EU-Verfassung lässt auf sich warten
22. Oktober 2003"Wir wollen, dass in der Verfassung auch die christlich-jüdischen Wurzeln der europäischen Länder berücksichtigt werden", sagt Hans-Gert Pöttering, Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei und Europäischer Demokraten im Europäischen Parlament (EVP-ED). Zwar solle dadurch niemand zum Glauben gezwungen werden, es sei aber wichtig, einen ausdrücklichen Gottesbezug in der Verfassung zu verankern. Unterstützt wird diese Ansicht von Polen, Italien und Irland.
Der SPD-Politiker Klaus Hänsch, Präsidiumsmitglied des Verfassungskonvents und ehemaliger Präsident des Europäischen Parlaments, stellt sich in dieser Frage auf die Seite der EVP-ED-Fraktion: "Ich habe damit keine Schwierigkeiten. Auch im Grundgesetz wird Gott ausdrücklich genannt, so dass der Bezug für deutsche Politiker unproblematisch sein sollte. Dadurch wird aus der Europäischen Union noch lange kein Gottesstaat."
Änderungsvorschläge
Die Verhandlungen der Regierungen von 25 Ländern über den vom EU-Konvent erarbeiteten Verfassungsentwurf sind längst nicht abgeschlossen. Vorgelegt wurde das Dokument schon im Juli 2003. Seitdem gab es allerdings schon zahlreiche Änderungsvorschläge, weil einzelne Länder der Meinung sind, dass ihre Interessen nicht ausreichend berücksichtigt werden.
Klaus Hänsch zeigt sich dennoch zuversichtlich: "Ich gehe davon aus, dass der Verfassungsvertrag noch bis zum Ende dieses Jahres abgeschlossen wird. Die meisten Mitgliedsländer haben schließlich mehrfach ihren Willen dazu geäußert."
In vielen wichtigen Fragen habe man aber bisher noch keinen Konsens gefunden: "Zum Beispiel gibt es noch unterschiedliche Meinungen darüber, wie groß die Kommission sein soll. Ebenso ist die Frage der Gewichtung bei der doppelten Mehrheit weiterhin ein Streitpunkt", ergänzt Hänsch, Fraktionsmitglied der Sozialdemokratischen Partei Europas.
Kommissare
Insbesondere die großen Staaten fordern, dass die EU-Kommission künftig nur noch aus 15 Kommissaren bestehen soll. Hans-Gert Pöttering kann sich mit diesem Gedanken nicht anfreunden: "Wir haben großes Verständnis für die Interessen dieser Staaten, aber 25 bis 27 Kommissare ist kein zu hoher Wert für die Kommission. Wir müssen immerhin berücksichtigen, dass es zukünftig viel Arbeit gibt, die bewältigt werden muss."
Neben der Forderung nach Vertretung durch einen eigenen Kommissar für jedes Land werfen die kleinen Staaten den großen Partnern Deutschland und Frankreich eine Strategie der Blockbildung vor, um Eigeninteressen durchzusetzen. Hänsch kann darüber nur schmunzeln. Für ihn handelt es sich dabei um "uralte Vorwürfe", die in periodischen Abständen immer wieder geäußert würden.
Solche "Dominationsängste" seien regelmäßig zu spüren. "Aber wenn sich Deutschland und Frankreich mal nicht einig sind, gibt es auch Kritik und Sorge. Als langjähriger Beobachter nimmt man diese Vorwürfe nicht mehr ernst", so Hänsch.