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EU will Finanzmarkt durchleuchten

Bernd Riegert4. September 2013

Nächster Schritt bei der Regulierung der Finanzmärkte: Geldmarkt-Fonds, die hochspekulative Geschäfte betreiben, will die EU zähmen. Das Vorgehen ist zu zaghaft, sagen Kritiker.

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Scheinwerfer beleuchten eine Bühne (Foto: Thomas Otto)
Bild: Thomas Otto - Fotolia.com

In wenigen Tagen jährt sich der Ausbruch der Finanzkrise nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman zum fünften Mal. Diese fünf Jahre hat die EU-Kommission gebraucht, um einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, mit dem einige der Hauptakteure der Krise, die so genannten "Schattenbanken", beschnitten werden sollen. "Es ist schwer zu verstehen, wem was gehört und wer in was genau investiert", gesteht die EU-Kommission in ihrer Pressemitteilung zu.

Klar ist inzwischen, dass es neben den normalen Banken einen zweiten Finanzmarktsektor gibt, der aus Investmentfonds, Geldverwaltern und Kreditgebern besteht, die bislang kaum Regeln unterliegen. "Gleichzeitig mit der Regulierung und Neustrukturierung der normalen Banken wollen wir eine Regulierung und Aufsicht für den Sektor der parallelen Banken schaffen, die man im Deutschen 'Schattenbanken' nennt", kündigte der EU-Kommissar für den europäischen Binnenmarkt, Michel Barnier, in Brüssel an. "Das Wort 'Schattenbanken' soll keinen Vorwurf beinhalten. Das Wort "Schatten" ist nicht ganz richtig, denn diese Institute tun ja auch etwas Nützliches."

Schattenbanken haben riesiges Volumen und wachsen

Die Schattenbanken stellen normalen Banken, Unternehmen und auch Regierungen kurzfristig für wenige Tage oder Wochen Geld zur Verfügung oder legen deren überschüssiges Bargeld kurzzeitig für hohe Zinsen an. Das Risiko, Geld zu verlieren, ist höher als bei normalen Bankgeschäften. Die Schattenbanken setzten im Jahr 2011 51.000 Milliarden Euro um, oder anders ausgedrückt: 51 Billionen. Damit ist dieser parallele, weitgehend unbeaufsichtigte Sektor ungefähr so groß wie ein Drittel des Geschäftsvolumens der normalen Banken.

Michel Barnier, Binnenmarktkommissar der EU (Foto: REUTERS/Francois Lenoir)
Der oberste Bankenregulierer der EU: Michel Barnier will Schattenbanken ans LederBild: Reuters

Die Schattenbanken werden dabei keineswegs in zwielichtigen Hinterzimmern betrieben, sondern gehören teilweise normalen Großbanken und Versicherungsunternehmen. "Viele Banken haben ihr Geschäft, das mehr und mehr reguliert wird, einfach in die Schattenbanken verschoben", erläutert EU-Kommissar Michel Barnier. Deshalb müsse man jetzt handeln. Als ersten Bereich der Schattenbanken will sich Barnier die risikoreichen "Geldmarkt-Fonds" vorknöpfen. "Wir legen einen Schwerpunkt auf die Beaufsichtigung der Geldmarkt-Fonds, wobei der Schattenbanken-Sektor sehr vielschichtig und manchmal auch undurchsichtig, ja obskur erscheint. Obwohl das sehr komplex ist, müssen die nationalen und die europäischen Aufsichtsbehörden jetzt die richtigen Maßnahmen ergreifen", kündigte Barnier an.

Risiken der Geldmarkt-Fonds soll beherrschbar werden

Die Geldmarkt-Fonds sollen ähnlichen Regeln unterliegen wie normale Banken und finanzielle Puffer aufbauen, um im Falle einer Krise nicht ihre Besitzer und Kreditgeber mit in den Abgrund zu reißen. Die Fonds sollen gewisse Reserven an kurzfristig fälligen Geldern vorhalten, um flüssig zu bleiben. Dieser gemäßigte Ansatz, den der EU-Kommissar verfolgt, geht dem Finanzexperten der grünen Partei im Europäischen Parlament, Sven Giegold, nicht weit genug.

