Möbel aus Ostdeutschland
27. Oktober 2010
Manche Küchen sind nicht mehr als eine Zusammenstellung von Schränken, Arbeitsplatten, Herd, Kühlschrank und Dunstabzugshaube. Vielen Menschen reicht das ja auch. Wer aber mehr will, der bekommt heute Küchen aus edlen Materialien und mit einem ansprechenden Design. Bei der Firma "Sachsenküchen", unweit von Dresden, werden in den Montagehallen die Träume vieler Frauen und Hobbyköche maßgeschneidert. Die Möbelproduktion begann hier vor über hundert Jahren. In den 1930er Jahren entwickelte sich das Unternehmen zu einem der bedeutendsten Küchenmöbelhersteller in Deutschland. In der DDR allerdings wurde die Firma enteignet und es entstand ein so genannter VEB, ein volkseigener Betrieb.
"Sachsenküchen" - ein schwerer Start
Der Neuanfang sei nach der Wende gekommen, sagt Geschäftsführer Elko Beeg. Und der sei sehr schwer gewesen, denn das Startkapital habe gefehlt: "Wir haben über einen Investor, der selber Küchen produziert, Unterstützung bekommen. Das hat uns geholfen, hier am Markt Fuß zu fassen." Erst wurden die heimischen Regionen beliefert. Allmählich jedoch wurde auch der ausländische Markt ins Visier genommen. "Sachsenküchen" gibt es mittlerweile fast in ganz Europa. Gefragt ist heute nicht mehr nur, wie funktional eine Küche ist, sondern das Design spielt eine wichtige Rolle.
Die Modellreihen werden bei "Sachsenküchen" ständig erweitert, um die neuesten Trends nicht zu verpassen. Mittlerweile werden die Teile für die Einbauküchen in zwei Montagehallen gefertigt. Insgesamt produzieren die rund 180 Mitarbeiter jährlich 16.000 Küchen. Ein derartig gelungener Neustart ist allerdings nicht vielen ostdeutschen Möbelbauern gelungen, sagt Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie: Überlebt hätten vorrangig Firmen, die hochwertige Möbel herstellten. Die seien, so Geismann, dann auch über Europas Grenzen hinaus bekannt geworden. "Made in Germany" spiele dabei eine ganz wichtige Rolle. Damit werde stets gute Qualität und ein anspruchsvolles Design verbunden.
Deutsche Werkstätten Hellerau – der Name verpflichtet
Die Deutschen Werkstätten Hellerau, die sich bei Dresden befinden, haben ebenfalls einen Namen unter den ostdeutschen Möbelbauern. Ihre Wohnzimmer-Schrankwand, die sich leicht anbauen und ergänzen ließ, wurde zu DDR-Zeiten der Renner. Sie war in fast jeder Plattenbauwohnung zu finden. Und nicht nur das: die Schrankwand war ein Exportschlager, beliebt in Osteuropa, in der ehemaligen Sowjetunion, und einige Exemplare gingen sogar nach Westdeutschland. Schließlich waren die Werkstätten nicht irgendein Unternehmen.
1898 rief der Tischler Karl Schmidt die erste industrielle Möbelfertigung ins Leben. Formschön und qualitativ hochwertig sollten die Möbel sein, und der Preis erschwinglich. Mit namhaften Architekten wurde das Unternehmen zum Vorreiter der modernen Inneneinrichtung. Zu DDR-Zeiten wurde Hellerau ein Möbelkombinat – das aber zahlreiche Spezialaufträge für die Innenausstattung, beispielsweise der Semperoper in Dresden und des Gewandhauses in Leipzig bekam. Die kritischste Phase kam nach der Wende, denn da waren die Werkstätten fast pleite. Seit einigen Jahren sind sie wieder richtig im Geschäft. In Hellerau dreht sich nun alles um den Innenausbau von Luxusyachten, um die Ausstattung von Vorstandsetagen und Villen.
Leder aus Texas – Stoffe aus Italien
49 Millionen Euro haben die Deutschen Werkstätten Hellerau im letzten Jahr umgesetzt – bekamen aber das Krisenjahr 2009 zu spüren. Denn auch die ganz Reichen dieser Welt haben Federn lassen müssen, die Aufträge in der Luxusklasse gingen zurück. Entlassen wurde aber keiner der 230 Mitarbeiter, sagt Geschäftsfüher Francisco Arroyo-Escobar. Aus gutem Grund. Denn wenn es wirtschaftlich – wie derzeit – wieder aufwärts geht, dann sind gleich 20 bis 30 Mitarbeiter für rund drei bis vier Monate mit dem Innenausbau einer einzigen Yacht beschäftigt. Dann müssen edles Leder aus Texas, Schnitzereien aus Barcelona oder Stoffe aus Italien verarbeitet werden – so, wie es die Kunden eben wünschen. Bei den Deutschen Werkstätten Hellerau entstehen Unikate für einen kleinen Kundenkreis, der allerdings über große Konten verfügen muss.
Der Erfinder des Reiss-Brettes
Im südlichen Brandenburg befindet sich ein weiteres ostdeutsches Traditionsunternehmen, es ist die Firma Reiss. 1882 gründete Robert Reiss seine Zeichenmittelfirma, hier wurden unter anderem das Reiss-Brett und die Reiss-Zwecke erfunden. Seit 1904 baut das Unternehmen in Bad Liebenwerda Büromöbel. Der Hauptmarkt ist Deutschland, der Export nimmt zwei Prozent ein. Und was den Wettbewerb anbelangt, so Geschäftsführer Hans-Georg Wiegand, weht mittlerweile doch ein recht scharfer Wind – vor allem im Krisenjahr 2009: "Natürlich ist der Wettbewerb auch aggressiver geworden, weil der Markt insgesamt um 300 Millionen Euro im letzten Jahr geschrumpft ist. Durch die Wirtschaftskrise sind auch die Aufträge zurückgegangen."
Der 1910 vorgestellte und für die damalige Zeit revolutionäre Sitz-Steh-Arbeitstisch hat allerdings alle Krisenzeiten überstanden. Bis heute ist er ein begehrtes Produkt, gebaut nach strengen umweltschonenden Standards, wie alle Möbel von Reiss.
Autorin: Monika Lohmüller
Redaktion: Rolf Wenkel