Für die Hauptstadt nur das Beste
22. Mai 2014Mit seinen 288 Betonsäulen, die das kreisrunde Dach fast 40 Meter hoch über den großzügigen Vorplatz stemmen, soll sich das neue Nationalstadion nahtlos in die monumentale Architektur der Hauptstadt einfügen: In den 50er Jahren hatte der brasilianische Jahrhundertarchitekt Oscar Niemeyer die Regierungsgebäude in den flugzeugförmigen Stadtplan seines einstigen Mentoren Lúcio Costa hinein entworfen. So hat es Brasilia als einzige Stadtgründung des 20. Jahrhunderts auf die UNESCO-Liste der Weltkulturerbe-Stätten geschafft.
Millionenbau fürs Museum
Für viele Brasilianer wäre es ein Frevel gewesen, der Designstadt Brasilia eine gewöhnliche Suppenschüssel zu verpassen. Fragwürdig ist allerdings, ob Brasilia überhaupt ein Fußball-Stadion mit mehr als 70.000 Sitzplätzen braucht. Die beiden besten Teams der Hauptstadt spielen in der kommenden Saison in der vierten brasilianischen Liga. Der Zuschauerschnitt lag dort in den letzten Jahren knapp über 1000.
Der Gouverneur des Hauptstadt-Distrikts Agnelo Queiroz verteidigte das neue "Mané Garrincha", wie es im Volksmund nach einem ehemaligen Starspieler heißt, dennoch: "Es ist eine Multifunktionsarena. Wir werden große nationale und internationale Veranstaltungen ins Nationalstadion holen."
Möglicherweise hätten sich mehr Menschen damit abgefunden, wenn wenigstens der Kostenrahmen eingehalten worden wäre. Doch statt den veranschlagten 250 soll der Neubau nun mehr als 600 Millionen Euro kosten. Damit ist es nicht nur das teuerste Stadion der WM in Brasilien: Die Wirtschaftsprüfer von KPMG haben errechnet, dass das Nationalstadion, gemessen an den Sitzplätzen, das drittteuerste Stadion der Welt ist, hinter den Londoner Top-Arenen Wembley und Emirates Stadium.
Keine Straßenbahn
Die vielleicht größte Enttäuschung der Hauptstädter ist aber das lang ersehnte Projekt Straßenbahn: Seit zehn Jahren gibt es Pläne, den notorisch überlasteten Verkehr durch die Schienenfahrzeuge zu entlasten. Dank des WM-Budgets sollte der Bau endlich Realität werden. Und tatsächlich ging es 2007 los. Doch Unregelmäßigkeiten bei den Ausschreibungen bremsten den Bau immer wieder. 2010 stoppte die Justiz die Arbeiten ganz, ein Jahr später wurden die vergebenen Aufträge annulliert.
Mitte 2012 gestand man sich ein, dass noch nicht einmal der Bau-Abschnitt zwischen Flughafen und Stadtrand zur WM fertig würde. Dabei wäre das auch für die 900.000 erwarteten WM-Touristen eine große Erleichterung gewesen. Wer also in Brasilia Straßenbahn fahren will, muss später noch einmal wiederkommen. Vielleicht zu einer der internationalen Veranstaltungen im neuen Nationalstadion?