Führt die Libanon-Krise zu einer neuen transatlantischen Kluft?
25. Juli 2006Auf der einen Seite fordern die EU und die Vereinten Nationen (UN) die zunehmend alarmiert sind, einen Waffenstillstand und Friedenstruppen für den Libanon. Das soll die Zerstörung beenden, die die israelischen Bomben über den Libanon seit der Entführung zweier israelischer Soldaten durch die Hisbollah am 12. Juli bringen.
Auf der anderen Seite halten die USA daran fest, dass die Milizen ausgelöscht werden sollen, und dass Israel das Recht auf Selbstverteidigung zum Wohle der Region besitze.
Mit dem Ansteigen der Todesopfer im Libanon und hunderttausenden Flüchtlingen - einer "humanitären Katastrophe" - werden viele Europäer zunehmend frustriert über die mangelnde Unterstützung der USA für ihre Position, inmitten der Angst, dass die Feindseligkeiten im Nahen Osten sich weiter hoch schaukeln könnten. Manche glauben, das sei der Beginn einer neuen Kluft.
"Keiner will wieder eine ähnliche Situation wie die vor dem Irak-Krieg", sagt ein deutscher Repräsentant, der eng mit den USA zusammenarbeitet. "Außerdem wäre es kontraproduktiv – wir brauchen die USA, um eine starke Führung in schwierigen Situationen zu übernehmen, weil sie die einzigen sind, die das können. Aber jetzt schütteln wir nur unsere Köpfe und denken: Oh nein, nicht schon wieder, nicht nach all dem."
Ein taktischer Wechsel
Mitte Juli sah das Bild ganz anders aus: Ein Bild der Einigkeit und der herzlichen Freundschaft beim Grillen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel mit US-Präsident George W. Bush in Mecklenburg-Vorpommern.
Am Wochenende des G8-Treffens in Russland, als die Zahl der Todesopfer im Nahen Osten stieg, gelang es den Europäern, die USA in eine angreifbare und zögernde Position zu manövrieren, als sie ein gemeinsames Statement herausgaben: sie forderten ein Ende der Kämpfe, wobei sie Israels Recht auf Selbstverteidigung stärkten. Aber Bush machte die Unterschiede klar, als er Israels Anstrengungen ,die Milizen zu bekämpfen, unterstützte.
"Ein interessanter Aspekt des erneuten Aufflackerns ist, dass es die Ursachen des Konflikts im Nahen Osten und die Beziehung der Hisbollah zu Syrien und dem Iran, sowie Syriens Beziehung zum Iran deutlich macht, sagte Bush in St. Petersburg. "Deshalb ist es wichtig für die Welt die Ursachen anzugehen, um dieses Problem zu lösen."
Diese Sichtweise ist auch der Grund für eine Änderung der amerikanischen Taktik, die normalerweise auf Gewalt in der Region mit einem unmittelbaren und starken Ruf nach Waffenstillstand und Vermittlung reagierte. Ein Positionswechsel, der die Europäer alarmiert.
"Die EU kann in diesem Konflikt nicht auf ihre Stärken bauen, die darin bestehen, Geld für Entwicklung zu geben, und nicht, sich in einen offenen Konflikt einzumischen, sagt Henning Riecke, von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). "Nur die USA können das tun, und sie sind diesmal nicht bereit dazu."
Eskalierender Terrorismus
Mit Ausnahme des britischen Premiers Tony Blair, fordern die meisten Europäer einen Waffenstillstand, wegen der hohen Anzahl an zivilen Opfern und Flüchtlingen. Sie haben Angst vor einem eskalierenden Konflikt im Libanon, der sich zu ihren Nachbarstaaten ausbreitet und ein regionaler Krieg werden könnte.
Aber sie befürchten, dass die Haltung der USA die Spannungen zwischen der islamischen und der westlichen Welt verstärken und dem Terrorismus Nährboden geben könnte, weil die Muslime sehen, dass die USA Israel unterstützt. Dass die USA kein Ende der muslimischen Opfer fordert, könnte als Unterstützung gesehen werden – schlimmer noch, als Verschwörung – im Sinne Israels.
Israel wird auch nach 20 Jahren noch angegriffen
"Die Diplomatie der letzten 20 Jahre hat auch kein Problem in der Region gelöst", sagt Robert Ayers, Sicherheitsexperte des Londoner Think Tanks Chatham House. "Trotz Israels Bemühungen mit seinen Nachbarn zusammenzuarbeiten, wird es noch immer angegriffen."
"Daneben agiert El-Kaida schon seit Jahren weltweit", fügte er hinzu. "Womöglich wird sie es als Aufruf ansehen, aber die Radikalen sind ohnehin schon aktiv."
Das Problem mit der Sichtweise der USA, sagen Europäer, ist der absolute Fokus auf die Terrorismusbekämpfung: Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 hat Bush sie zum Thema seiner Präsidentschaft gemacht. In diesem Konflikt sieht er Israels Versuch, die Hisbollah zu zerstören als Schlüssel in der Terrorismusbekämpfung, um Stabilität in die Region zu bringen. "Die unterschiedlichen Sichtweisen und Ziele sind nicht kompatibel", sagt der deutsche Repräsentant, der seinen Namen nicht nennen will. "Und ohne Einheit wird es unmöglich sein, die Situation zu entwirren."
Eine unangenehme Position für die Deutschen
Manche Experten sagen, dass Europa in einer schwierigen Situation gefangen ist und nicht in der Lage, die Führung bei der Deeskalation der Situation zu übernehmen.
Frankreich, das den Libanon führte und in vergangenen zehn Jahren als Friedensvermittler half, was zum Ende der syrischen Besetzung führte, wird von Israel kaum als neutral angesehen, auch nicht Russland für seine Unterstützung der Palästinenser in der Vergangenheit.
Deutschland als weiteres Beispiel, kann kaum etwas gegen Israel sagen, selbst wenn deutsche Amtsinhaber erschüttert sind, von den Menschenopfern im Libanon. Merkel hat ihre Besorgnis um die zivilen Opfer mit der Bekundung der Unterstützung von "Israels Recht auf Selbstverteidigung" abgeschwächt.
"Die Deutschen, glücklicher oder unglücklicherweise, sind Israel gegenüber, noch immer in der Schuld", sagt Ayers. "Das bringt sie in eine unangenehme Position".
"Und obwohl die Europäer nach einem Waffenstillstand rufen, sehe ich sie keine konstruktiven Vorschläge zur Lösung des Konfliktes machen", fügt er hinzu.
Die meisten Experten sagen, dass sie nicht glauben, dass die unterschiedlichen Meinungen zu einem Konflikt von gleichem Ausmaß wie vor drei Jahren führen werden, weil das Klima anders sei.
"Es wird unterschwellige Spannungen geben und eine Menge diplomatische Aktivität hinter den Szenen", sagt der deutsche Repräsentant. "Aber Bush hat seine Lektion gelernt und Merkel ist nicht Gerhard Schröder – und die Franzosen werden immer die Franzosen in den Augen der Amerikaner bleiben."