Faber, das junge Poptalent
16. August 2017Im weißen T-Shirt steht er auf der Bühne, seine Stirn versteckt er unter einer wuscheligen Haartolle. Seine Gitarre hält er eher unkonventionell - man fragt sich, wie er so spielen kann. Zwischen den Zeilen seiner Songs dreht er sich vom Mikrofon weg, hüpft und dreht sich, lacht in sich hinein, lacht seine Band an - Spielfreude pur. Er kann sich kaum halten vor Energie, als er im Refrain von "Brüstebeinearschgesicht" die Worte "Du wärst so gern wie er!" ausspuckt; sein Körper zittert vor Spannung - er ist ganz drin in dem Song, der ziemlich weh tut, weil er einen wunden Punkt nach dem anderen berührt.
Wunde Punkte, ja, die kann Faber mit Genuss treffen - und noch einmal das Messer darin umdrehen. In "Alles Gute" heißt es: "Wenn du dann am Boden liegst, dann weißt du, wo du hingehörst". Oft geht es in Fabers Texten um Einsamkeit und Verzweiflung. Und er nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er seine Exfreundin als "Nutte" beschimpft oder in der Rolle eines älteren Herren versucht, ein viel zu junges Mädchen dazu zu bringen, mit ihm Sex zu haben. Oder wenn er über einen Typen singt, der gerne nach seinem Chef auf dasselbe Klo geht, weil es so "wunderbar nach ihm riecht". Es sind keine Wohlfühlthemen - hier geht es oft um die Abgründe des männlichen Daseins, mit Frust, Aggression, Gier und Stolz.
Der "junge Alte"
Seine Texte sind voller Schwermut und Ironie, kommen mal mit dem Holzhammer, mal mit feinen Wortspielchen daher. Mit einer Stimme, die so klingt, als habe der 23-Jährige bereits jahrzehntelang Sex, Drugs & Rock 'n' Roll durchlebt. Faber ist kein Mainstream. Er raucht und trinkt. Dann quatscht er etwas vom Altsein aber auch vom Jungbleiben. "Also eigentlich bin ich 50 und sehe aus wie ein 23-Jähriger", sagt er im Interview mit der Deutschen Welle. Und erzählt davon, dass er ein Porträt von sich zu Hause habe, das in seinen Augen immer älter wird. Und so könne er immer jung bleiben. Ein komischer Kauz?
Wenig Schlaf und viel Rumschreien
Julian Pollina heißt er, seine Wurzeln sind sizilianisch, sein Künstlername "Faber" hat etwas mit Max Frischs "Homo Faber" zu tun, aber wirklich hinter die Bedeutung kommt man nicht. Entweder hat Julian gar keine Lust darüber zu reden oder es ist tatsächlich so, dass er sich ihn einfach nur ausgedacht hat. Er habe sich ein paar Stories zu diesem Namen überlegt, erzählt er, aber ihm sei keine gute Geschichte eingefallen. Es müsse ja auch nicht immer ein Hintergrund hinter einem Künstler- oder Bandnamen stecken. "Andere Bands nennen sich 'die Toten Hosen'", meint er und grinst.
Seine tiefe rauchige Stimme habe er sich antrainiert, verrät er, mit "wenig schlafen und viel rumschreien". Seine Texte sind so direkt und hart, weil er gar nicht anders kann: "Es kommt doch ganz einfach auf den Stil an. Manche schreiben blumig und andere schreiben direkt. Und das Direkte liegt mir einfach besser."
Von Bushido bis Chansons
Er ist mit all der Musik aufgewachsen, mit der man in dem Alter nun mal aufwächst. Deutscher Gangsta-Rap von Sido und Bushido hat ihn genauso begleitet wie Indierockbands. Daneben hat Faber auch sizilianische Volkslieder, Polka und französische Musik gehört - und er findet die Posaune faszinierend. Das schlägt sich in Fabers Musik nieder. Es gibt kein Schlagzeug, nur Percussion; der Posaunist tritt eine Bassdrum und treibt damit den Rhythmus an. Die Musik erinnert mal an Balkan, mal an französische Chansons, mal an Singer-Songwriter-Pop. Faber selbst nennt es "Akustik-Punk für Mädchen".
Dass er hochdeutsch singt, finden die Schweizer nicht ganz so prickelnd. Umso besser aber kommt die Musik bei den deutschen Nachbarn an. Und die können viele Texte schon mitsingen - was man beim Haldern Pop Festival am 11. August 2017 bei einem kollektiv verzückten Publikum beobachten konnte.
Sei ein Faber im Wind
Die prominente Schweizer Musikerin Sophie Hunger hat ihn ins Geschäft gebracht, nachdem er sie überredet hatte, seine Songs anzuhören. Durch Crowdfunding konnte er seine erste Platte finanzieren - "Alles Gute" ist in Faber-Fankreisen ein Hit. Mit seiner zweiten EP "Abstinenz" hat er schon vor einem Jahr Festivals bespielt und verzückt - wenn nicht auf, dann eben vor der Bühne.
Zurzeit ist Faber auf einer schier endlosen Tour durch Deutschland, die Schweiz und Österreich, bespielt dabei auch viele kleine aber feine Festivals wie das Haldern Pop Festival oder das c/ o pop in Köln. Im Gepäck: Seine erste "richtige" Platte mit dem Titel "Sei ein Faber im Wind", die im Juli erschienen ist, und von den Plattenkritikern hochgelobt wurde. Mit Recht. Die deutschsprachige Singersongwriter-Szene langweilt mit immer gleichen Typen und Liedern, sodass der raue unverblümte Ton aus der Schweiz gerade recht kommt.
Das nicht gerade kleine Plattenlabel Universal-Vertigo arbeitet daran, Fabers Image als intelligenten Rebellen auszufeilen - und Faber selbst spielt mit. Bleibt die Hoffnung, dass er sich treu bleibt und das Verruchte an ihm nicht zur Verkaufsmasche wird. Der "Faber im Wind" hat auf jeden Fall gerade eine Menge Rückenwind.