50 Jahre OECD
23. Mai 2011Mit nichts anderem ist die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Deutschland so berühmt geworden wie mit ihren berühmt-berüchtigten PISA-Studien. Seit der Jahrtausendwende untersucht die OECD darin alle drei Jahre, wie gut die 15-jährigen Schüler in den teilnehmenden Ländern lesen können und wie gut sie in Mathematik und in den Naturwissenschaften sind.
"Gerade in Zeiten globaler Krisen und neuer Herausforderungen hat sich die OECD als eine hochkompetente, internationale Organisation bewährt", erklärt Heino von Meyer vom OECD-Zentrum in Berlin in einem Jubiläumsvideo. Sie trage zu einer "besseren Politik für ein besseres Leben" bei. Als Beispiel führt auch er die PISA-Studie an, "die in Deutschland jeder kennt."
Schlechte Noten für Deutschland
Die internationale Vergleichsstudie PISA ("Programme for International Student Assessment") soll aufzeigen, wie gut die Jugendlichen durch die jeweiligen Bildungssysteme ihrer Länder auf das lebenslange Lernen in einer globalen Welt vorbereitet sind. Und weil bessere Schülertests vermeintlich einhergehen mit einem höheren Wachstum, schauen viele ganz genau hin. Doch ausgerechnet Deutschland, das Land der Dichter und Denker, hat bei PISA bisher ziemlich schlecht abgeschnitten. Die OECD kritisiert vor allem, dass es in der Bundesrepublik viel zu sehr von der kulturellen und sozialen Herkunft abhängt, ob man erfolgreich durchs Leben geht. Auf so eine fundamentale Gesellschaftskritik muss die Politik reagieren - mit Bildungsgipfeln, Reformen und mit Investitionen in den Bildungssektor.
Aber wer jetzt glaubt, dass die OECD in erster Linie eine internationale Bildungsorganisation ist, liegt falsch. Wie sie sich selber sieht, zeigt ein Video aus der Pariser OECD-Zentrale zum 50. Geburtstag, das ebenfalls bei Youtube eingestellt ist. Danach geht es vor allem darum, "für eine bessere Weltwirtschaft zusammenzuarbeiten", und das "in einer Welt, in der nationale und globale Herausforderungen zusammenhängen wie niemals zuvor."
Als die zentralen Themen unserer Zeit werden die Energiefrage und die Nahrungsmittelsicherheit angesprochen, dazu der globale Fluss des Geldes, nachhaltiges Wachstum, Ressourcenschutz und die Umwelt. Die OECD sei der Ort, an dem sich die Länder in Partnerschaft träfen, "um für globalen Fortschritt zu sorgen."
Am Anfang war Marshall
Die Wurzeln der OECD liegen im zerstörten Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals, im April 1948, gründeten 18 Staaten die "Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit", kurz OEEC, die ein gemeinsames Konzept für den Wiederaufbau entwickeln sollte. Die Hauptaufgabe war die Verwaltung der Gelder aus dem Marshall-Plan. Es ging um die möglichst effiziente Verteilung der rund 13 Milliarden US-Dollar, die das Hilfsprogramm der USA für Westeuropa umfasste. Die betroffenen Europäer sollten mitreden und mit gestalten können.
Doch auch nach dem Abwickeln des Marshall-Plans blieb der Gesprächsbedarf in wirtschaftspolitischen Fragen groß. Die OEEC verwandelte sich 1961 in die OECD. Mit der Namensänderung war eine Öffnung verbunden. "Von Mexiko bis Japan, von Island bis Neuseeland glauben die OECD-Mitglieder daran, dass Nationen durch freien Handel und durch Investitionen Wohlstand erzeugen", heißt es im Jubiläumsvideo auf Youtube. Heute sind in der OECD mit Hauptsitz in Paris 34 wichtige Industrieländer zusammengeschlossen, die sich nach eigenen Angaben zur Marktwirtschaft und zur Demokratie bekennen.
"Globales Forum für neue Ideen"
Es ist ein Club der reichen und entwickelten Länder. Unter den Mitgliedern ist kein einziges afrikanisches Land. Die wichtigsten Schwellenländer China, Indien und Brasilien sind ebenfalls nicht vertreten. Chile ist der einzige Staat, der aus Südamerika dabei ist. Mit Russland laufen Beitrittsverhandlungen. Trotz ihrer Exklusivität nimmt die OECD für sich in Anspruch, globale Antworten auf die wichtigen globalen Fragen zu geben und verweist auf die vielen Partnerschaften mit Nicht-Mitgliedern und mit anderen Organisationen.
Die OECD ist stolz darauf, dass ihre Richtlinien gegen Korruption und für gute Regierungsführung zum weltweiten Maßstab geworden sind. Nach Angaben ihres Generalsekretärs Angel Gurría definiert sich die OECD von heute als "ein globales Forum für neue Ideen, um Wohlstand in entwickelten und sich entwickelnden Ländern zu erzeugen." Sie ist eine Ideen- und Diskussionsplattform und eher eine ständig tagende internationale Experten-Konferenz als eine Organisation.
Studien am Fließband
Ob Gesundheit oder alternde Gesellschaften, gute Regierungsführung oder nachhaltiges Wirtschaften, Steuerschlupflöcher oder globales Wachstum, die Chancen und Risiken des Internets oder die Sicherheit der Finanzarchitektur: die OECD ist thematisch extrem breit aufgestellt. Bis auf verteidigungspolitische Fragen ist eigentlich alles dabei.
Über 200 Ausschüsse und Arbeitsgruppen sorgen dafür, dass die Organisation pro Jahr rund 300 Studien veröffentlicht. Die Länderranglisten und internationalen Vergleichsstudien erzeugen fast immer große mediale Aufmerksamkeit und setzen vor allem die Politik in den Mitgliedsländern unter Zugzwang. Als die OECD zum Beispiel die Schweiz auf die Liste der globalen Steueroasen setzte, waren die Eidgenossen außer sich vor Entrüstung.
Durch das Lernen vom vermeintlich Besseren und durch Gruppenzwang sollen Fortschritt und Wohlstand entstehen – nach den Regeln der liberalen, demokratischen Marktwirtschaft. Die OECD finanziert sich aus den Beiträgen ihrer Mitglieder und verfügt derzeit über ein Budget von 342 Millionen Euro. Die USA sind der größte Beitragszahler (rund 25 Prozent), gefolgt von Japan (16 Prozent) und Deutschland (9 Prozent).
Autorin: Sandra Petersmann
Redaktion: Mechthild Brockamp