5 x Kino und Literatur
12. März 2017Trash ist Kult, keine Frage! Aber auch Science-Fiction in Vollendung kann hip sein. Die Herausgeber des Bandes "Science-Fiction Kultfilme" gehen in ihrem Vorwort auch auf die prägende Rolle der billig produzierten und missratenen Beispiele des Genres ein und verweisen in diesem Zusammenhang auf legendäre "schlechte" Filme wie "Plan 9 From Outer Space" oder "Frankenstein Meets The Space Monster". Der soeben mit einer "Goldenen Himbeere" ausgezeichnete "schlechteste Film des Jahres 2016", "Batman versus Superman" würde diese Liste wohl auch schmücken.
In den 13 Kapiteln ihres Buches stellen Angela Fabris und Jörg Helbig dann aber doch eher die gelungenen Genre-Klassiker vor: "2001: A Space Odyssey" von Stanley Kubrick (unser Bild oben) und "The Matrix" sowie die beiden Ridley-Scott-Filme "Alien" und "Blade Runner", denen die Kino-Zuschauer in diesem Jahr wieder begegnen werden - in spektakulären Neuverfilmungen. Dankenswerterweise kommen im Buch aber auch unbekanntere Werke wie Andrzej Żuławskis "Der silberne Planet" aus Polen oder der zwischen Meisterwerk und Trash changierende Hybrid "Dune" von David Lynch vor. Wer sich für Zukunftsfilme interessiert und wer sich immer schon die Frage gestellt hat, warum ein Film zum Kultfilm wurde, der kommt bei diesem Buch auf seine Kosten.
Angela Fabris/Jörg Helbig (Hg.): Science Fiction Kultfilme, Marburger Schriften zur Medienforschung 70, Schüren Verlag, 258 Seiten, ISBN 978-3-89472-971-4.
Future World - Science Fiction Film
Wir bleiben beim Thema, das im Kino ja gerade höchst aktuell ist. Die zurückliegende Berlinale hat dem Science-Fiction-Film die aufschlussreiche Retrospektive "Future Imperfect" gewidmet. In diesem Zusammenhang erschien auch der Band "Future World - Science Fiction Film". Die Autoren dieses Bandes untersuchen unter anderem ein Genre-Phänomen, das sich spätestens seit den 1970er Jahre herauskristallisierte: Waren die meisten Filme früher von positiven Zukunftsentwürfen und Hoffnungen geprägt, wandelte sich das Genre später durch verschiedene gesellschaftliche und wissenschaftliche Entwicklungen hin zu eher pessimistischen Dystopien.
In neun Kapiteln werden vor allem postapokalyptische Zukunftsvisionen untersucht. Das Genre werde vom angelsächsischen Kulturraum beherrscht, stellen die Herausgeber ganz zu Recht fest. Umso lesenswerter sind die in dem Band auch zu findenden Ausflüge zum sowjetischen und chinesischen Science-Fiction-Film. Und zum Fernsehen! Da wurde - nicht selten in billigeren, kleinen Produktionen eher experimentiert als beim großen und zumeist teuren Bruder Kino. Das konnten dann noch mehr Menschen sehen, schließlich war der Fernseher lange Zeit Hauptinformationsquelle der Menschen. Schon Hannah Arendt, so steht es im Vorwort des Buches, schrieb: Das Denken "von Jedermann" sei den wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen weit voraus gewesen, die Wissenschaft habe "nur verwirklicht, was Menschen geträumt haben."
Kristina Jaspers, Nils Warnecke, Gerlinde Waz, Rüdiger Zill (Hg.): Future World - Science Fiction Film, Bertz + Fischer Verlag, 144 Seiten, ISBN 978-3-86505-250-6.
Victor Sjöström - Film Can be Art
Vom Blick in die Zukunft zurück in die Vergangenheit. Der Schwede Victor Sjöström wurde früher zu den bedeutendsten Filmregisseuren der Welt gezählt. Das ist lange her, das Kino kannte damals noch keinen Ton. Charlie Chaplin hat Sjöström, der zu Stummfilmzeiten vor allem auch in Hollywood arbeitete und mit Schauspiel-Ikonen wie Lillian Gish und Greta Garbo drehte, einmal "als besten Regisseur" der Welt bezeichnet. Wenn Sjöström nicht auch als Schauspieler gearbeitet hätte und in der Rolle eines alternden Professors in Ingmar Bergmans Klassiker "Wilde Erdbeeren" zu spätem Weltruhm gekommen wäre, würden heute aber wohl nur noch Experten Sjöström kennen.
