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EU und NATO: Keine gemeinsame Strategie gegenüber Südosteuropa

5. Mai 2006

Welche Fortschritte machen die Staaten Südosteuropas bei der Annäherung an EU und NATO? Auf Einladung des Auswärtigen Amtes diskutierten in Berlin Experten und Politiker über Hemmnisse und Erfolge.

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Gernort Erler: "Den Herausforderungen in Südosteuropa stellen"Bild: Michael Meyer

Der Ausgang des Referendums in Montenegro, die Zukunft des Kosovo, das ungelöste Problem der Verfassung in Bosnien- Herzegowina - das sind nur drei der vielen Herausforderungen dieses Jahres, die die Europäische Union gemeinsam mit dem Nordatlantischen Verteidigungsbündnis langfristig zu bewältigen habe. Dass NATO und EU dabei eng kooperierten, sei unverzichtbar, sagt Jeffrey Simon vom Institut für Nationale Strategische Studien in Washington: „Einige der Schlüsselbereiche, die zur Stabilität des Balkans beigetragen haben, sind genau die Erweiterungsprozesse der EU und der NATO durch das Programm Partnerschaft für den Frieden. Diese beiden Instrumente waren in der Vergangenheit entscheidend für die Erhöhung der Sicherheit und Stabilität auf dem Balkan. Sie werden es auch in Zukunft bleiben, denn der Druck über die nächsten Jahren mit Kosovo, Montenegro und den andauernden Problemen in Bosnien wird nur wachsen."

Gemeinsame Sicht auf die Region

Doch eine klar formulierte gemeinsame Strategie von EU und NATO bei der Erweiterung in Südosteuropa gibt es nicht. James Pardew vom NATO-Hauptquartier in Brüssel sieht allerdings die militärische Kooperation in Mazedonien als großen Fortschritt. Die dortige NATO-Mission wurde von der EU übernommen. Und so würden sich die beiden Organisationen in der Region ergänzen, sagt Pardew: „Die EU und die NATO haben eine gemeinsame Sicht auf die Region. Das erste ist Integration: Die NATO sieht Südosteuropa immer mehr als einen Teil ihrer Struktur, die EU sieht das ähnlich. Auf dem Balkan werben NATO und EU für dieselben Werte Demokratie, Rechtstaatlichkeit und wirtschaftliche Entwicklung."

Unterschiedliche Ziele, gleiche Anforderungen

Dennoch seien die Organisationen für die Erarbeitung einer gemeinsamen Erweiterungsstrategie viel zu unterschiedlich, sagt Dusan Reljic, Südosteuropa-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin: „Die EU ist eine tiefe Integration, ein System, das sich über verschiedene Bereiche des Lebens, Wirtschaft, Soziales und Kultur ausdehnt, während die NATO ein sicherheitspolitisches Instrument ist. Immer mehr verlagert sich die Arbeit der NATO weg in Richtung globaler Fragen. Die NATO ist nicht das politische Instrument, um Sachen zu lösen, sondern das militär-technische Instrument. Deshalb sehe ich nicht unmittelbar das Bedürfnis einer direkten Kopplung dieser Angelegenheiten."

Aus Sicht der Regierungen in der Region jedoch sind diese "Angelegenheiten" eng mit einander verbunden. Eine Mitgliedschaft in der NATO sei schließlich ein großer Schritt auf dem Weg in die EU, sagt der stellvertretende Verteidigungsminister Albaniens, Petrit Karabina: „Die Anforderungen, die von der EU und NATO kommen, sind ja in vielen Punkten identisch: Demokratie, Aufbau der Institutionen, Einhaltung rechtsstaatlicher Standards. Daraufhin hat die albanische Gesellschaft und Regierung versucht, diese Elemente in einer gemeinsamen Strategie zusammenzuführen."

Offene Fragen

Spezielle Schwierigkeiten haben auch die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien: Kroatien kam lange der Forderung des Haager Kriegsverbrecher-Tribunals nicht nach, den gesuchten General Ante Gotovina auszuliefern. Serbien hat nun sogar einen Stopp der Verhandlungen mit der EU hinnehmen müssen, weil Ratko Mladic noch nicht an das Haager Tribunal ausgeliefert ist.

Trotzdem müssten EU und NATO die Perspektiven für alle Länder der Region offen halten, meint Jeffrey Simon. Das gelte auch für die immer noch unter UN-Verwaltung stehende Provinz Kosovo, deren künftiger Status derzeit in Wien verhandelt wird. Diese Gespräche zwischen kosovarischen und serbischen Vertretern verliefen allerdings nicht wie erhofft, so Simon: „Wenn man am Ende des Jahres keine Fortschritte erzielt hat, was macht man dann? Die Lösung aufzwingen? Oder akzeptiert man die Feststellung, dass keine der Seiten zu Zugeständnissen bereit ist, so dass man den Protektoratstatus auf unbestimmter Zeit verlängert, bis die Verhandlungen wieder aufgenommen werden? Das könnte eine Lösung sein."

Eine Lösung, die wie Simon selbst zugibt, kein Mitglied der Kontaktgruppe akzeptieren würde. 17.000 Nato-Soldaten, die im Kosovo stationiert sind, werden weiterhin präsent sein, um die Sicherheit zu garantieren.

Regionale Kooperation stärken

Deutschland wird sich Anfang nächsten Jahres als EU-Ratsvorsitzender den Herausforderungen in Südosteuropa stellen. Ohne die Europäische Perspektive aufzugeben, will es laut Außenamts-Staatsminister Gernot Erler die regionale Kooperation stärken. Dabei sei sich die deutsche Regierung bewusst, dass solche Initiativen in der Region nicht gerade freudig aufgenommen würden. Dennoch wolle man dafür werben, so Erler: „Objektiv gibt es zu der verstärkten regionalen Kooperation keine Alternative. Das darf nicht diskriminiert werden als eine Art Abhalte-Strategie gegen die Integration. Da brauchen wir die Mitwirkung der politischen Führungseliten, um gegen diese Verschwörungstheorien aktiv zu werden."

Die regionale Kooperation würde laut Erler nicht nur zum Erhalt des Friedens dienen. Denn durch die Schaffung eines gemeinsamen Marktes würde sich auch die Attraktivität für ausländische Investoren erhöhen.

Anila Shuka

DW-RADIO/Albanisch, 4.5.2006, Fokus Ost-Südost