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PEN-Treffen in Schwäbisch Hall

Jochen Kürten18. Mai 2014

Es ist wie immer: Überall auf der Welt werden Schriftsteller und Journalisten bedroht und verhaftet. Der PEN protestiert dagegen. Manchmal hat er auch Erfolg. Doch ein Ende der Arbeit ist nicht abzusehen.

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PEN-Schriftsteller in Schwäbisch Hall (Foto: Jochen Kürten)
Bild: DW/J. Kürten

Es gibt auch glasklare Erfolgsmeldungen - Schwarz auf Weiß: "Seit nunmehr zwei Jahren bin ich im Gefängnis. Diese zwei Jahre haben eines bewiesen: die Macht der Solidarität", schrieb Deniz Zarakolu im Januar an die deutsche PEN-Sektion. Zwei Monate später konnte der kurdische Autor das Gefängnis in der Türkei verlassen. Zarakolu war von den türkischen Behörden angeklagt, weil diese ihm eine Verbindung zur kurdischen Organisation "Koma Civakên Kurdistan" ("Union der Gemeinschaften Kurdistans") vorwarfen.

Doch solch ein Dankesbrief, wie ihn Sascha Feuchert, Vizepräsident und Writers-in-Prison-Beauftragter des deutschen PEN, mit nach Schwäbisch Hall gebracht hatte, ist die Ausnahme. Und die Freilassung Zarakolus und seiner Mitstreiter erfolgte auch nur unter dem Vorbehalt eines "weiter schwebenden Verfahrens". Noch ist der "Fall Zarakolu" nicht zu den Akten gelegt, noch ist eine Wiederverhaftung des Autors jederzeit möglich.

Wirksame Waffe Öffentlichkeitsarbeit

Aber der Fall zeigt doch: das Engagement des PEN kann Wirkung zeigen. Öffentlichkeitsarbeit sei die wirksamste Waffe des PEN, sagte Josef Haslinger, Präsident der deutschen Sektion, beim Jahrestreffen der Schriftstellervereinigung im Gespräch mit der Deutschen Welle. Auf das Schicksal von inhaftierten oder bedrohten Autoren aufmerksam machen, Informationen sammeln, die Medien informieren, das ist der eine Teil der Arbeit des PEN. Kontakt zu den Schriftstellern aufnehmen, Briefe schreiben, Solidarität bekunden, das ist ein zweiter. Ein paar in ihrer Heimat bedrängte Autoren in Deutschland aufnehmen, ein dritter.

PEN Präsidente Josef Haslinger (Foto: Jochen Küüten)
PEN-Präsident Josef HaslingerBild: DW/J. Kürten

Gerade das Beispiel Türkei macht deutlich, dass es weltweit nur selten Fortschritte gibt in Sachen Meinungsfreiheit. "Das erschütternde ist, dass gerade die Türkei zeigt, dass sich Länder auch zurückentwickelten", sagte Haslinger. Seit den Protesten im Gezi-Park in Istanbul, habe sich die Situation in dem Land nicht zum besseren entwickelt. Die Regierung habe mit ihren Internet-Einschränkungen Rückschritte gemacht. Das schmerze besonders, weil das Land schon einmal weiter gewesen ist.

Dem pflichtet auch Franziska Sperr, Vizepräsidentin und Writers-in-Exile-Beauftragte des deutschen PEN, bei: "Das Land ist uns doch so nah!". Wenn man in Istanbul sei und dort das Leben der vielen jungen Menschen beobachte, ahnt man eigentlich gar nicht, dass die Situation von vielen Schriftstellern so schlecht ist. In Schwäbisch Hall wurde darüberhinaus auch auf das Schicksal des Journalisten Can Dündar aufmerksam gemacht, dem in der Türkei ein Strafverfahren droht.

Wie zu Zeiten Mubaraks

"Wir beobachten auch eine Verschlechterung in einigen lateinamerikanischen Ländern", listete Feuchert auf. Und verschlechtert hat sich die Lage auch im arabischen Raum: "Nach dem arabischen Frühling war die Situation in vielen nordafrikanischen Ländern schon besser". Heute sei die Lage für viele Intellektuelle insbesondere in Ägypten schon wieder so wie früher zu Zeiten Mubaraks.

