Polens Justizreform verstößt gegen EU-Recht
15. Juli 2021Das in Polen eingeführte neue Disziplinarrecht für Richter verstößt nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen EU-Recht. Die beim polnischen Obersten Gericht angesiedelte Disziplinarkammer erfülle nicht alle Ansprüche an die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit von Richtern, erklärte der EuGH in Luxemburg.
Die Disziplinarkammer ist das Herzstück der umstrittenen Reformen des polnischen Justizsystems der nationalkonservativen PiS-Regierung. Die Disziplinarkammer kann jeden Richter oder Staatsanwalt entlassen.
Gewaltenteilung nicht gewährleistet
Kritiker dieser Einrichtung befürchten, sie könne dazu dienen, Richter für unbotmäßige Entscheidungen zu maßregeln. Ausgewählt werden die Mitglieder der Disziplinarkammer vom Landesjustizrat. Dieser soll eigentlich die Unabhängigkeit der Richter garantieren. Früher hatten in ihm Richter die Mehrheit, die von anderen Richtern gewählt wurden. Doch seit der Justizreform der Regierungspartei PiS Ende 2017 werden die Mitglieder des Gremiums vom Parlament, dem Sejm, gewählt.
Der EuGH kritisierte, der Landesjustizrat sei ein Organ, das "von der polnischen Exekutive und Legislative wesentlich umgebildet wurde", an seiner Unabhängigkeit gebe es berechtigte Zweifel.
Regierungschef Mateusz Morawiecki hatte das polnische Verfassungsgericht um eine Entscheidung in der Frage ersucht. Anlass war ein früheres EuGH-Urteil. In der Zwischenzeit hat sich die Situation weiter zugespitzt: Im Frühjahr verklagte die Kommission Polen wegen der Justizreform ein weiteres Mal.
Konflikt ist programmiert
Am Mittwoch erließ der EuGH eine einstweilige Anordnung und untersagte Polen vorläufig die Anwendung der Vorschriften insbesondere über die Disziplinarkammer. Das polnische Verfassungsgericht wiederum entschied, dass vom EuGH angeordnete einstweilige Maßnahmen gegen die polnische Justizreform verfassungswidrig seien.
nob/qu (rtr, dpa)