Exportschlager Wiener Kaffeehaus-Kultur
1. März 2017Der Besuch im Kaffeehaus gehört zum Lebensgefühl in Wien. Mehrere Stunden bei nur einer Tasse Melange zu sitzen und Zeitung zu lesen, ist kein Problem. Kaffeehäuser sind ein Ort, "in dem Zeit und Raum konsumiert werden, aber nur der Kaffee auf der Rechnung steht", heißt es in der Begründung der Unesco. 2011 schaffte es die Kaffeehauskultur auf die Liste des immateriellen Kulturerbes. Und auch das Bild der Touristen ist maßgeblich durch die vielen kleinen und größeren dieser Wiener Institutionen geprägt. "Der Besuch eines Kaffeehauses - auch als klassenloses Wohnzimmer der Wiener bezeichnet - ist ein wesentlicher Bestandteil eines Wien-Besuchs", sagt Nikolaus Gräser von "WienTourismus". Vor allem durch die jüngere Generation gibt es eine Renaissance des Kaffeehauses. Auf neue Kunden hat sich auch Wiens älteste und größte Kaffeehauskette "Aida" eingestellt. 2013 wurde tierische Gelatine aus der Produktion entfernt, um die Speisen für muslimische Kunden als halal genießbar zu machen. In dem Jahr folgte auch die erste Filialeröffnung durch Franchise-Partner in Saudi-Arabien. Dominik Prousek, mittlerweile Unternehmenschef in vierter Generation, hat die Vision, dass bald in jeder großen Stadt ein Ableger eines Kaffeehauses zu finden ist. "Die Italiener und die Franzosen haben uns da überholt. Mir ist es wichtig, ein Stück Wien in die Welt hinauszutragen".
Jeden Tag werden in seiner Produktionshalle am Stadtrand von Wien drei Tonnen Kuchen, Strudel und Schnitten hergestellt. Die Produkte gehen nicht nur in die Filialen in Wien, sondern auch nach Saudi-Arabien, China und Kroatien. Für die Chinesen bleiben aber bei den Rezepten 60 Prozent des Zuckers in der Tüte, für die arabischen Kunden wird noch Süße hinzugegeben.
Der Aida-Chef selbst mag zum Frühstück gern Plundergebäck oder eine Ribiselschnitte, das ist ein Baiserkuchen mit roten Johannisbeeren. Bei den Kunden sind die beliebtesten Klassiker seit mehr als 100 Jahren unverändert geblieben: Quarkplunder (Topfengolatsche genannt), Cremeschnitten und Punschkrapferl, ein in Rum getränkter mit rosa Glasur verzierter Biskuitteig, sind die Kassenschlager.Dazu trinken die Kunden täglich rund 18.000 Tassen Kaffee. Über dieses besondere Wiener Lebenselixier schrieb der österreichische Schriftsteller Hans Weigel: "Auf der ersten Silbe betont, bezeichnet Kaffee ein Getränk, auf der zweiten betont, bedeuten Café und Kaffeehaus in Wien und Österreich eine Lebensform."
Der Urgroßvater von Dominik Prousek war ein gelernter Zuckerbäcker. Im Jahr 1913 gründete er gemeinsam mit seiner Frau eine Bäckerei. Zuerst verkauften die beiden ihre süßes Gebäck noch aus einem Bauchladen heraus in der Wiener Staatsoper. Verdis "Aida" wurde dann als ihre Lieblingsoper schnell zum Firmennamen. Heute gibt es das Aida-Angebot in über 20 Filialen.
Vor allem um die Jahrhundertwende (1900) galt das Kaffeehaus als Treffpunkt für Künstler und Intellektuelle. Die stets mit Anzug und Fliege gekleideten Kellner - "Herr Ober" genannt - tragen mit ihrem typisch grantigen Wiener Charme zum einzigartigen Ambiente bei. 1684 wurde das erste Kaffeehaus urkundlich erwähnt.
Heute gibt es in Österreichs Hauptstadt rund 830 Kaffeehäuser, nicht mitgezählt die zahlreichen Café-Bars, Café-Restaurants, Steh-Cafés und Kaffeekonditoreien. Rund 150 Lokale sind klassische Kaffeehäuser mit Holzboden, simplen Stühlen und plüschigen Bänken. Im Jahr 2011 wurde die Wiener Kaffeehauskultur offiziell als UNESCO-Weltkulturerbe ausgezeichnet.
Sandra Walder (dpa)