EU und China pflegen ihre Beziehungen
10. Dezember 2004Das Schwellenland China macht im Bereich der Menschenrechte immer wieder traurige Schlagzeilen. Schätzungen zufolge werden jedes Jahr in der Volksrepublik etwa 10.000 Menschen hingerichtet. Dutzende von Journalisten sitzen laut Menschenrechtlern in China in Haft, oft nur, weil sie die neuen Freiheiten in der aufstrebenden Wirtschaftsmacht zu weit auslegten. Der Zugang zu Informationen - sei es über die Presse, sei es über das Internet - wird scharf reglementiert. Und in der Wirtschaft schuften tausende Kinder und Jugendliche, um ihren Altersgenossen in Europa, Japan und den USA zu Weihnachten Spielzeug zu fertigen.
Waffen statt Rechte
Um Menschenrechte ging es beim Gipfel-Treffen der EU mit Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao am Mittwoch (7.12.2004) in Den Haag dennoch weniger - und wenn, dann nur in Verknüpfung mit möglichen Waffenlieferungen an China. Denn er strebt mit großer Hartnäckigkeit eine Aufhebung des Waffenembargos an, das die EU 1989 gegen sein Land verhängt hatte. Dies geschah damals als Reaktion auf die blutige Niederschlagung friedlicher Demonstrationen auf Pekings "Tiananmen-Platz". Wen Jiabao bezeichnete dieses Waffen-Embargo im Vorfeld des Treffens als ein "Relikt des Kalten Krieges", und dieses Relikt gehöre abgeschafft.
Der China-Experte Franco Algeri vom Münchener Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) geht davon aus, dass die Chinesen sich mit ihrer Forderung spätestens 2005 durchsetzen werden. "Das Waffen-Embargo wird meiner Ansicht nach über kurz oder lang fallen", sagte Algeri im DW-WORLD-Interview. "Es gibt schon Kontakte auf militärischer Ebene. Es wurde seit Tiananmen auch schon militärische Ausrüstung unterschiedlichster Art geliefert. Es kommt ja immer darauf an, ob dies offensive oder defensive Waffen sind." Und defensive Waffen könnten schon jetzt trotz des Embargos geliefert werden.
EU ist gespalten
In Brüssel heißt es schon, die EU sei bereit, China ein "positives Signal" zu geben, dass die Aufhebung des Embargos geprüft werde. Unter den 25 EU-Staaten gibt es aber noch keine einheitliche Haltung in dieser Frage. Und diese ist nötig, um das Embargo aufzuheben. Dem Vernehmen nach wehren sich besonders die skandinavischen Staaten, aber auch Großbritannien und die Niederlande gegen eine Aufhebung. Sie fordern vor einem entsprechenden Beschluss deutliche Fortschritte bei der Einhaltung der Menschenrechte. Für eine Aufhebung sind vor allem Frankreich und Deutschland, wo sich die jeweilige Rüstungsindustrie lukrative Aufträge aus China erhofft.
Schwacher Yuan
Immer wieder Gesprächsthema bei europäisch-chinesischen Staatstreffen ist auch der niedrige Wechselkurs das Yuan. Er ist seit 1994 zum Fixkurs von rund 8,3 Yuan an den Dollar gekoppelt. Im Zuge des sinkenden Dollarkurses sank auch der Kurs des Yuan, obwohl die chinesische Wirtschaft boomt und das Land eine starke Konjunktur hat. Unternehmer in den USA wie auch in Europa sehen im niedrigen Wert des Yuan einen unfairen Wettbewerbsvorteil für chinesische Exporteure. Aus Europa kommt darum immer wieder die Forderung, den Wechselkurs des Yuan freizugeben, damit er seinen Wert auf den internationalen Devisenmärkten findet.
China hat grundsätzlich seine Bereitschaft erkennen lassen, flexible Wechselkurse einzuführen, was eine Aufwertung für den Yuan bedeuten würde. Dabei will sich Peking aber nicht unter Druck setzen lassen. Auf eine schnelle Freigabe des Wechselkurses der chinesischen Währung brauche man in der EU darum nicht zu hoffen, meint Algeri. "Die Chinesen machen das ganz geschickt, weil sie so lange daran festhalten, wie es ihnen keine Nachteile bringt. Die Signale sind zwar positiv, aber ich würde mich darauf nicht verlassen." Erst wenn der Dollar und mit ihm auch der Yuan über einen Kurs steigen, der den Chinesen lieb ist, dürfte der Yuan vom Dollar abgekoppelt werden.
Unter dem Strich
Trotz dieser oft abweichenden Interessen von Europäern und Chinesen sind die gemeinsamen Beziehungen nach Einschätzung Algeris insgesamt eher unproblematisch. "Ich würde sogar sagen, sie gehören zu den am höchsten institutionalisierten und entwickelten Beziehungen der EU", lautet das Fazit des China-Experten.