Viele seiner frühen Filme gelten als verschollen. Werke wie "Der Fuhrmann des Todes" und "Berg-Ejvind und sein Weib" zählen aber noch heute zu den großen Meisterwerken der Stummfilm-Ära. Das Buch von Jens Dehn ist die erste deutschsprachige Monografie über den Regisseur. Ein profundes Filmbuch über einen der großen Vergessenen der Filmgeschichte, erschienen in einer Auflage von nur 250 Exemplaren. Eine wenn auch kleine, aber nicht hoch genug einzuschätzende Leistung von Verlag und Autor!
Jens Dehn: Victor Sjöström - Film Can be Art, 35mm-Verlag, Das Buch kann über die Internetseite des Verlages bezogen werden, 146 Seiten.
Johannes Rosenstein: Stanley Kwan
Einen der wichtigsten Filmregisseure Asiens stellt der Band "Stanley Kwan" aus der Reihe "Film-Konzepte" vor. "In gewisser Weise ist Stanley Kwan der Almodóvar des Hongkong-Kinos" bringt es Herausgeber Johannes Rosenstein im Vorwort seines Buches prägnant auf den Punkt und fährt fort: "…ein Melodramen-Regisseur, der über das Leiden und die Leidenschaft von Frauenschicksalen einen Zugang zur Welt findet - beziehungsweise diesen weiblichen Blick nutzt, um etwas über die Mechanik von Macht- und Abhängigkeitsstrukturen zu erzählen."
Stanley Kwan, 1957 in Hongkong geboren, hat sich in vielen seiner Arbeiten auf die Suche nach der Seele der ehemaligen britischen Kronkolonie gemacht. Dafür müssen seine Filme nicht immer auch dort spielen. Kwan, der inzwischen in Hongkong und in Shanghai lebt, ist ein Regisseur, der sich zwischen Tradition und Moderne bewegt, sich am europäischen und japanischen ebenso wie am chinesischen Kino orientiert. Und der eine große Formenvielfalt in seinem Oeuvre sprechen lässt. Einer der sich eben aufgrund dieses ausgesprochenen Stilwillens zu einem "der postmodernsten und intellektuellsten Regisseure" - so die Herausgeber - entwickelt hat.
Johannes Rosenstein (Hg.): Stanley Kwan, Reihe Film-Konzepte, Band 45, Verlag edition text + kritik, 118 Seiten, ISBN 978-3- 869-165530.
Bernd Schroder: Warten auf Goebbels
Den deutschen Film "Das Leben geht weiter" gibt es nicht. Er wurde von November 1944 bis April 1945 zwar in Babelsberg und in Lüneburg gedreht, blieb aber wohl unvollendet. Sämtliche Filmrollen gingen im Chaos der letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs verloren. "Das Leben geht weiter" war der letzte Propagandafilm der Nazis. Der Kritiker und Regisseur Hans-Christoph Blumenberg hat die Geschichte dieses verschollenen Films 1992 In einem Buch ausführlich dokumentiert. Mark Cairns machte daraus zehn Jahre später einen Dokumentarfilm.
Jetzt hat Bernd Schroeder aus dem Stoff einen Roman gemacht. "Warten auf Goebbels" heißt Schroeders literarisches Opus. Propagandaminister und Filmenthusiast Joseph Goebbels hatte einst höchstpersönlich die Idee zum Film geliefert, an dessen Drehbuch auch Thea von Harbou mitschrieb. Regisseur Wolfgang Liebeneiner setzte in diesem letzten Monumentalfilm der größenwahnsinnigen NS-Filmproduktion Stars wie Heinrich George, Marianne Hoppe und Gustav Knuth ein. Die Dreharbeiten mussten wegen der Bomben-Angriffe der Alliierten immer wieder unterbrochen, die Drehorte von Berlin nach Norddeutschland verlegt werden. Dort spielt auch Schroeders Roman, in dem vom Krieg verschonten Dorf Krahwinkel. Der Autor verwebt Historisches und Fiktives, Dokumentiertes und Erfundenes, macht aus der absurden Geschichte dieses letzten NS-Propagandafilms einen pointierten Roman über Größenwahn und den Zusammenhang von Kunst und Politik.
Es ist übrigens nicht ausgeschlossen, dass sich irgendwann doch noch die Filmrollen von "Das Leben geht weiter" in irgendeinem Archiv auf der Welt finden werden. Doch das ist dann schon wieder Science Fiction.
Bernd Schroeder: Warten auf Goebbels, Roman, Hanser Verlag, 236 seiten, ISBN 978-3-446-25452-7.