"In dem Moment, in dem die Vermögenswerte der Fonds zum Beispiel in einer drastischen Krise an Wert verlieren, sind die Fonds gezwungen, so schnell wie möglich zu verkaufen. Genau das ist in der Euro-Krise passiert, und Michel Barnier und die EU-Kommission weigern sich, entsprechende Konsequenzen aus diesem Befund zu ziehen", sagte Giegold der Deutschen Welle. Der Finanzpolitiker fordert, einige der Geldmarktfonds mit ihren riskanten Geschäftsmodellen ganz auslaufen zu lassen. Die EU-Kommission habe sich aber dem massiven Lobby-Druck der Finanzindustrie und der Regierungen in Luxemburg und Irland gebeugt. Aus steuerlichen Gründen sind dort besonders viele Fonds ansässig.

Michel Barnier traue sich nicht, sagt Sven Giegold, die Geldmarktfonds vom Markt zu nehmen, die in der Euro-Krise beschleunigend gewirkt hätten. "Statt diese Fonds, wie die Beratungsinstitutionen empfehlen, zurückzudrängen, schlägt er stattdessen nur einen drei Prozent großen Puffer vor. Der würde bei einer Wiederholung der Krise nicht ausreichen, um die Geldmarktfonds, die Brandbeschleuniger der Krise, zu stoppen."

Sven Giegold, Grünen-Abgeordneter im EU-Parlament (Foto: Sven Giegold)
Sven Giegold, Europa-Abgeordneter der Grünen: Barnier riskiert seinen Ruf als harter SaniererBild: Sven Giegold

Noch ein weiter Weg

Bislang hat die EU-Kommission nur einen neuen Gesetzesvorschlag zur Regulierung der Geldmarkt-Fonds vorgelegt. Tatsächlich in Kraft treten wird er erst nach den Beratungen im Europäischen Parlament und in den nationalen Regierungen in einigen Jahren. Die übrigen Vorschläge zur Eindämmung der Schattenbanken sind im Moment eher Positionspapiere und Fahrpläne, die noch mit den USA und den restlichen Staaten in der G20 abgestimmt werden müssen. "Alleingänge haben auf dem internationalen Finanzmarkt keinen Sinn, aber wir müssen unser europäisches Haus zuerst in Ordnung bringen", sagt EU-Kommissar Michel Barnier. "Wir wollen die Schattenbanken ja auch nicht abschaffen, sondern nur Ansteckungsgefahren verhindern und Transparenz schaffen".

Bei der Regulierung von bestimmten Geldmarkt-Fonds ist Europa im Moment sogar Vorreiter, glaubt Nicolas Véron von der Brüsseler Denkfabrik "Bruegel". "Europa ist schneller als die USA, wenn es darum geht, die besonders gefährlichen Fonds abzuschaffen, die ihren Kunden vorgaukeln, sie könnten kein Geld verlieren", so Véron im DW-Interview. Diese Fonds garantieren ihren Einzahlern, dass es keine Verluste gibt. "Das ist aber eigentlich auf dem Markt nicht möglich", sagt Véron.

Internationale Absprachen bei den Regulierungen seien nötig und sinnvoll. Die Notwendigkeit zu regulieren höre nie auf. Der Prozess gehe immer weiter. Insgesamt sei Europa, das immer noch in einer systemischen Krise stecke, auf gutem Weg, glaubt der Finanzexperte des "Bruegel-Instituts". So kann es sein, dass noch weitere fünf Jahre verstreichen, bis der Schattenbankensektor mit kontrollierbaren Risiken arbeitet - dann im zehnten Jahr nach der Lehman-Pleite.