1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Europa investiert in Forschung

Ralf Bosen29. August 2012

Mit China als neuer Wirtschaftsmacht ist der internationale Wettbewerb härter geworden. Damit die Konkurrenz aus Übersee nicht davoneilt, wollen Europas Unternehmen fit für die Zukunft werden.

https://p.dw.com/p/15zUz
Ein Forscher in Schutzkleidung (Foto: DW)
SolarforschungBild: DW/R. Fuchs

Europa stöhnt unter den Lasten der Finanzkrise. Während die EU fieberhaft nach Lösungen sucht, entwickeln europäische Unternehmen eigene Strategien. Sie wollen nicht auf die Politik warten, sondern selbst Pläne entwickeln, wie sie trotz der Eurokrise im globalen Konkurrenzkampf bestehen können. Ihr Credo: Trotz des Finanzdebakels wollen sie mehr Geld in Forschung und Entwicklung stecken. Wie eine Untersuchung der Europäischen Union festgestellt hat, planen führende Unternehmen, ihre Investitionen bis zum Jahr 2014 jährlich um durchschnittlich vier Prozent zu erhöhen.

Besonders tief in die Tasche greift die Computer- und Software-Branche. Sie rechnet mit einem Anstieg ihrer Investitionen um durchschnittlich elf Prozent pro Jahr. "Dieser positive Trend ist von entscheidender Bedeutung für Europas Wettbewerbsfähigkeit", erklärt Máire Geoghegan-Quinn, EU‑Kommissarin für Forschung, Innovation und Wissenschaft. Diese Nachrichten machen Mut, findet auch Oliver Koppel vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, "denn sie zeigen, dass die Unternehmen selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten in Forschung und Entwicklung investieren."

Ein Computer und ein Roboter (Foto: dpa)
Die Computer- und Softwarebranche investiert viel Geld in IdeenBild: picture-alliance/dpa

Wichtige Forschung versäumt

Auf der anderen Seite habe die Finanzkrise auch aufgedeckt, was passiere, wenn Länder wie Griechenland, Italien und Spanien ihre Forschungs-Anstrengungen in den letzten zehn Jahren kaum erhöht hätten. Weil Forschung einer der größten Wachstumstreiber für wirtschaftliche Entwicklung sei, "ist es kein Wunder, dass es diesen Ländern leider nicht so gut geht", sagte der Innovationsexperte Koppel der Deutschen Welle.

Möglicherweise haben die europäischen Unternehmen genau daraus ihre Schlüsse gezogen und ihre Innovationsschmieden befeuert. Allerdings sollten die positiven Ergebnisse der EU-Untersuchung nicht überbewertet werden. Die Untersuchung konzentriert sich nämlich auf große Unternehmen, die Ihre Forschungs- und Entwicklungsbudgets langfristig planen. Die Eurokrise wirkt sich bei ihnen (noch) nicht so intensiv und so unmittelbar auf die entsprechenden Etats aus. "Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen dagegen, die deutlich stärker nach Kassenlage handeln müssen, hat sich die Wirtschaftskrise weitaus heftiger bemerkbar gemacht", erläutert Koppel vom Institut der deutschen Wirtschaft. Insofern lässt sich das Ergebnis der EU-Untersuchung nicht uneingeschränkt auf die gesamtwirtschaftlichen Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen übertragen.

Ansporn für Ideen

Um die Innovationsbereitschaft zu unterstützen, schlägt Koppel vor, dass die EU sich für steuerliche Vorteile in ihren Mitgliedsländern einsetzt. Wenn ein Unternehmer wüsste: "Wenn ich 1000 Euro in Forschung und Entwicklung investiere, dann bekomme ich vom Staat 250 Euro an Steuern erlassen" - dann sei das ein "extrem gutes Instrument, um Forschung und Entwicklung anzuspornen." Die aktuelle Investitionsbereitschaft der Großunternehmen könnte immerhin eine nötige und wichtige Trendwende einläuten. Es ist nicht lange her, da drohte Europa bei den Innovationen abgehängt zu werden. Erst Mitte 2010 hatte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit der Nachricht für Schlagzeilen gesorgt, dass sich der Rückstand auf relevante Wettbewerber wie in den USA und Japan vergrößert habe.

Eine Porträttaufnahme von Oliver Koppel (Foto: Institut der deutschen Wirtschaft)Köln
Oliver Koppel begrüsst die ForschungsergebnisseBild: Oliver Koppel

Keine Zeit auszuruhen

Noch hat Europa nicht aufgeholt. EU‑Kommissarin Geoghegan-Quinn warnt die Unternehmen davor, in ihren Anstrengungen nachzulassen: "Wir führen in vielen Bereichen, aber wir können es uns nicht leisten, selbstzufrieden zu sein." Europa produziere zwar mehr wissenschaftliche Publikationen als die USA, aber europäische Publikationen würden weniger häufig als US-amerikanische zitiert. "Wir sind ins Hintertreffen geraten, wenn es um die beste Forschung mit den größten Auswirkungen geht", klagt Máire Geoghegan-Quinn. "Außerdem ist der Wettbewerb schärfer geworden, seitdem China und andere Schwellenländer an dem Rennen teilnehmen."

Eine Porträtaufnahme von Máire Geoghegan-Quinn
Máire Geoghegan-Quinn, EU-Kommissarin für ForschungBild: EU

Auf der anderen Seite profitieren europäische Firmen natürlich auch von der Globalisierung. Nicht nur, weil beispielsweise China ein wichtiger Absatzmarkt für Produkte aus Europa ist, sondern weil es zunehmend länderübergreifende Kooperationen in Forschung und Entwicklung zwischen den Firmen gibt. Mit diesem Thema hat sich Professor Radu Popescu-Zeletin beschäftigt. Der Leiter vom Fraunhofer-Institut FOKUS, das sich mit Informations- und Kommunikationstechnologien beschäftigt, stellt im Gespräch mit der DW die zugespitzte Frage: "Kann man heutzutage noch Grenzen zwischen Europa und China ziehen? Sehr viele chinesische Firmen haben relativ viel in europäische Firmen investiert, die wiederum mit China Handel treiben. Ich glaube, dass dieser vermeintliche Kampf heutzutage eigentlich mehr eine Kooperation ist."

Grenzen der Zusammenarbeit

Doch spätestens beim Schutz geistigen Eigentums stößt die Zusammenarbeit oft genug an ihre Grenzen, weil es chinesische Firmen mit dem Copyright fremder Ideen häufig nicht so genau nehmen. Es ist daher kein Zufall, dass europäische Unternehmer in der EU-Untersuchung über Forschung und Entwicklung über den großen Aufwand klagen, den sie für den Schutz des geistigen Eigentums aufwenden müssen.

Ein Arbeiter reinigt das Firmenschild eines Volkswagen Autohauses in der Nähe von Shanghai (Foto: dpa)
VW profitiert vom Handel mit ChinaBild: picture-alliance/dpa