Euro-Reform: Kleine Schritte statt Revolution
31. Mai 2017"Es gibt jetzt ein historisches Fenster für Reformen", sagt Pierre Moscovici, französischer Finanzkommissar bei der EU-Kommission. Er muss es wissen, denn was er da in Brüssel auf den Tisch legt, zeigt eine hohe Deckungsgleichheit mit den Plänen, wie sie in Paris und Berlin derzeit diskutiert werden. "Der Euro ist bereits Symbol für die Einigkeit und eine Garantie der Stabilität für die Europäer", so der EU-Kommissar, "jetzt müssen wir ihn zu einem Mittel für gemeinsamen Wohlstand machen".
Keine Revolution, nur kleine Schritte
Die Grundidee bei diesem Vorschlag heißt: Bloß keine Revolution, machen wir's in kleinen Schritten. Bei der Kommission weiß man, dass die Lust auf Umwälzungen in der EU gegen Null geht. Getan werden aber soll trotzdem etwas, vor allem "um dem gefährlichen Populismus in Europa" etwas entgegen zu setzen, wie Moscovici erklärt. Auf der Wunschliste stehen dabei sowohl ein eigener Haushalt für die Eurozone als auch ein Finanzminister. Aber diese politischen Entscheidungen müssen in den Mitgliedsländern diskutiert werden.
Im Prinzip geht es darum, die Geburtsfehler der Gemeinschaftswährung zu reparieren, die durch die Krise 2008 deutlich wurden. Damals hatte man mit schnellen Notmechanismen reagiert, jetzt sollen diese durch geregelte Reformen abgelöst werden. "Wir sollten nicht auf die nächste Krise warten", sagte Moscovici. Ziel sei die wirtschaftliche Angleichung der Euroländer, sowohl was den Lebensstandard angeht, als auch die strukturelle Angleichung durch Strukturreformen und die Annäherung der Wirtschaftszyklen.
Damit diese Debatte nicht wieder im Sande verläuft und um Streit über eventuell notwendige, aber nicht praktikable Vertragsänderungen zu verhindern, will die Kommission dabei in kleinen Schritten vorangehen. Mehr Vergemeinschaftung in der Eurozone brauche zum Beispiel auch mehr demokratische Kontrolle, wird erklärt. Hier soll ein Ausschuss des Europaparlaments die Zügel übernehmen, der schon zu den nächsten Europa-Wahlen 2019 ins Leben gerufen werden könnte. Erst danach, bis 2025, sollen dann die nächsten Schritte über tiefere strukturelle Reformen vollzogen werden.
Welche neuen Maßnahmen?
Als nach der Finanzkrise 2008 mehrere Euroländer, darunter zuletzt Griechenland, ins Taumeln gerieten, brauchten sie schnelle Hilfe von der Gemeinschaft: Der Euro-Rettungsschirm wurde geschaffen, ein Fonds aus dem die Problemländer quasi Überbrückungskredite bekamen. Er soll in das Regelwerk der Eurozone verpflanzt und zu einem regulären Notfallfonds werden. Darüber hinaus soll ein "Finanzinstrument" zum Schutz von Investitionen im Krisenfall geschaffen und Banken und Kapitalmärkte näher zusammengeführt werden. Dazu gehören die Bankenunion sowie gemeinsame Regeln für die Einlagensicherung EDIS, die schon länger diskutiert werden. Bis 2019 sollen sie beschlossen und bis 2025 eingeführt werden.
Im Mittelpunkt strittige Fragen
Die Diskussion um einen Finanzminister der Eurozone und seinen Etat klammert die Kommission vorerst aus. Einen anderen heiklen Fall aber bringt sie mit neuem Rezept wieder auf den Tisch: Eine neues Finanzinstrument wird als "gemeinsame Emission von Schuldtiteln" und "gemeinsame sichere Anlage" beschrieben. Dabei soll es auf keinen Fall zu einer Vergemeinschaftung der Schulden kommen - in Brüssel sind die Berliner Bedenken dagegen bekannt. Wie diese speziellen Eurobonds aber dann funktionieren könnten, wird nicht ganz klar. Moscovici spricht von "privater Risikoverteilung". Hier liegt jedenfalls politischer Sprengstoff.
Als ähnlich schwierig gilt auch die Schaffung einer gemeinsamen Absicherung der nationalen Hilfen für Arbeitslose. Sie soll wie eine Rückversicherung ausgestaltet werden, und bei einem Wirtschaftsabschwung Spielräume für die nationalen Haushalte der Mitgliedsstaaten eröffnen.
Gemischte Reaktionen
Die deutschen Kritiker des Euro im Europaparlament erklären, "die Konstruktionsfehler der Währungsunion sind zu komplex, um sie mit Finanzakrobatik beherrschbar zu machen". Bernd Lucke und vier weitere Europaparlamentarier aus der Gruppe der Liberal-Konservativen Reformer nennen vor allem die Neuauflage der Eurobonds "alten Wein in neuen Schläuchen". Sie fordern statt immer neuer Anläufe zu Vergemeinschaftung der Schulden in letzter Konsequenz die Auflösung des Euro und die Rückkehr zu nationalen Währungen. Aber das hat bisher nicht einmal Griechenland gewollt.
Bei der größten Fraktion wiederum, den Christdemokraten und Konservativen der EVP, werden die Vorschläge der Kommission begrüßt. Wenn man bei den gegenwärtigen internationalen Spannungen Europa stärken wolle, müsse man für mehr Stabilität sorgen, so ihr Vorsitzender Manfred Weber. Er nennt die Gemeinschaftswährung einen großen Erfolg, auch sei das Wachstum zurück gekehrt und die EU werde wirtschaftlich stärker. Im ersten Schritt müssten jetzt die Euroländer Verantwortung übernehmen und kühne Strukturreformen umsetzen. Danach könne man dann über die Vertiefung der Eurozone reden.