5 Millionen arbeitslosen Jugendlichen zu schaffen. Es geht viel mehr darum, die Jobs von Bürokraten zu retten."
Noch tröpfeln die Millionen nur
Bei der "Jugend-Beschäftigungs-Initiative", ebenfalls vor mehr als einem Jahr beschlossen, gab es anfängliche Startschwierigkeiten. Es dauerte viele Monate, bis die Mitgliedsstaaten überhaupt Anträge stellten, um Fördermittel aus den EU-Töpfen zu erhalten. "Wir müssen jetzt in Mailand darüber sprechen, woran das liegt, wie man Verfahren beschleunigen kann", sagte dazu ein hochrangiger deutscher Regierungsvertreter vor Journalisten. Erst drei Staaten, Frankreich, Italien und Litauen, haben für genehmigte Projekte erste Mittel aus der sechs Milliarden Euro schweren Beschäftigungsinitiative abgerufen. Frankreich will mit 432 Millionen Euro die Schulabbrecher-Quote senken, die Mobilität von Arbeitssuchenden fördern und die Vermittlung der Arbeitsverwaltung verbessern. Italien will mit immerhin 1,1 Milliarden Euro die Arbeitsvermittlung stärken, Mobilität und Unternehmensgründungen fördern. Weder Spanien mit einer Quote von jugendlichen Arbeitslosen von 53,8 Prozent noch Griechenland mit einer Quote von 53,1 Prozent haben bislang genehmigte Anträge für eine Verwendung von EU-Mitteln in der Tasche. "Es wäre schön, wenn das bald anders würde", sagte dazu ein deutscher Regierungsvertreter, der nicht genannt werden will.
Als dritte Säule bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit auf europäischer Ebene kommt die Europäische Investitionsbank in Luxemburg ins Spiel. Sie hat bereits 9,7 Milliarden Euro für Beschäftigungsmaßnahmen an Krediten ausgegeben. Sieben Milliarden Euro flossen an 80 000 kleine und mittlere Unternehmen, die Ausbildungsplätze schaffen oder Fortbildung anbieten.
Geld allein ist nicht alles
Die Internationale Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) in Genf glaubt, dass die EU immer noch zu wenig Mittel in die Hand nimmt, um Jugendliche in Arbeit zu bringen. Die bisher ergriffenen Maßnahmen hätten nur einen ganz kleinen Effekt auf die Höhe der Arbeitslosenquote gehabt, räumt auch die EU-Kommission in ihrer letzten Analyse von Mitte September ein. ILO-Experte Ekkehard Ernst sagte schon vor Monaten der Deutschen Welle: "Wir glauben, dass die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um des Problems Herr zu werden. Die Arbeitslosenquote bei Jugendlichen ist vor allem gesunken, weil die allgemeine Quote gesunken ist. Die leichte Konjunkturerholung reicht aber nicht aus. Wir brauchen mehr öffentliche und private Investitionen, um Jobs für die jungen Menschen zu schaffen."
Den Ruf nach noch mehr Geld hält ein hochrangiger Vertreter der Bundesregierung, der am Gipfel in Mailand teilnehmen wird, für falsch. "Solange man nicht weiß, wie man die vorhandenen Mittel ausgeben soll, stellt sich die Frage nach noch mehr Mitteln einfach nicht." Es gebe auch keine Zielmarke, wie viele Arbeitsplätze mit den EU-Geldern geschaffen werden sollen. Die Projektionen der EU-Kommission gehen jedenfalls davon aus, dass die Arbeitslosigkeit bei schwachem Wirtschaftswachstum in den kommenden zwei Jahren nicht nennenswert sinken wird. Wie viele Ökonomen weist auch der zuständige EU-Kommissar Laszlo Andor darauf hin, dass mehr Wachstum nötig ist: "Die Jugend-Garantie wird den Übergang von der der Schule oder der Uni in den Arbeitsmarkt systematisch verbessern. Wir sollten aber nicht vergessen, dass es ohne Wirtschaftswachstum nicht möglich sein wird, die Beschäftigungskrise von diesen Ausmaßen, wie wir sie jetzt sehen, zu beseitigen." Der Ökonom Andre Sapir von der Brüsseler Denkfabrik "Bruegel" bringt das Problem in seinen Veröffentlichungen auf einen ziemlich kurzen Nenner: "Es ist das Wachstum, Dummkopf!" Sapir meint, die Jugendarbeitslosigkeit sei in den südlichen EU-Staaten auch schon vor der Wirtschaftskrise immer doppelt so hoch gewesen, wie die Arbeitslosigkeit der älteren Arbeitnehmer. Erst wenn die allgemeine Arbeitslosenquote bei besserer Konjunktur sinke, werde es auch für die Jungen wieder mehr Jobs in nennenswerter Anzahl geben.