Jonathan gegen die alte Garde
11. Dezember 2014Die Hauptkontrahenten für Nigerias Präsidentschaftswahl im kommenden Februar stehen fest. Die wichtigste Oppositionspartei "Kongress aller progressiven Kräfte" (APC) hat sich am Donnerstag (11.12.2014) mit klarer Mehrheit für ihren Parteigründer, den Ex-Militärherrscher Muhammadu Buhari, als Präsidentschaftskandidaten entschieden. Mit nur jeweils zehn Prozent der Stimmen mussten sich seine internen Herausforderer Rabiu Kwankwaso, der Gouverneur des Bundesstaats Kano, und Ex-Vizepräsident Atiku Abubakar zufrieden geben. "Meine Nominierung bedeutet nicht, dass ich besser als die anderen bin", sagte Buhari in seiner Dankesrede. "Ich sehe es als Zeichen des Vertrauens, die Fackel tragen zu dürfen, damit wir mit vereinten Kräften unser geliebtes Land vor denen retten können, die es in diese Unsicherheit, Armut und Hoffnungslosigkeit gesteuert haben."
Noch klarer war die Sache bei der Regierungspartei PDP (Demokratische Volkspartei): Dort wurde Amtsinhaber Goodluck Jonathan tags zuvor ohne Gegenkandidaten nominiert. Mit Jonathan und Buhari stehen sich im kommenden Jahr die gleichen Kontrahenten gegenüber, die schon bei der letzten Wahl 2011 gegeneinander angetreten waren. Jonathan, der die Staatsführung nach dem Tod seines Vorgängers Umaru Yar'adua 2010 übernommen hatte, errang damals einen klaren Sieg gegen eine gespaltene Opposition. Diesmal sei die Lage etwas anders, erklärt Hussaini Abdu, der Leiter der Hilfsorganisation Action Aid in Nigeria. "Zum ersten Mal gibt es eine wirklich starke Opposition, weil sich die meisten Oppositionsparteien vor zwei Jahren in der APC zusammengeschlossen haben", sagte Abdu der DW: "Wir erwarten einen sehr starken Wettbewerb."
Angst vor Gewalt
Leicht wird es aber auch für die APC nicht. Einen regierenden Präsidenten zu schlagen, sei in afrikanischen Ländern meist sehr schwierig, sagt Abdu. Das liegt vor allem daran, dass dieser die staatlichen Strukturen und die Sicherheitskräfte oft zu seinen Gunsten einsetzen kann. In Nigeria habe sich 2014 bereits auf Bundesstaatsebene gezeigt, wie Jonathans PDP diese Macht für sich nutze, sagt Heinrich Bergstresser. Der ehemalige Leiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Nigeria nennt das Beispiel der Wahl im Bundesstaat Ekiti: "Im Vorfeld dieser Wahl hat die Regierung massiv gegen APC-Anhänger agitiert und auch Polizeigewalt eingesetzt." Man müsse sich darauf gefasst machen, dass die Einschüchterung der Opposition in den kommenden Wochen zur Normalität werde - "bis hin zur körperlichen Züchtigung".
Bei dem nigerianischen Politikanalysten Kole Shettima weckt die Konstellation dunkle Erinnerungen. "Im Jahr 2011 kamen rund 973 unserer Bürger bei Unruhen nach den Wahlen ums Leben. Nun haben wir es mit den gleichen Kandidaten zu tun. Daher ist die Angst groß, dass es erneut zu Ausschreitungen kommen wird." Besorgt zeigt sich der Analyst, der in Nigerias Hauptstadt Abuja für die amerikanische McArthur Foundation arbeitet, weil sich die Stimmung in den letzten vier Jahren noch aufgeheizt habe: Politiker hätten die Bevölkerung entlang ethnischer und religiöser Linien gespalten. Zudem habe die zunehmende Gewalt im Norden das Land polarisiert. Dort verbreitet die islamistische Terrormiliz mit immer neuen Morden und Entführungen Angst und Schrecken. Als Boko Haram im April mehr als 200 Schülerinnen entführte, sorgte das sogar für einen weltweiten Aufschrei. "Die Nigerianer sind diese Rebellion und unsere zahlreichen Probleme leid", sagt Hafsat Mohammed Baba, die sich in der #BringBackOurGirls-Kampagne für die entführten Schülerinnen einsetzt. "Nun suchen wir nach einem Anführer, der uns von diesen Problemen befreien wird."
Wer bietet Sicherheit?
In der Wahl wird es also auch darum gehen, wer eine Lösung auf den Terror von Boko Haram hat. Jonathans Versuch, die Nordostprovinzen während eines anderthalbjährigen Ausnahmezustands militärisch zu befrieden, wurde immer wieder scharf kritisiert. Die Gewalttaten, die sowohl Boko Haram als auch die nigerianischen Sicherheitskräfte verübten, hätten sogar noch zugenommen, warnen Menschenrechtler. Jonathans Vorschlag, den Ausnahmezustand zu verlängern, scheiterte jüngst am Widerstand der Bundesstaaten.
Doch auch Buhari habe bislang kein Konzept präsentiert, sagt Heinrich Bergstresser und bezweifelt, dass der APC-Kandidat eine Lösung bieten kann. "Er muss denselben Sicherheitsapparat befehligen wie Jonathan." In einem anderen Bereich sieht er Buhari deutlich schlechter positioniert als Jonathan: "Die Wirtschaftskompetenz liegt klar bei der jetzigen Regierung. Diese hat auch ihre Hochburgen im Süden, wo die Wirtschaft am stärksten wächst."
Auch sonst zweifeln viele Beobachter daran, dass Buhari dem Land einen neuen Anfang schenken kann. Schon einmal - zwischen 1983 und 1985 - hatte er Nigeria geführt. Doch die Zeiten von Buharis Regime wecken bei Nigerianern keine guten Erinnerungen. "Journalisten erinnern sich daran, wie Buharis Militärherrschaft hart gegen die Medien durchgriff", bemerkt Hussaini Abdu von Action Aid. Wenn Jonathan 2015 die Wahl gewinnt, sind zwar kaum neue Impulse für Nigeria zu erwarten - aber es wäre ein Sieg gegen eine alte Garde von Politikern.