Zwanziger: "Niersbach lügt"
23. Oktober 2015Feierlich sollte die Eröffnung sein. In der Dortmunder Innenstadt leuchtete am Freitagabend der rote Teppich vor dem nagelneuen deutschen Fußball-Museum, einem millionenschweren Prestigeprojekt des DFB. Doch statt sich in Glanz und vergangenen Erfolgen zu sonnen, wurden die Premierengäste mit der gleiche Fragen konfrontiert: Was sagen sie zu den neuerlichen Vorwürfen gegen Wolfgang Niersbach und den DFB?
Zuvor hatte der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger die Affäre um dubiose Geldflüsse im Vorfeld der Fußball-WM 2006 noch einmal auf eine neue Ebene gehoben. "Es ist eindeutig, dass es eine schwarze Kasse in der deutschen WM-Bewerbung gab", sagte Zwanziger dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Über seinen Intimfeind Niersbach sagte der später auch als Finanzchef des Organisationskomitees (OK) tätige Funktionär: Es sei "ebenso klar, dass der heutige DFB-Präsident davon nicht erst seit ein paar Wochen weiß, wie er behauptet, sondern schon seit mindestens 2005. So wie ich das sehe, lügt Niersbach."
Löw stärkt Niersbach den Rücken
"Diese Ereignisse geben Anlass zum Nachdenken", erklärte Bundestrainer Joachim Löw in Dortmund, "aber ich stehe hundertprozentig zu Wolfgang Niersbach. Ich frage mich ernsthaft, warum diese Dinge nicht schon eher zur Sprache gekommen sind." Noch deutlicher positionierte sich DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock und blies seinerseits zur Attacke: "Wir hatten unter Zwanziger eine Angst- und Krisenkultur beim DFB", sagte er. "Man muss festhalten, dass er die Vorwürfe, die er erhebt, noch in seiner Amtszeit hätte angehen können. Wir stehen voll hinter Niersbach."
Nimmt man die neuen Vorwürfe von Zwanziger, die wachsenden Zweifel an Niersbachs Angaben, den öffentlichen Druck nach seinem Auftritt am Vortag und auch die fehlenden Unterstützung durch die Schlüsselfigur Franz Beckenbauer, dann ist die Frage: Wird sich der DFB-Chef noch lange in seinem Amt halten können? Zwanziger und Niersbach verbindet spätestens seit ihrem Machtwechsel Anfang 2012 eine innige Feindschaft. "Ich komme mir vor wie im Kindergarten, von wegen, der hat mit Sand geschmissen, nein der war's und jener hat davon gewusst. Es muss jetzt endlich beendet werden", sagte die Korruptions-Expertin Sylvia Schenk dem TV-Sender Sky. Im Zentrum der Affäre steht aber nach wie vor eine ominöse Zahlung von 6,7 Millionen Euro, die 2002 laut DFB von dem damaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus für das deutsche WM-Organisationskomitee an die FIFA geflossen war. Drei Jahre später überwies das OK dieses Geld dann über ein FIFA-Konto an den Franzosen zurück.
Was es genau mit diesen 6,7 Millionen auf sich hat, ist die alles entscheidende Frage. Die Recherchen des "Spiegels" legen nahe, dass damit Funktionäre der FIFA bestochen wurden. Das Nachrichtenmagazin zitierte aus einem Dossier, das Zwanzigers Anwalt Hans-Jörg Metz für den früheren DFB-Chef angelegt haben soll: "Dr. Zwanziger hatte von Günter Netzer, einem engen Dreyfus-Vertrauten, im Herbst 2012 beiläufig erfahren, der Schuldschein über 10 Millionen Schweizer Franken sei für die vier Stimmen der Asiaten im FIFA-Exekutivkomitee verwendet worden." Netzer hatte diese Aussagen bestritten.
Widersprüche in Niersbachs Erklärung
Niersbach erklärte in seiner heftig kritisierten Pressekonferenz am Donnerstag, dass dieses Geld nur die Bedingung für einen millionenschweren Organisations-Zuschuss aus der Kasse des Fußball-Weltverbands gewesen sei. Zwanziger präsentierte dem "Spiegel" nun noch eine neue, äußerst brisante Version: Unter Berufung auf ein Telefonat mit dem damaligen OK-Vize Horst R. Schmidt erklärte er, dass diese Summe 2002 tatsächlich an den Katarer Mohamed Bin Hammam geflossen sei. Der war von 1996 bis 2011 Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees und damals noch ein Unterstützer des skandalumwitterten Blatter. Sollte diese Version stimmen, hätte der DFB in jenem Jahr den Wahlkampf des mittlerweile gesperrten Schweizers indirekt mitfinanziert.
Laut "Spiegel" hat Zwanziger in einem Gutachten anwaltlich überprüfen lassen, ob er sich 2005 als damals noch amtierender DFB-Chef strafbar gemacht haben könnte, als er die als Beitrag zur einer FIFA-Gala getarnte Rückzahlung der 6,7 Millionen an Louis-Dreyfus freigab. Das aktuelle DFB-Präsidium erklärte am Freitag ganz allgemein: "Wir halten strikt daran fest, dass die Dinge extern aufgearbeitet werden sollen, dass lückenlos aufgeklärt wird - auch für den Fall, dass es unangenehm wird für den ein oder anderen Beteiligten", sagte Rauball.
Externe Untersuchung angelaufen
Niersbach aber gerät trotz der am Freitag ausgesprochenen Unterstützung immer mehr in die Defensive. Noch bei seinem Auftritt am Vortag hatte der 64-Jährige betont, erst im Juni dieses Jahres von den Geldflüssen von und an Louis-Dreyfus erfahren zu haben. Die Darstellungen von Zwanziger und auch von Horst R. Schmidt lassen dagegen auf einen deutlich früheren Zeitpunkt schließen. In seiner ersten Stellungnahme am vergangenen Wochenende suggerierte Niersbach außerdem, dass die Affäre bereits seit längerer Zeit "extern" untersucht werden würde. In einer Pressemitteilung des DFB am Freitag hieß es dann: "Die internationale Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer hat bereits ihre Arbeit aufgenommen und wird in Kürze mit den Befragungen beginnen."
jk/ck (sid/dpa)