EU will Druck durch "Panama Papers" nutzen
13. April 2016Selten sind sich die Abgeordneten im Europaparlament so einig: "Diese Praxis ist asozial", donnert der Vorsitzende der EVP Manfred Weber und meint damit Steuerhinterziehung und Geldwäsche, wie sie durch die Panama-Papiere ans Licht gekommen sind. Seine Fraktion will umgehend die Anwaltsfirma Mossack-Fonseca zur Anhörung vorladen. Und Sozialdemokraten, Liberale, Grüne und Linke wollen gemeinsam einen "Panama-Untersuchungsausschuss" durchzusetzen.
EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici sieht den Skandal als "Weckruf": Die EU-Mitgliedsländer müssten jetzt aktiv gegen Steuerhinterziehung und -Betrug, aggressive Steuervermeidung und Geldwäsche vorgehen. Dazu gehöre auch, die Eigentümer von Firmen namhaft zu machen, wie es die Geldwäsche-Richtlinie vorsieht. Im Mai will die EU-Kommission eine Liste mit nicht kooperationsbereiten Steuer-Regimen vorlegen, gemeinhin Steuerparadiese genannt. Und im Juni sollen Verschärfungen bei der Geldwäsche auf den Tisch kommen.
Schubkraft der öffentlichen Empörung nutzen
"Der Druck ist da, jetzt müssen wir sehen, was eine Untersuchung der Panama-Papiere an konkreten Ansatzpunkten hergibt", sagt Peter Simon, Steuerexperte der deutschen Sozialdemokraten im EP. Bisher habe sich die EU Kommission nach der "LuxLeaks"-Affäre vor allem auf die Steuerhinterziehung durch Unternehmen konzentriert, jetzt müsse man aber auch gegen Geldwäsche durch Politiker und Einzelpersonen vorgehen, die ihr Geld in Steuerparadiesen versteckten.
Die Sozialdemokraten und die anderen Mitte-Links Fraktionen wollen schrittweise einen Regelkatalog aufbauen, um nicht nur illegale Praktiken von Unternehmen, sondern auch beispielsweise von Personen auf internationalen Sanktionslisten zu ahnden. Dass der syrische Diktator Baschar al-Assad sein Vermögen über Mittelsmänner in Steuerparadiesen gesichert hat, ist längst bekannt. Die Mitgliedsstaaten aber seien jetzt unter Druck zu handeln: "Das wird ein langer Prozess, aber mit Panama im Rücken geht es schneller", sagt Simon.
Transparenz-Vorschriften für Großunternehmen
"Die EU verliert jedes Jahr zwischen 50 und 70 Milliarden Euro durch die Vermeidung von Unternehmenssteuer." Und: "88 Prozent der Europäer unterstützen schärfere Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung und Steuerparadiese." So wirbt die EU-Kommission für ihren ersten Vorstoß: Sie stellt Transparenzregeln für Großunternehmen vor. Auch Kommissar Jonathan Hill sieht jetzt zusätzlichen politischen Schub für seinen Vorschlag: "Die Panama-Papiere haben unsere Agenda nicht verändert. Aber sie stärken unsere Entschlossenheit." Steuern müssten dort gezahlt werden, wo die Gewinne gemacht werden.
Alle international tätigen Großkonzerne sollen künftig für ihre europäischen Tochterunternehmen unter anderem aufschlüsseln, wie viel Gewinn sie machen und wie viel Steuern sie zahlen. Das soll EU-weit gelten, Land für Land. Die Offenlegungspflicht soll verhindern, dass die Firmen weiter Schlupflöcher und Schwächen in den Steuersystemen einzelner Mitgliedsländer ausnutzen, wie etwa bei den Luxemburger Tax-Rulings. Gelten soll die Regelung für alle Multis mit einem Jahresumsatz ab 750 Millionen Euro. Das seien insgesamt rund 6000 Unternehmen, so die EU Kommission. Damit will Brüssel künftig unterbinden, dass Konzerne Gewinne von einem Land ins andere schieben und von Niedrig-Steuerangeboten profitieren.
Kritik an Vorschlag der EU Kommission
NGOs zum Thema Steuergerechtigkeit kritisieren den Vorschlag als zu kurz gegriffen: "Solange er nicht alle Länder umfasst (sondern nur EU-Staaten), werden die multinationalen Konzerne weiter reichlich Gelegenheit haben, ihre Gewinne zu verstecken", erklärt Sprecher Tove Ryding vom Netzwerk für "Schulden und Entwicklung". Und Fabio di Masi, Steuerexperte der Linksfraktion im EP fügt hinzu: "Die Pläne der Kommission sehen Details nur für die EU vor." Was in Steueroasen passiert, soll auf einer EU-Liste erscheinen. Bisher aber hätten die Schutzpatrone diese immer noch gedeckt, wie etwa Großbritannien seine Kronkolonien. Und die Steuerparadiese der USA wie Delaware und Nevada blieben weiter außen vor.
Auch die Sozialdemokraten im Europaparlament kritisieren: "Die Schwelle ist viel zu hoch." Damit würden nur Großkonzerne erfasst, alle anderen könnten unbehelligt weitermachen, sagt Peter Simon. Er unterstützt mit vielen seiner Kollegen einen Einstiegswert von 40 Millionen Euro bei der Offenlegungspflicht.
Auch die Grünen sind nicht zufrieden: "Die Antwort der EU Kommission auf die Panama-Papers ist enttäuschend." Sie erlaube es Konzernen weiter, ihre Geschäfte in den USA oder der Schweiz im Verborgenen zu führen. Allein im kleinen US-Bundesstaat Delaware seien über eine Million Formen registriert, kritisiert Steuerexperte Sven Giegold. Es sei zwar erfreulich, dass die Kommission jetzt auf den jahrelangen Ruf des Europaparlaments nach Steuertransparenz reagiere - aber mit dem vorliegenden Entwurf werde das Steuerdumping weitergehen.