Die Türkei, China, Iran, auch Russland und Weißrussland, viele Staaten des afrikanischen Kontinents - die Konfliktherde sind fast immer die gleichen, manche kommen hinzu, nur in wenigen Fällen lassen sich Verbesserungen dokumentieren. Auch über die Lage der Autoren in der Ukraine wurde diskutiert. Weltweit wurden im vergangenen Jahr 33 Autoren getötet, über 900 sind in Haft - das sind die offiziellen Zahlen. Die Dunkelziffer dürfte höher sein.

Die Macht der Worte

Internationaler PEN - Präsident John Ralston Saul (Foto: Jochen Kürten)
John Ralston SaulBild: DW/J. Kürten

"Es werden Schriftsteller inhaftiert, keine Unternehmer oder Politiker", spitzte der Präsident des Internationalen PEN, der Kanadier John Ralston Saul, zu. Auch wenn weltweit manche engagierte Politiker in Haft sind, wurde doch deutlich, um was es Saul ging. Es ist "die Macht der Worte", die staatliche Stellen immer wieder bis aufs Blut reizt und zu drakonischen Maßnahmen gegen Autoren und Journalisten greifen lässt.

Besonders China bleibt ein schwieriges Terrain für die Arbeit des PEN. Auch deshalb, weil das Land für die engagierten Schriftsteller des PEN praktisch "nicht erreichbar" sei, so Josef Haslinger. "In China kann man kaum festhalten, ob sich die Arbeit des PEN wirklich auszahlt." Man könne nur schwer nachprüfen, ob die Briefe und die Petitionen, die man an einzelne Autoren in das Land schickt, dort auch wirklich ankommen.

"Großartige Begegnungen"

Auch wenn die Arbeit mühsam und zeitaufreibend ist, die Autorinnen und Autoren des PEN engagieren sich ehrenamtlich, so ist die Zufriedenheit bei Erfolgsmeldungen groß. "Ganz toll ist es, wenn man diese Menschen kennenlernt. Das sind ganz großartige Begegnungen", erzählt Franziska Sperr.

Ein eindrucksvolles Beispiel einer solchen mutigen Persönlichkeit war zu Gast in Schwäbisch Hall. Im Rahmen des "Writers-in-Exile"-Programms hält sich die mexikanische Schriftstellerin und Journalistin Ana Lilia Pérez zurzeit in Deutschland auf. In ihrer Heimat war sie mit dem Tode bedroht worden.

Mafiöse Strukturen in Mexiko

die mexikanische Autorin Ana Lilia Pérez (Foto: Jochen Kürten)
Ana Lilia PérezBild: DW/J. Kürten

Perez gab in Schwäbisch Hall ihre bedrückenden Erfahrungen wider. Anhand von drastischen Beispielen erzählte sie von den Missständen in Mexiko, dem, wie sie meinte, für Autoren und Journalisten derzeit gefährlichsten Land der Welt. Dort verliere der Staat mehr und mehr die Kontrolle über die Gesellschaft. Die mächtigen Drogenkartelle hätten in den vergangenen Jahren vielerorts das Heft in die Hand genommen und das Land mit mafiösen Strukturen überzogen.

Pérez hatte sich vor ihrer Ausreise nach Deutschland in zahlreichen Publikationen insbesondere mit Korruption, organisierter Kriminalität und staatlicher Willkür auseinandergesetzt. Veröffentlichen konnte sie nur noch bei einem internationalen Verlag (Random House): "Mexikanische Verlage und auch die Presse haben vor der organisierten Kriminalität kapituliert". Vor ihrer Ausreise nach Europa habe sie nur noch mit schusssicherer Weste und mit Leibwächtern auf die Straße gehen können. Der Aufenthalt in Deutschland habe ihr erstmals nach langer Zeit wieder die Möglichkeit gegeben "durchzuatmen und durchzuschlafen".

Eine mutige Rückkehr

Doch Pérez kündigte an, demnächst in ihre Heimat zurückkehren zu wollen - trotz aller Bedrohungen. "Ein ungeheuer mutiger Schritt", wie Franziska Sperr findet. "Ich brauche mein Land, meine Sprache, meine gewohnte Umgebung - und mein Land braucht mich", meinte Pérez. Und noch etwas sagte die Autorin in Schwäbisch Hall: "Ich finde keinen inneren Frieden, wenn ich nicht das notwendige tun würde für mein Land."