EU berät über Steuertricks
8. April 2017Über Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble thronten bei seiner Pressekonferenz prächtige Gemälde im historischen "Großmeister-Palast" auf Malta. Gefasst in barocke Goldrahmen waren der Sündenfall und die Vertreibung aus dem Paradies zu sehen. "Dabei muss es sich wohl - passend zum Thema der Beratungen - um die Vertreibung aus dem Steuerparadies handeln", scherzten Reporter. Schließlich berieten die 28 EU-Finanzminister, wie künftig exzessive Steuervermeidung durch internationale Konzerne vermieden werden kann.
Nun gilt ausgerechnet Malta, das die EU-Ratspräsidentschaft führt und zum informellen Treffen in den prächtigen Palast in der Hauptstadt Valletta eingeladen hatte, als eine Art Steuerparadies. Die Steuersätze sind für Unternehmen relativ niedrig. Die Steuergestaltung könne kreativ ausgelegt werden, meinten einige EU-Diplomaten am Rande des Treffens.
Der Gastgeber, der maltesische Finanzminister Edward Scicluna, weist solche Vermutungen natürlich zurück. Auch er sei für eine gerechte Besteuerung von Großunternehmen, die bislang durch Hin- und Herschieben von Gewinnen zwischen Tochtergesellschaften in Europa dem Fiskus entgehen. "Allerdings brauchen wir auch Steuerverlässlichkeit", schränkten er und Vertreter anderer kleinerer Staaten wie Belgien und Luxemburg ein. Auch sie zogen in der Vergangenheit wegen günstiger Steuerbedingungen internationale Firmen wie Google oder Amazon an. Steuergesetze könne man nicht "alle fünf Minuten" ändern, gab der belgische Finanzminister Johan Van Overtveldt zu bedenken. "Man sollte nichts übereilen."
Gemeinsam gegen Steuervermeidung
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte im schmucken Thronsaal, die Frage der Steuerverlässlichkeit dürfe "kein Vorwand dafür sein, Unwuchten im System, unfaire Steuersysteme zu verteidigen." Man werde sich energisch dafür einsetzen, das exzessive Ausnutzung des Steuerrechts bekämpft werde.
Seit Jahren gibt es die so genannte BEPS-Initiative der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der wichtigsten 20 Industrie- und Schwellenländer (G20), die Steuervermeidung bekämpfen soll. Demnach sollen künftig Unternehmen in dem Land Steuern zahlen, in dem sie ihre Gewinne erwirtschaften. Doch die Umsetzung dieses Prinzips ist nicht einfach. Die EU-Finanzminister verwiesen darauf, dass das nur funktionieren könne, wenn auch Amerika und Asien wirklich mitmachten.
Luxemburgs Finanzminister Pierre Gramegna wehrte sich außerdem gegen eine rückwirkende Anwendung von möglichen Steuerreformen. Er regte ein Schiedsverfahren zwischen Staaten und Unternehmen bei steuerrechtlichen Streitigkeiten an. Das kleine Luxemburg steht besonders im Fokus, weil vor drei Jahren bekannt wurde, dass die Luxemburger Behörden mit über 300 Firmen eine gegen Null tendierende Besteuerung vereinbart hatten. Diese sogenannte "Luxleaks"-Affäre hat die Diskussion über Steuervermeidung und Steuergestaltung weltweit angefacht.
Mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten zum gleichen Ziel?
Wie bei informellen Treffen üblich, trafen die Finanzminister keine Entscheidungen. Auf Malta ging es mehr um das Nachdenken und das intensive Diskutieren über ausgewählte Themen, wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble klar stellte. Wichtig sei zum Beispiel, sich darüber einig zu werden, wie künftig die digitale Wirtschaft steuerlich behandelt werden soll. Gewinne, die im Internet erzielt werden, sind schließlich an keine Landesgrenzen gebunden. Wo sollen sie besteuert werden? "Diese Entwicklung geht rasend schnell voran", mahnte Finanzminister Schäuble. "Was wird das künftig noch mit sich bringen? Das ist nicht so einfach."
Erneut diskutierten die Finanzminister auch die Zukunft der Europäischen Union und der Gemeinschaftwährung Euro im Lichte der Erklärung von Rom von Ende März. Diese Erklärung besagt, dass die Union künftig verstärkt in unterschiedlichen Interessengruppen in unterschiedlicher Geschwindigkeit die Integration voranbringen kann. Dies war eine Reaktion auf den Brexit und zunehmende nationale Tendenzen in einzelnen Mitgliedsländern. "Unterschiedliche Geschwindigkeiten müssen Europa nicht spalten, sondern können es sogar effizienter machen", sagte der Bundesfinanzminister in Valletta.
Aber gerade im Bereich der Finanzpolitik und bei der Euro-Zone sei die Weiterentwicklung doch begrenzt, weil man Einstimmigkeit brauche, so Schäuble. Viele der diskutierten Reformen - beispielsweise die Einführung eines europäischen Finanzministers, eines eigenen Haushalts für die Euro-Länder oder mehr gemeinschaftliche Haftung - würden eine Änderung der EU-Verträge verlangen. "Vertragsänderungen sind im Moment nicht realistisch", sagte Schäuble. "Das lohnt die Mühe nicht." Er wiederholte in Valetta sein Mantra: "Wir müssen die Regeln anwenden, die wir haben." Das mache den Euro-Stabilitätspakt glaubwürdiger und damit auch die Währungsunion stärker. Das gelte auch für die Banken-Union und die Rettung von maroden Banken in einigen Mitgliedsstaaten.
Schritt voran - und dann im Kreis
Eine gemeinschaftliche "Bad Bank" für Europa, die faule Kredite von Geschäftsbanken übernehmen könnte, um deren Bilanzen zu sanieren, ist nun vom Tisch. Der Vorschlag, den die Europäische Bankenaufsicht einmal vorgelegt hat, wurde nicht einmal mehr erwähnt. "Das hat jedermann verstanden, dass das kein vernünftiger Ansatz ist", kommentierte Wolfgang Schäuble. Er hatte sich wie andere Finanzminister aus nördlichen EU-Staaten dagegen gewehrt, für faule Kredite aus Griechenland oder Italien Verantwortung übernehmen zu müssen.
Die Bankensanierung soll nun, wo nötig, durch nationale "Bad Banks" übernommen werden. In Griechenland beträgt der Anteil fauler Kredite, die von Schuldnern nicht bedient werden, rund 47 Prozent. In Deutschland liegt er bei unter drei Prozent. Europa könne zwar mit vielen unterschiedlichen Problemen in Finanzfragen vorangehen, "aber im Grund gehen wir oft alle im Kreis", meinte ein EU-Diplomat nachdenklich zu den Diskussionen auf Malta.