Turbulente Zeiten für Airlines
23. Mai 2012
Europas größter Billigflieger Ryanair war schon immer gut für ganz ausgefallene Sparvorschläge. Knallhart kommen sie in der Regel meist vom Chef persönlich, Michael O'Leary. So hat er das Eis in den Getränken reduzieren lassen. Mit weniger Eiswürfeln an Bord könne die Airline Tausende Kilos und damit Tausende Euro einsparen, hieß es. Auch wollte Ryanair nur mit einem Piloten fliegen – aus Kostengründen. Daraus wurde aber nichts.
So turbulent geht es bei anderen Fluglinien nicht zu. Eines aber drückt sie alle: die schwache Wirtschaftslage in Europa und die hohen Kerosionkosten. Die Airlines ächzten geradezu, wie Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt gegenüber DW sagt, unter dem steigenden Ölpreis: "In diesem Jahr ist er noch höher, das macht sich extrem bemerkbar. Und dann kommen natürlich die 'kleinen Dinge' obendrauf, wie Luftverkehrssteuer und Emissionshandel." Und wer ohnehin keine große Gewinnspanne habe, dem würden auf diese Weise die letzten Prozentpunkte genommen, so Großbongardt. Zudem kämpfen alle europäischen Airlines gegen die starke Expansion staatlicher Fluggesellschaften vom Persischen Golf.
Im Blick: der Billigfliegermarkt
Wirtschaftsflaute und Rezession in einigen europäischen Ländern sind Gründe auch für den Billigflieger Ryanair, nicht so optimistisch in die Zukunft zu blicken. Trotz eines neuen Rekordgewinns befürchten die Iren ein baldiges Ende ihres Erfolgskurses. Ohnehin stoßen die Billigflieger seit langem an ihre Grenzen, davon ist Heinrich Großbongardt überzeugt. Sie seien extrem stark gewachsen in der Vergangenheit. Darüberhinaus sei der Preisabstand zwischen den Billigfliegern und den Linienmaschinen inzwischen stark gesunken.
Darüberhinaus, so der Luftfahrtexperte, habe Ryanair viele Jahre lang mit dem Flugzeugbauer Boeing gute Geschäfte gemacht: "Ryanair hat riesige Bestellungen bei Boeing aufgegeben und auf diese Weise Superpreise herausgequetscht. Dann haben sie die Maschinen wieder teurer auf dem Markt verkauft." Doch die Hersteller ließen derartige Geschäfte heute nicht mehr zu. Und damit entfalle für Ryanair eine verdeckte Einnahmequelle.
Air Berlin setzt auf Billigtarif
Seit Monaten kämpft auch Deutschlands zweitgrößte Fluglinie Air Berlin mit schwachen Zahlen. Neben einem harten Sparprogramm sollen es nun neue Billigtarife richten. Ein Spartarif heißt ab 1. Juli "JustFly": Dabei läuft der Check-In nur über das Internet und – ähnlich wie bei der Lufthansa-Tochter Germanwings – muss für aufzugebendes Gepäck extra bezahlt werden.
Air Berlin sei, betont der Unternehmensberater Heinrich Großbongardt, ohnehin in einer sehr schwierigen Übergangsphase. Das Sparprogramm müsse umgesetzt werden, darüber hinaus stelle die Airline aber auch ihr gesamtes Geschäftsmodell um. Wurden bislang Touristen wie Geschäftsreisende vorwiegend auf innereuropäischen Strecken befördert, soll es künftig auch auf Langstrecke gehen - mit eigenen Flugzeugen und mit der bei Air Berlin eingestiegenen Etihad Airways aus Abu Dhabi.
Kranich-Airline baut um
Auch Lufthansa drücken Personalkosten. Die Kranich-Linie wird möglicherweise sogar Mitarbeiter entlassen und Betriebe und Tochtergesellschaften zusammenlegen. Mit dem neuen Sparprogramm "Score" will Lufthansa bis Ende 2014 rund 1,5 Milliarden Euro mehr Gewinn machen. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen erstmals mehr als 100 Millionen Passagiere transportiert, doch der Umsatz reichte nicht aus, unter dem Strich Geld zu verdienen.
Mangels Masse will Lufthansa künftig auf einigen Strecken auf die Business-Class verzichten. Im Gegenzug will das Unternehmen aber auf den nachgefragten Flügen die Business-Class bis Winter 2014 ausbauen. Neue Sitze sollen die Möglichkeit bieten, in ein ebenes Bett verwandelt zu werden. Das bieten andere Linien übrigens seit Jahren an. Mit diesem Modernisierungsprogramm will Lufthansa unterstreichen, dass es die führende Stellung im Premiumsegment behalten will.
Über den Wolken tut sich einiges
Auch die krisengeschüttelte Fluggesellschaft Air France will mit einer drastischen Flottenverkleinerung und Stellenstreichungen wieder auf Gewinnkurs kommen. Die Führung des Lufthansa-Konkurrenten kündigte am Donnerstagabend (25.05.) an, in den nächsten zweieinhalb Jahren 34 der zuletzt 148 Kurz- und Mittelstreckenmaschinen aus dem Verkehr zu ziehen.
Zum ersten Mal bestätigte sie zudem offiziell, dass an Plänen für den Abbau von
Personalkapazitäten gearbeitet werde. Ziel sei es, Kündigungen zu vermeiden, hieß es. Zahlen sollen in der zweiten Junihälfte genannt werden. Insgesamt beschäftigte Air France 2011 rund 58.000 Menschen.
In der Branche, so Luftfahrtexperte Großbongardt, ist künftig auch weiterhin mit Zusammenschlüssen zu rechen. In Europa gebe es noch eine ganze Reihe von Fluggesellschaften, bei denen es doch sehr zweifelhaft sei, ob sie weiterhin allein überleben könnten: "Ganz aktuell haben wir die Diskussion über die privatisierte TAP aus Portugal. Da steht die Frage im Raum: Wer übernimmt sie denn?" Lufthansa habe da genauso Interesse angemeldet wie die British-Airways-Mutter International Airlines Group.
Aber nicht jede Übernahme erweist sich als Meisterwerk. Bei der Übernahme der Schweizer Fluggesellschaft Swiss Air habe Lufthansa das gut hinbekommen, sagt Großbongardt: "Die Integration ist gelungen und die Swiss hat sehr schnell Supergewinne eingeflogen." Hingegen sehe das bei der defizitären Lufthansa-Tochter Austrian Airlines etwas anders aus. Die Lufthansa müsse wohl hier kräftig "drauflegen".