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Politik

Europäer sind jetzt auf sich gestellt

18. November 2016

Syrien, Flüchtlinge, Ukraine - ein letztes Mal hat der scheidende US-Präsident Obama mit europäischen Regierungschefs Weltpolitik diskutiert. Nach seiner Abreise bleiben die Europäer mit ihren vielen Sorgen allein.

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Deutschland Obama verlässt Berlin
Bild: picture alliance/dpa/R. Hirschberger

Im Bundeskanzleramt wurde noch einmal das große weltpolitische Menü aufgetischt: Der Krieg in Syrien, die humanitäre Katastrophe, der Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat, die Flüchtlingskrise, der nicht enden wollende Konflikt mit Russland in der Ukraine. Angela Merkel hatte die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Italien, Großbritannien und Spanien eingeladen, um gemeinsam mit dem scheidenden US-Präsidenten Barack Obama, der seit Mittwochabend in Berlin weilte, die vielen drängenden Fragen zu diskutieren.

Natürlich verlief das mehr als zweistündige Gespräch ganz anders, als es noch vor ein paar Monaten der Fall gewesen wäre. Barack Obama wird nur noch ein paar Wochen im Amt sein. Er ist eine "lahme Ente", wie die Amerikaner ihre Präsidenten nennen, nachdem der Nachfolger gewählt ist. Der, also Donald Trump, schwebte wie ein unsichtbares Gespenst über den Gesprächen in Berlin. Die bange Frage, was von dem übrig bleiben wird, was die Europäer zusammen mit Barack Obama in den letzten acht Jahren politisch auf die Beine gestellt haben, spukt in allen Köpfen herum.

Deutschland Sechser-Treffen mit Merkel und Obama im Kanzleramt
Lockere Abschiedsrunden sehen anders ausBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Große Sorgen am Tisch

Und nicht nur das. Was wird aus dem historischen Bündnis zwischen Europa und den USA? "Wir haben alle bekräftigt, wie prioritär die transatlantische Beziehung ist", sagte der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy, der nach seiner kürzlich erfolgten Wiederwahl gleich auch seinen Antrittsbesuch in Berlin machte. Weswegen er nach dem Sechsergipfel auch noch zu einem bilateralen Mittagessen mit der Bundeskanzlerin blieb und mit ihr besprach, wie Spanien aus seiner nach wie vor angespannten wirtschaftlichen Lage herauskommen und seinen Haushalt weiter sanieren will.

Doch das war eigentlich nebensächlich angesichts der Kriege und Konflikte, die während Obamas Amtszeit nicht gelöst werden konnten und nun mit einem US-Präsidenten Donald Trump bewältigt werden müssen. Man sei tief besorgt angesichts der humanitären Krise in Syrien und insbesondere in Aleppo, ließen Merkel und Rajoy nach ihrem Mittagessen wissen. "Wir haben auf die Notwendigkeit einer dauerhaften Waffenruhe mit uneingeschränktem humanitärem Zugang hingewiesen und darauf, dass die Verhandlungen unter der Schirmherrschaft der UN wieder aufgenommen werden müssen", sagte Rajoy.

Deutschland
Merkel und Rajoy auf dem Weg zur PressekonferenzBild: Reuters/F. Bensch

Unsichtbare Fortschritte

Über die Verhängung von Sanktionen gegen Russland im Zusammenhang mit dem Syrien-Krieg habe man nicht gesprochen, sagte Kanzlerin Merkel. "Wohl aber über die Sanktionen im Zusammenhang mit der Ukraine", fügte sie hinzu. Die Regierungen der USA, Frankreichs, Großbritanniens, Deutschlands, Italiens und Spaniens seien sich einig, dass man zum Minsker Friedensabkommen für die Ostukraine stehe. "Wir wollen Fortschritte im Minsk-Prozess machen, bisher sind diese Fortschritte aber sehr unsichtbar." Die Sicherheit habe sich in den letzten Wochen nicht verbessert. Man werde "zum gegebenen Zeitpunkt entscheiden, wie wir weiter verfahren", sagte sie mit Blick auf die anstehende Verlängerung der EU-Sanktionen Ende des Jahres.

Unmittelbar nach dem Sechsergipfel verließ Barack Obama das Kanzleramt. Gegen 13 Uhr hob die Präsidentenmaschine Air Force One vom Flughafen Tegel ab, um den US-Präsidenten nach Peru zu bringen, wo er am Apec-Gipfel teilnimmt. Nach Obama verließen auch der französische Staatspräsident François Hollande und der italienische Regierungschef Matteo Renzi Berlin. Ihr spanischer Kollege Rajoy folgte nach dem bilateralen Treffen mit Angela Merkel, die anschließend noch unter vier Augen mit der britischen Premierministerin Theresa May sprach.

Trump ist allgegenwärtig

Die beiden Politikerinnen äußerten sich lediglich vor dem Treffen kurz vor Journalisten. Nein, über den Brexit werde man nicht explizit reden, sagte die Kanzlerin. May stimmte zu, beeilte sich aber noch, darauf hinzuweisen, dass ihr Land den Antrag auf Austritt aus der Europäischen Union bis spätestens Ende März 2017 stellen werde. "Ich möchte, dass der Prozess glatt und ordentlich abläuft und an einer Lösung gearbeitet wird, die im Interesse beider Seiten, Großbritanniens und der EU, ist", so May. 

Deutschland Angela Merkel und Theresa May in Berlin
May und Merkel trafen sich zum zweiten MalBild: Reuters/M. Sohn

Auch mit der britischen Regierungschefin wollte Merkel vor allem über internationale Politik reden, über den anstehenden deutschen Vorsitz der G20, also der 20 weltweit wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, und über den nächsten G7-Gipfel im Mai in Italien. An dem wird dann auch US-Präsident Donald Trump erstmals teilnehmen. Was die Europäer von ihm zu erwarten haben, darüber haben Merkel, May, Hollande, Renzi und Rajoy in Berlin ausführlich mit Obama gesprochen. Man kann getrost davon ausgehen, dass Trump ein zentraler Punkt in der Abschiedsrunde war.

K-Frage am Sonntag gelöst?

Wie wird er auftreten? Wird man trotz aller Befürchtungen einen Weg für eine Zusammenarbeit finden? Oder wird es richtig ungemütlich und die Europäer sind in Zukunft auf sich gestellt? Bleiben die internationalen Abkommen bestehen? Was wird aus dem Pariser Klimaschutzabkommen? Fragen, die große Sorgen bereiten. Sorgen, die Obama den Europäern nicht nehmen kann.

Dem scheidenden US-Präsidenten blieb in Berlin nur, sie zu motivieren und ihnen einen engen Schulterschluss anzuraten. Die Bundeskanzlerin ist für Obama in dieser Aufstellung Anker, Eckpfeiler und Konstante zugleich. Da passt es ins Bild, dass die CDU für Sonntagabend ein Statement Angela Merkels avisierte. In Berlin wird davon ausgegangen, dass Merkel ihre Kanzlerkandidatur für eine vierte Amtszeit bekannt geben wird. Barack Obama würde das gefallen.

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