Annullierung des Referendums "aussichtslos"
20. April 2017"Keine internationale Institution hat die Möglichkeit, in irgendeinem Land ein Referendum für nichtig zu erklären", sagte der Generalsekretär de Europarats, Thorbjørn Jagland, in Straßburg. Denkbar sei eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen die Entscheidung der türkischen Wahlkommission, das Referendum trotz Manipulationsvorwürfen nicht zu annullieren. Bisher gebe es allerdings keine Rechtsprechung zu Volksabstimmungen.
Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und des Europarates hatten erklärt, das Referendum habe internationalen Standards nicht genügt. "Ich denke, Europa sollte sich darauf konzentrieren, das Schlimmste zu verhindern", sagte Jagland weiter. So sei eine Einführung der Todesstrafe "der ultimative populistische Schritt".
Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte nach seinem umstrittenen Sieg bei dem Referendum seine Bereitschaft erklärt, die Todesstrafe wieder einzuführen. Jagland bekräftigte, dies sei unvereinbar mit einer Mitgliedschaft im Europarat, dem die Türkei seit 1950 angehört. "Da kann es keinen Kompromiss geben. Sonst geht der europäische Kontinent unter."
Regierung: Entscheidung der Wahlkommission "endgültig"
Die türkische Opposition bemüht sich indes weiter um eine Annullierung des umstrittenen Verfassungsreferendums: Sie will das Ergebnis der Wahlkommission anfechten. Die Regierung hält dagegen. "Unsere Verfassung besagt eindeutig, dass Entscheidungen der Wahlkommission endgültig sind und dass es keine Stelle gibt, bei der diese Entscheidungen angefochten werden können", sagte Justizminister Bekir Bozdag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu in Ankara.
"Zu diesen Stellen gehört das Verfassungsgericht. Selbst wenn eine solche Beschwerde eingelegt würde, hätte das Verfassungsgericht keine andere Möglichkeit, als sie zurückzuweisen."
Bozdag begrüßte, dass die Wahlkommission Anträge der Opposition auf Annullierung des Referendums am Mittwoch zurückgewiesen hatte. "Diese Entscheidung der Wahlkommission ist eine korrekte Entscheidung", sagte der Minister. Im Zentrum der Kritik stand die während der laufenden Abstimmung getroffene Entscheidung der Wahlkommission, auch nicht von ihr gestempelte Stimmzettel als gültig zu werten. Auch die OSZE-Wahlbeobachter sahen darin "einen Verstoß gegen türkisches Recht".
Die größte Oppositionspartei CHP hatte danach angekündigt, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um das Referendum anzufechten. Der CHP-Abgeordnete Bülent Tezcan hatte zur Entscheidung der Wahlkommission gesagt: "Das nennen wir organisierten Wahlbetrug, organisierten Stimmraub."
Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hatte das Referendum zur Einführung eines Präsidialsystems nach dem vorläufigen Ergebnis mit 51,4 Prozent knapp gewonnen.
myk/sti (dpa)